Lichtschwerter und Raumschiffe verbindet man automatisch mit dem US-amerikanischen Franchise Star Wars, doch was wäre, wenn man den Krieg der Sterne als französischen Arthouse-Film gedreht hätte?
Bruno Dumont, einer der bekanntesten und kontroversesten Regisseure der französischen Filmwelt, hat sich über die Jahre hinweg als vielseitiger und einflussreicher Filmschaffender etabliert. Mit Filmen wie „Das Leben Jesu“, „Camille Claudel 1915“ und „Flandern“ sorgte er immer wieder für Aufsehen und etablierte sich als Schöpfer von Werken, die sowohl inhaltlich als auch visuell einen unverwechselbaren, oft herausfordernden Stil pflegen. Mit seinem zwölften Spielfilm „Das Imperium“ wagt Bruno Dumont nun den Schritt in ein neues Genre: die Science-Fiction.
Zu dem Film verfasste Dumont selbst das Drehbuch. Im Februar 2024 wurde „Das Imperium“ im Wettbewerb der 74. Berlinale uraufgeführt und mit dem begehrten Jury-Preis des Silbernen Bären ausgezeichnet. Nachdem der Film in Frankreich bereits im Februar in die Kinos kam, steht nun auch der deutsche Kinostart an.
Darum geht es:
In einem abgelegenen Fischerdorf an der Côte d’Opale lebt die Menschheit in der Illusion einer normalen Welt – doch hinter der beschaulichen Fassade gibt es ein großes Geheimnis. In einer Parallelwelt haben die Ritter interplanetarer Imperien die Körper einiger Menschen besetzt. Sie fürchten das Aufeinandertreffen mit dem Magrat – einer Bestie, die einen verheerenden Krieg auslösen könnte.
Ihre Ängste werden zur Realität, als der dunkle Fürst in der Gestalt eines Neugeborenen zurückkehrt – ein Kind, dessen Existenz einen geheimen Krieg zwischen den Kräften des Guten und des Bösen entfacht. Line, die gerade mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in das Dorf gezogen ist, freundet sich mit Jony, einem jungen Fischer, an. Beide sind von den sogenannten Nullen besessen, einer mysteriösen Macht, die die Erde einnehmen will. Eine große Schlacht ist unausweichlich ...
Die Rezension:
Bruno Dumont hat sich in der Filmwelt längst einen Ruf als eigenwilliger und mutiger Regisseur erarbeitet. Mit „Das Imperium“ hat er erneut ein Werk geschaffen, das mit Erwartungen spielt und bricht – ästhetisch, narrativ und stilistisch. Der Film vereint ein wildes Sammelsurium an Elementen: von satirischen Spitzen gegen das Sci-Fi-Genre über absurde Dialoge bis hin zu beeindruckenden visuellen Effekten. Doch wie bei jedem Experiment kann die Balance zwischen Genialität und Chaos kippen. Dumont inszeniert hier ein Universum, das barocken Prunk mit futuristischen Elementen kombiniert. Gigantische Raumschiffe in der Gestalt von berühmten französischen Schlössern und Kathedralen schweben durch den Weltraum, während der Erdboden von der rauen Küstenlandschaft Nordfrankreichs geprägt ist.
Dieser Kontrast zwischen sakraler Erhabenheit und bodenständiger Provinzialität erzeugt zunächst einen faszinierenden Reiz, doch die visuelle Pracht steht oft in keinem Verhältnis zum Inhalt. Die anfangs beeindruckende Optik wirkt zunehmend redundant, da die Handlung diese extravaganten Bilder nicht trägt. Inhaltlich präsentiert sich „Das Imperium“ als überzeichnete Konfrontation zwischen Gut und Böse, angereichert mit satirischen Anspielungen auf populäre Science-Fiction-Klassiker. Dumont greift bewusst Klischees auf, dehnt sie ins Groteske, schafft jedoch keine wirkliche Dekonstruktion. Stattdessen wird der Film von plakativen Momenten geprägt, die eher irritieren als provozieren.
