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Kritik zu „Air: Der große Wurf“: Kurzweiliger Geschichtsexkurs

Aktualisiert: 11. Juli 2023

Mit den „Air-Jordan“-Schuhen stieg das Sportbekleidungsunternehmen Nike zum Weltkonzern auf. Dabei war die Verpflichtung von NBA-Superstar Michael Jordan als Werbeträger einer der größten Risiken und gleichermaßen kommerziell größten Erfolge von Nike. Die Vertragsverhandlungen zur Verpflichtung wurden nun im von Ben Affleck inszenierten Biopic-Drama „Air: Der große Wurf“ verfilmt.


Bildnachweis: © AMAZON CONTENT SERVICES LLC. / Ana Carballosa


In den frühen 80er Jahren dominierten die Sportbekleidungsunternehmen Converse und Adidas den Markt. Nike hingegen hatte Schwierigkeiten in der Basketballsparte Fuß zu fassen und sah sich gezwungen, sie zu schließen. Die Konkurrenz schien zu stark zu sein und eine erfolgreiche Etablierung erschien nahezu unmöglich. Doch dann geschah etwas, das die gesamte Sportbranche revolutionierte. Nike verpflichtete den NBA-Superstar Michael Jordan und entwickelte speziell auf ihn zugeschnittene Schuhe, die legendären „Air-Jordan“.


Mit diesem bahnbrechenden Schuh erzielte Nike gigantische Erfolge und überholte noch im selben Jahrzehnt seine Konkurrenten Converse und Adidas. Dieser kometenhafte Aufstieg ist wohl vor allem dem damaligen Nike-Markenchef Sonny Vaccaro zu verdanken. Seine bahnbrechende Verpflichtung von Michael Jordan und die Entwicklung der „Air-Jordan“-Serie waren der Anfang eines weltweiten Erfolgs, so dass Nike zu einem der erfolgreichsten und beliebtesten Marken für junge Menschen wurde. Die Geschichte dieses Aufstiegs wird nun in dem Biopic-Drama „Air: Der große Wurf“ erzählt.


Darum geht es:


Vor vier Jahren ist Nike an die Börse gegangen, allerdings steht es um das Sportbekleidungsunternehmen im Jahr 1984 nicht so gut wie erhofft. Die Konkurrenz Converse und Adidas liegt weit voraus und auch wenn sich Sonny Vaccaro, der Markenchef des Unternehmens, alle Mühe gibt, junge Talente anzuwerben, laufen die meisten doch zur Konkurrenz über. Deshalb steht Nike-CEO Philip Knight kurz davor, die Basketballsparte zu schließen.

Bildnachweis: © AMAZON CONTENT SERVICES LLC. / Ana Carballosa


Als Sonny Vaccaro den 21-jährigen Michael Jordan das erste Mal auf dem Basketballfeld sieht, weiß er sofort, dass dieser junge Rookie etwas ganz Besonderes ist. Vaccaro erkennt das unglaubliche Potenzial, das in Jordan schlummert und ist sich sicher, dass er die Rettung für das Unternehmen sein könnte. Doch um Jordan zu verpflichten, müsste Nike das gesamte Budget ausgeben und wahrscheinlich sogar noch mehr investieren. Ein solch hohes finanzielles Risiko könnte das Unternehmen an den Rand der Existenz bringen …


Die Rezension:


Die Prämisse von „Air: Der große Wurf“ ist eine Geschichte, wie sie nur aus der amerikanischen Traumfabrik kommen kann. Es ist eine Ode an den Kapitalismus und den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär. Immer wieder erzählt das amerikanische Kino Geschichten über geschäftlichen Erfolg und wie man die Konkurrenz bezwingen kann. Diese Geschichten sind ein wichtiger Bestandteil des amerikanischen Selbstverständnisses, allerdings haben sich in den letzten Jahren auch leichte Kapitalismuskritik und gesellschaftliche Fragestellungen in dieses Subgenre eingeschlichen.


Auch „Air: Der große Wurf“ zeigt diese Entwicklung. Der Film erzählt nicht nur die Geschichte von Sonny Vaccaro, sondern stellt auch kritische Fragen zum kapitalistischen System. Der Erfolg von Nike und Michael Jordan hat sicherlich eine große Wirkung auf den Sportmarkt gehabt, aber der Film zeigt auch, dass dieser Erfolg nicht ohne hohes finanzielles Risiko möglich war. Der Kampf um Marktanteile und die damit verbundene Konkurrenz haben oft negative Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaft. Diese Aspekte werden in „Air: Der Große Wurf“ nicht verschwiegen.

Bildnachweis: © AMAZON CONTENT SERVICES LLC. / Ana Carballosa


Dennoch wird Nike merkbar glorifiziert. Der Fokus des Films liegt eindeutig auf der Erfolgsgeschichte von Nike und wie das Unternehmen durch die Verpflichtung von Michael Jordan zum Weltkonzern wurde. Es werden engagierte und ambitionierte Menschen bei Nike gezeigt, die hart arbeiten und alles riskieren, um ihre Visionen zu verwirklichen. Im Gegensatz dazu werden die Menschen bei Converse als Rolex-tragende alte Männer ohne Zukunftssinn dargestellt. Bei Adidas wird ausschließlich auf die Vergangenheit im Nationalsozialismus reduziert. Darüber hinaus zeigt der Film auch die einzige Schwäche von Nike im Gang zur Börse.


