Mit seiner bahnbrechenden Komposition „Die Zauberflöte“ schuf Wolfgang Amadeus Mozart eine der beliebtesten Opern aller Zeiten. Über die vergangenen Jahrhunderte begeisterte seine musikalische Abenteuerreise um Prinz Tamino weltweit und wurde bereits in vielen Varianten in den Opernhäusern zum Leben erweckt. Doch es gab auch Inszenierungen vor der Kamera, erstmals 1975 im schwedischen Opernfilm von Ingmar Bergman und vom preisgekrönten Filmemacher Kenneth Branagh, der die Geschichte in den Ersten Weltkriegs verlegte. Nun startet eine neue Interpretation, die in der Gegenwart das Vermächtnis der Zauberflöte entfesselt.
© TOBIS Film /Luis Zeno Kuhn
Im November 2017 gab Roland Emmerichs Filmproduktionsfirma Centropolis Entertainment bekannt, dass man Mozarts Oper modern adaptieren wird. Nach einer Idee von Florian Sigl und Christopher Zwickler entwickelte Andreas Lowery das Drehbuch und Emmerich selbst beteiligte sich an der Produktion. Mit internationaler Besetzung inszenierte Florian Sigl den deutschen Fantasy-Film „The Magic Flute - Das Vermächtnis der Zauberflöte“, der nun in die Kinos kam. Doch wird die moderne Interpretation dem Vermächtnis der Oper gerecht und kann sie eine junge Zielgruppe für Mozarts Werk begeistern?
Darum geht es:
Für den 17-jährigen Tim geht ein Traum in Erfüllung, er wird Gesangsschüler im legendären Mozart-Internat in den österreichischen Alpen. Auf der neuen Schule herrscht großer Leistungsdruck, sein musikalisches Talent ist nicht mehr besonders und Mobbing spaltet die Schüler. Als er auf Sophie trifft, die im Mädchen-Internat lebt, beginnt er langsam anzukommen, außerdem will er die Hauptrolle des Prinz Tamino in der Schulaufführung der „Zauberflöte“ ergattern.
Eines Nachts, als er nicht schlafen konnte und durch die Schule stromert, stößt er auf ein geheimes Portal, welches ihn in die fantastische Welt von Mozarts „Die Zauberflöte“ befördert. Dort soll er als Prinz Tamino eine abenteuerliche Reise antreten, um die Prinzessin Pamina aus der Gefangenschaft des Fürsten Sarastro zu befreien. Zwischen einem Vogelfänger, der Königin der Nacht und drei ominösen Damen begibt sich Tim Nacht für Nacht in ein spannendes wie musikalisches Abenteuer.
Die Rezension:
Um die Gesangseinlagen der Oper in die Geschichte einflechten zu können, werden die ikonischen Elemente von Mozarts „Zauberflöte“ nach Musical-Inspiration in die Handlung integriert. Auch wenn die Geschichte größtenteils gesprochen erzählt wird, sind manche Schlüsselmomente gesungen. Doch auch wenn die berühmten Gesangseinlagen der Oper für stimmungsvolle Augenblicke sorgen, ist die musikalische Umsetzung durchaus diskutabel. Zwar kann man dem Mozarteum-Orchester Salzburg keinen Vorwurf machen, doch die Magie der Musik kann sich nur wirklich bei der Königin der Nacht entfalten.
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Sabine Devieilhe schlüpfte in die Rolle der Arien-Queen, die mit wuchtiger Stimmgewalt und visuell beeindruckendem Kostüm jede Szene einnimmt und der Königin der Nacht ein monumentales Auftreten verleiht. Doch ihre drei Botinnen, die drei Damen, kommen stimmlich nicht an die Figuren der Oper heran. Larissa Herden, Jeanne Goursaud und Jasmin Shakeri singen in den Rolle der ominösen Damen, jedoch viel zu tief, um den Opern-Figuren zwischen Sopran und Alt gerecht zu werden.
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Auch der ikonische Papageno wird von Iwan Rheon nicht als Bariton gesungen, doch auch darüber hinaus wird der gefiederte Tollpatsch und Begleiter von Hauptfigur Prinz Tamino recht austauschbar inszeniert. Statt Papageno wie den Paradiesvogel aus der Oper zu zeigen, ist das schlichte Kostüm nur geringfügig mit Federn auf der Schulter dekoriert. So ist gerade seine Einführung in karger Wüstenlandschaft exemplarisch für die Belanglosigkeit, zu der die beliebte Figur aus Mozarts „Zauberflöte“ verkommt. Auch der glockenhelle Gesang von Jack Wolfe als Prinz Tamino ist der Tenor-Stimmlage der Opernfigur nicht sonderlich nah.
Allerdings sind das nicht die einzigen Abweichungen, auch so manche Textzeile wurde verändert. Teilweise wurden an recht unerheblichen Momenten der Handlung Veränderungen in der Sprache vorgenommen, die die Bedeutung allerdings nicht beeinflussen. Nicht nur, dass die Veränderungen für die Aussagen der Gesangseinlagen unnötig waren, behindern sie zudem etwas den Reim des Textes. Als Beispiel für eine unnötige Veränderung des Originals könnte man anführen, dass die drei Knaben der Oper in Knäbchen umbenannt werden. Zwar wäre die Veränderung vernachlässigbar, allerdings treten eben jene Knäbchen nie selbst in Erscheinung, was die Textveränderung einmal mehr obsolet macht.