Die Erzählstruktur ist sprunghaft, und der Humor, der den Film tragen soll, verliert spätestens in der zweiten Hälfte seinen Reiz. Dumont versucht zwar, mit stilistischen Brüchen und grotesken Einfällen das Interesse aufrechtzuerhalten, doch es fehlt an einem kohärenten erzählerischen Fundament. Die humoristischen Elemente – von überzeichneten Dialogen bis hin zu absichtlich absurden Kampfszenen – verpuffen oft, da sie zu kalkuliert und wenig bissig wirken. Statt einer satirischen Schärfe gleitet der Film in übertriebene Albernheit ab, die weder zum Nachdenken anregt noch nachhaltig unterhält. Die angedeutete Gesellschaftskritik verliert sich in überzogenen Dialogen und fragwürdigen Szenen, etwa wenn die weiblichen Figuren auf klischeehafte Rollen reduziert werden.
Die Figurenzeichnung leidet stark unter dieser Herangehensweise. Während männliche Charaktere wie Jony zumindest Ansätze von Entwicklung und innerem Konflikt zeigen, bleiben die weiblichen Figuren weitgehend oberflächlich. Besonders befremdlich ist die Darstellung von Jane, die in einer Szene gezwungen scheint, den Reizen eines Mannes zu erliegen, was nicht nur inhaltlich problematisch ist, sondern auch dramaturgisch keinerlei Mehrwert bietet. Dumont rechtfertigt dies zwar mit dem übernatürlichen Wesen der Charaktere, doch die Botschaft bleibt unbehaglich sexistisch. Auch der überdeutliche Fokus auf nackte oder knapp bekleidete weibliche Körper wirkt wie Effekthascherei nach dem Motto „Sex sells“.
Die Entscheidung, sowohl bekannte Schauspielende als auch Laiendarstellende einzusetzen, erweist sich dabei als zweischneidiges Schwert. Die Besetzung mit Schauspielgrößen wie Fabrice Luchini, Camille Cottin und Lyna Khoudri auf der einen sowie Laien wie Automechaniker Brandon Vlieghe und Gärtner Geoffroy Jore auf der anderen Seite erzeugt interessante Spannungen, die jedoch oft in hölzernem Spiel verpuffen. Während Fabrice Luchini in der Rolle des Imperators Beelzebub mit überzeichneter Theatralik brilliert, wirken die Beiträge der Laien oft ungelenk und monoton. Besonders in den direkten Dialogen wird die Kluft zwischen den Darstellenden offensichtlich. Zwar könnte man argumentieren, dass die monotone Sprachweise der Außerirdischen eine bewusste stilistische Wahl ist, um ihre Andersartigkeit zu betonen, doch die andauernde Eintönigkeit nutzt sich schnell ab.
Die technische Umsetzung ist hingegen beeindruckend. Die Effekte, insbesondere die Gestaltung der Raumschiffe und die Verschmelzung von historischen und futuristischen Architekturelementen, zeugen von hoher Qualität. Doch dieser visuelle Glanz kann die inhaltlichen Schwächen nicht kaschieren. Als Parodie auf das Science-Fiction-Genre funktioniert der Film nur bedingt, da die Anspielungen oft ins Leere laufen. Als eigenständiges Werk ist er zu unausgegoren, um wirklich zu überzeugen. Dumont schafft es nicht, die Balance zwischen Absurdität und Substanz zu finden, die eine wirklich gelungene Satire ausmacht.
Fazit:
Bruno Dumont wollte eine originelle Mischung aus Science-Fiction, Satire und arthouse-typischer Eigenwilligkeit schaffen, doch die einzelnen Elemente fügen sich nicht zu einem stimmigen Ganzen und haben auch durchaus kritisch zu betrachtende Spitzen.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 21. November 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „Das Imperium“:
Genre: Komödie, Science-Fiction
Produktionsjahr: 2022
Laufzeit: 110 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Regie: Bruno Dumont
Drehbuch: Bruno Dumont
Besetzung: Fabrice Luchini, Camille Cottin, Lyna Khoudri und viele mehr ...
Trailer zu „Das Imperium“:
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