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Kritik zu „Der Passfälscher“: Ein Pässe fälschender Felix Krull im Zweiten Weltkrieg

Wie ein trojanisches Pferd war der jüdische Cioma Schönhaus im Herzen des Nazireichs in Berlin verschanzt, fälschte Pässe und entkam immer und immer wieder den Häschern der Gestapo. Mit einem selbst gefälschten Pass entkam er letztlich auch und überlebte Hitlers Regime. Seine Geschichte griff die deutsche Filmemacherin Maggie Peren auf, verfasste daraus ein Drehbuch und inszenierte ihren Film „Der Passfälscher“, der hierzulande am 13. Oktober 2022 auf der großen Leinwand startete.

© DREIFILM


Samson Cioma Schönhaus wuchs mit seiner Familie im heutigen Berlin-Mitte auf, wo sein Vater eine Mineralwasserfabrik gründete. Bis zum Aufstieg Hitlers und der Nationalsozialisten führten sie ein gutes Leben, doch dann wurde die Familie unterdrückt und letztlich auseinandergerissen. Im Juni 1941 wurden Ciomas Eltern ins Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek deportiert, wo sie ihr Leben lassen mussten.


Cioma wurde nicht deportiert, da er in der Rüstungsindustrie tätig war. Nicht wirklich sein Fachgebiet, da er vor der Nazi-Herrschaft eine Ausbildung zum Grafiker machte. Doch diese Fähigkeit ermöglichte es ihm, heimlich und versteckt Pässe täuschend echt zu fälschen. Somit konnte er Hunderten Juden und anderen Geflüchteten helfen, aus Deutschland zu entkommen. Die Gestapo suchte ihn mit allen Mitteln, doch auch er konnte mit einem gefälschten Pass entkommen. Mit einem nachgemachten Urlaubsschein und einem unechten Wehrpass entkam er 1943 seinen Häschern, floh in die Schweiz, wo er ein neues Zuhause fand. Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 arbeitete er als Grafiker und bekam vier Söhne.


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Wenn man sich das Leben von Samson Cioma Schönhaus betrachtet, könnte man sich die Frage stellen, warum nicht bereits zuvor jemand auf die Idee kam, sein spektakuläres Passfälschen inmitten von Berlin zu porträtieren. Sein Lebensweg fesselte Maggie Peren sehr, die seine Biografie las. Sie wollte seine Geschichte verfilmen und arbeitete rund acht Jahre daran, es verwirklichen zu können. Während dieser Zeit erschien ein Dokumentarfilm, in welchem Cioma selbst mitwirkte und von seinem Leben erzählte. Auch Maggie Peren konnte in Vorbereitung ihres Projekts mit ihm sprechen.


Ihr selbst verfasstes Drehbuch inszenierte sie im vergangenen Jahr und konnte eine durchaus namhafte Besetzung gewinnen. Neben „Dark“-Star Louis Hofmann stand unter anderem Luna Wedler vor der Kamera. Nun kam „Der Passfälscher“ in die Kinos, kann auch die Verfilmung für Ciomas Geschichte mitreißen?


Darum geht es:


Die Geschichte des Films setzt im Jahr 1942 in Berlin ein, wo der junge Jude Cioma Schönhaus sich seine Lebensfreude nicht nehmen lässt, trotz der Deportierung seiner Eltern und der schweren Zeit. Mit seinem guten Freund Det versucht er, trotz aller Hindernisse Spaß zu haben. Wie ein trojanisches Pferd tritt er wie im Sprichwort die Flucht nach vorne an, passt sich nach außen hin dem nationalsozialistischen Deutschland an und begibt sich charmant und einfallsreich unter die Leute. Denn das beste Versteck ist da, wo niemand es erwartet.


Cioma muss in der Rüstungsindustrie arbeiten

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Arbeiten muss er in der Rüstungsindustrie, doch sein Talent liegt im Zeichnen, schließlich besuchte er vor all dem eine Grafiker-Ausbildung. Diese Fähigkeit ermöglicht ihm, Pässe täuschend echt zu fälschen, um so vielen Menschen bei ihrer Flucht helfen zu können. Als er in Gerda seine große Liebe findet, könnte sein Leben nicht besser sein, doch als sein bester Freund verhaftet wird und sich die Gestapo an seine Fersen haftet, gerät der lebenslustige junge Mann in große Gefahr ...


Die Rezension:


Wer in der „Der Passfälscher“ einen Film sucht, der die spektakuläre Geschichte eines außergewöhnlichen Juden zeigt, der sich nicht von Nazis unterkriegen lässt, sollte auf einen Kinobesuch verzichten. Denn der behäbige Film von Maggie Peren kann das Herausragende der Geschichte nicht zeigen und ist letztlich nur ein gewöhnlicher Film unter vielen, der während des Zweiten Weltkriegs handelt.