Trotz seiner Glorifizierung von Nike ist „Air: Der große Wurf“ mehr als nur ein plumper Werbefilm. Ben Affleck hat in diesem Film bewiesen, dass er nicht nur ein begabter Schauspieler, sondern auch ein sehr guter Geschichtenerzähler ist. In seinem fünften selbst inszenierten Spielfilm nimmt er uns mit auf eine Reise in die 80er-Jahre. Affleck versteht es, eine dichte Retro-Stimmung zu erzeugen, die den Zuschauer direkt in die Zeit zurückversetzt. Die matte Farbgestaltung und der Soundtrack, der mit Hits aus der Zeit gespickt ist, schaffen ein sehr immersives Retro-Feeling. Man fühlt sich, als ob man direkt in das Jahr 1984 zurückversetzt wird und erlebt die Zeit hautnah mit.

Bildnachweis: © AMAZON CONTENT SERVICES LLC. / Ana Carballosa


„Air: Der große Wurf“ ist ein Film, der sich in gewisser Weise den üblichen Genre-Mustern unterwirft. Die Charaktere sind typisch für Geschichten dieses Subgenres und brechen nur wenig aus den Mustern aus. Doch trotzdem macht es Spaß, den Film anzuschauen, weil er so hochkarätig besetzt ist. So schlüpft der spielfreudige Matt Damon in die Hauptrolle des Nike-Markenchefs Sonny Vaccaro. Er verkörpert den Durchschnittsamerikaner, der hart arbeitet und fest an den amerikanischen Traum glaubt. Damon spielt diese Rolle aber glaubhaft und man fühlt mit ihm mit.


Neben Matt Damon spielt Jason Bateman den exzentrischen Rob Strasser. Bateman spielt seine Rolle sehr engagiert und sorgt für eine angenehme Abwechslung in der Handlung. Regisseur Ben Affleck spielt unterdessen den leicht verschrobenen Nike-CEO Philip Knight mit sichtbarer Spielfreude. Er gibt dem Charakter eine sympathische Note und verleiht dem Film zusätzlichen Charme. Die moderne Kapitalismus-Ode hält aber auch eine starke Frauenrolle parat. Viola Davis spielt die Mutter von NBA-Superstar Michael Jordan als starke weibliche Figur. Es ist nicht der Manager oder der Vater, sondern die starke Mutter, die alle umstimmt und sogar Michael Jordan, der eigentlich zu Adidas wollte. Davis spielt ihre Rolle mit viel Charakterstärke und gibt der Geschichte eine weitere Dimension.


Bildnachweis: © AMAZON CONTENT SERVICES LLC. / Ana Carballosa


Obwohl Viola Davis eine beeindruckende Leistung als die starke Mutter von NBA-Superstar Michael Jordan in „Air: Der große Wurf“ abliefert, ist es bedauerlich, dass der Film keine ernsten Untertöne zulässt. Insbesondere ist es enttäuschend, dass der Rassismus, den die Familie Jordan erlebt hat, in diesem Film nicht thematisiert wird. Es ist kein Geheimnis, dass Michael Jordan und seine Familie in den USA diskriminiert wurden. Jordan selbst hat in Interviews offen darüber gesprochen, dass er aufgrund seiner Hautfarbe Diskriminierung erlebt hat und dass er diese Erfahrungen in seine Motivation integriert hat.


In „Air: Der große Wurf“ bleibt es aber unerwähnt, wie Jordan und seine Familie im täglichen Leben diskriminiert wurden und wie schwierig es für sie war, sich in einer Gesellschaft zu behaupten, die von Rassismus und Vorurteilen geprägt war. Es ist verständlich, dass der Fokus des Films auf der Erfolgsgeschichte von Nike und dem Aufstieg von Michael Jordan liegt. Aber es ist bedauerlich, dass der Film nicht den Mut hatte, auch die dunklen Seiten der amerikanischen Geschichte zu beleuchten. Eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung hätte diesem Film noch mehr Tiefe verliehen.


Fazit:


„Air: Der große Wurf“ bietet eine unterhaltsame Darstellung von Nikes Aufstieg zum Erfolg. Die hochkarätige Besetzung, angeführt von Matt Damon, Jason Bateman, Ben Affleck und nicht zuletzt Viola Davies verleiht dem Film eine gewisse Leichtigkeit und sorgt für eine kurzweilige Unterhaltung. Dabei ist es eine Geschichte, wie man sie im amerikanischen Kino schon oft gehört hat - ein Unternehmen mit einer visionären Idee und dem nötigen Durchsetzungsvermögen - um sie in die Tat umzusetzen.


6 von 10 Punkten

„Air: Der große Wurf“ ist seit dem 6. April 2023 in den Kinos.



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