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All diese Änderungen am originalen Werk können sicherlich mit künstlerischer Freiheit gerechtfertigt werden, doch entbehren sie einem nachvollziehbaren Kalkül und wirken doch eher so, als arbeiteten die Macher gegen Mozarts Oper an. Auch wenn ihr Film ein junges Publikum für „Die Zauberflöte“ begeistern soll, ist ihr Ansatz doch eher eine Verbesserung als eine Interpretation.
Dabei entstehen gerade durch die Veränderungen bizarre Widersprüche, so dass die gezeigten Fetzen die beliebte Oper eher entstellen. Der moderne Ansatz ist im Kern interessant und birgt viel Potenzial. Die generische Umsetzung kann die Magie der Geschichte aber nicht entfesseln und ist obendrein so widersinnig, dass sich die Frage aufdrängt, warum überhaupt noch eine Gegenwart zum Abtauchen in die modernisierte Opernwelt notwendig ist.
In „The Magic Flute - Das Vermächtnis der Zauberflöte“ ist das titelgebende Singspiel allerdings nur einer der Handlungsstränge der Geschichte. Während in diesem Teil der Handlung der 17-jährige Tim des Nachts in Mozarts Opernwelt eintaucht, beleuchtet der restliche Part der Geschichte das Geschehen tagsüber im Internat. War schon der Handlungsstrang der „Zauberflöte“ eher schlecht als recht, ist der Gegenwart-Rahmen völlig misslungen. Der Aufbau des Fantasy-Films bedient sich vielerlei Genre-Vorbildern und erzählt schablonenartig eine generische Abenteuer-Reise, die wie „Harry Potter“ mit einer Zugfahrt zur magischen Schule eröffnet. Allerdings kommt zu keinem Zeitpunkt wirklich etwas Magisches auf.
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Leistungsdruck, Mobbing und die Liebe sind drei große Themen, die in den Handlungssträngen der Gegenwartsperspektive fokussiert behandelt werden. In den 124 Minuten der Lauflänge kann allerdings keine der Themen wirklich zu einem sinnvollen Punkt vorangebracht werden. Die romantische Beziehung zwischen Tim und Sophie bekommt dabei überraschend wenig Raum. Die einzige Verbindung, die den beiden gegeben wurde, war die gemeinsame Zugfahrt zum Internat.
Zwei weitere Treffen haben in den Augen der Drehbuchautoren dann genügt, um aus der zufälligen Begegnung eine Liebesgeschichte zu erwecken. Aufgezogen nach Schema F wird ihre Beziehung letztlich in einer kitschigen Schlussszene abgeschlossen, und gerade da die beiden Darsteller Jack Wolfe und Niamh McCormack gemeinsam keine Chemie entwickeln konnten, bleibt dieser Handlungsstrang eine peinliche Offenbarung.
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Mobbing ist grausam, kann Kinder und Jugendliche schwer verletzen und letztlich in den Tod treiben. Diese Thematik wird in Tims Mitbewohner Paolo aufgegriffen, dessen bester Freund nach unentwegtem Mobbing Selbstmord beging. Doch so wichtig die Message auch ist, so dürftig wird sie letztlich umgesetzt. Eine etwas subtilere Darstellung wäre durchaus zielführender gewesen. Auch die Problematik, die in hohem Leistungsdruck in der Schule liegt oder von hohen Erwartungen vom Elternhaus ausgehen kann, wird sehr oberflächlich abgefrühstückt.
„The Magic Flute - Das Vermächtnis der Zauberflöte“ versucht der jungen Zuschauerschaft wichtige Botschaften zu vermitteln, doch mit der oberflächlich überspitzten Inszenierung hat man sich doch eher einen Bärendienst erwiesen. So ist der Film letztlich thematisch zu überladen und kann keinen Handlungsstrang wirklich vertiefen. Dem Drehbuch fehlt jegliches Feingefühl, die Dialoge sind nur selten gut formuliert, oftmals im Vergleich zur gedichteten Sprache der Oper auffallend trivial. Fehlende Kreativität wird auch im Kostümbild und der Ausstattung der Handlungsorte sichtbar.
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Fazit:
Eine moderne Verfilmung Mozarts „Zauberflöte“ hätte, wie der Trailer versprach, alle Generationen begeistern können. Doch auch wenn die Ansätze in „The Magic Flute - Das Vermächtnis der Zauberflöte“ vorhanden waren, ist letztlich nur verschenktes Potenzial zu finden. Ein überladenes Drehbuch, in der Qualität sehr schwankendes Schauspiel, fehlende Kreativität in Kostümbild und Ausstattung und diverse Änderungen des originalen Werks können nicht von der wundervollen Musik der Oper kaschiert werden.
3 von 10 Punkten
„The Magic Flute - Das Vermächtnis der Zauberflöte“ ist seit dem 17. November 2022 in den Kinos.
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