Samson Cioma Schönhaus war ein lebenslustiger und auch leichtsinniger Mensch, der nicht alle Konsequenzen überdachte und trotz aller Düsternis immer versuchte, Spaß zu haben. Er war ein Frauenheld mit genialem Talent, welches nicht nur ihm, sondern vielen weiteren Menschen das Leben rettete. Doch diese Leichtigkeit kann Cioma in „Der Passfälscher“ nicht ausstrahlen. So fehlt es dem gesamten Film an Mut, besonders ist es jedoch an der Hauptfigur ersichtlich, dass man sich nicht traute, die Ambivalenz der Figur herauszuarbeiten.


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Ambivalent ist aber die Inszenierung von Cioma, der teilweise leichtlebig auftritt, teilweise als verschüchterter Junge. Eine wirkliche Charakterzeichnung gelingt dem Film nicht, die Rolle lebt vom engagiertem Darsteller. Denn wenn jemand den Film trägt, dann ist es Hauptdarsteller Louis Hofmann, der mit seiner Spielfreude oftmals mitreißen kann. Immerhin bekommt er auch immer wieder charmante, clevere Dialoge, doch im gesamten sind die Dialoge viel zu spartanisch und trivial, um mehr über die gezeigten Figuren erfahren zu können.


Dadurch ist es schwer, eine Bindung zu bestimmten Figuren aufbauen zu können, sie nachvollziehen oder verstehen zu können. Wenn Ciomas bester Freund verhaftet wird, ist dies dramatisch. Schließlich erfahren wir im Abspann, dass dieser danach deportiert und ermordet wurde. Doch da man weder viel über die Figur erfahren konnte, noch die eigentliche Hauptfigur schwer daran leiden musste, wirkt der Umstand recht belanglos. Überhaupt ist es im negativen Sinne bemerkenswert, wenn die im Abspann aufgeführten realen Begebenheiten mehr Nachdruck hinterlassen als der gezeigte Film.


Während sich Cioma wie Felix Krull durch den Alltag schlägt, gerät ebenso fast in Vergessenheit, dass die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs in Berlin spielt, als Juden längst nicht mehr die Rechte hatten und nur mit klar ersichtlichem Judenstern die Straßen betreten durften. In „Der Passfälscher“ kann man nur erahnen, wie das Leben der Juden dieser Zeiten in Berlin war. Gegen Ende des Films heulen zwar immer wieder Sirenen auf, die vor einem Luftangriff warnen, die Brutalität der Zeit bleibt lediglich Erwähnung. Doch auch bei einem solchen Alarm wird es überraschend unbedrohlich und Ciomas große Liebe Gerda, die von Luna Wedler verkörpert wird, hält es nicht einmal für notwendig aus dem Bett aufzustehen ...


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So werden zwar ausgebombte Häuser genannt, ohne die Konsequenzen dieses Krieges zu visualisieren. Gerade die Verfolgung von Cioma wird gefühlsmäßig lediglich von einem alten Gestapo-Beamten geführt. Während es nicht gelang, die Leichtlebigkeit in Cioma zu zeigen, wirkt sein Umfeld doch recht blauäugig. Das acht Jahre an Arbeit in dieses Projekt geflossen sind, merkt man dem unterkomplexen Drehbuch nicht an.


Schade ist es auch, welch schmales Budget man der Produktion zur Verfügung stellte, denn das wir in Berlin sind, bleibt ebenfalls Andeutung. Fast der gesamte Film handelt in Innenräumen, nur wenige Male tritt Cioma vor die Türe, doch entweder ist es Nacht oder die Kamera schwenkt auf den Boden der Kopfsteinpflasterstraße. Der einzige Außenraum, der uns wirklich gezeigt wird, ist das Fabrikgelände der Rüstungsindustrie.


Somit plätschert der behäbige Film vor sich hin, ohne in manchen Szenen den nötigen Schwung zu bekommen, um wenigstens zum Finale hin eine gewisse Fallhöhe entwickeln zu können. Doch in „Der Passfälscher“ läuft alles glatt ab, Cioma fälscht auch noch seinen letzten und eigenen Pass, um in ein neues Leben in der Schweiz aufzubrechen.


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Fazit:


Die Besetzung um Louis Hofmann, Luna Wedler und unter anderem Marc Limpach versucht ihr bestes, doch „Der Passfälscher“ bleibt ein Beispiel für einen deutschen Film, der sich mal wieder einer Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg annahm, um sie dann schablonenartig zu erzählen. Was das Besondere an dieser Geschichte ist, kann der Film jedoch nicht wirklich ausarbeiten.


4 von 10 Punkten


„Der Passfälscher“ ist seit dem 13. Oktober 2022 in den Kinos.



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