Volle Säle, offene Fragen: Die Lage der Kinos nach dem vierten Kinofest
- Toni Schindele

- 15. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.
Das vierte Kinofest hat mehr Menschen ins Kino gelockt als jede Ausgabe zuvor. Doch was sagt das über die Lage der Branche der Lichtspielhäuser – und was bleibt, wenn das Event-Wochenende vorbei ist?

Es ist ein warmer Septemberabend in Bayreuth. Im Cineplex-Kino stehen Menschen in der Schlange, Familien mit Popcorn, Studierende mit Freundesgruppen, Rentner mit Kinosnacks. Eine junge Frau sucht auf dem Handy nach dem Saalplan, ein älterer Herr erklärt dem Kind auf seiner Schulter, dass „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ nichts für sie sei. Für fünf Euro läuft das komplette Programm: vom Arthouse-Drama bis zum Animationshit. So oder ähnlich sah es am vergangenen Wochenende an über 500 Orten in ganz Deutschland aus. Beim bundesweiten Kinofest 2025, das in seiner vierten Auflage einen neuen Rekord verbuchte – rund 1,62 Millionen Menschen besuchten am 13. und 14. September die Kinos, ein Anstieg von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Bislang war das letzte Jahr das erfolgreichste – aber das wurde nun deutlich überschritten“, erkärt Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer der Cineplex-Gruppe, den ich für diese Reportage um eine Einschätzung gebeten habe.
Die offiziellen Zahlen sprechen für sich: Gegenüber 2023 mit 893.214 Besuchen hat sich der Publikumsandrang beinahe verdoppelt. Auch der Umsatz stieg spürbar: Mit über 8,6 Millionen Euro an zwei Tagen generierte das Kinofest 2025 den bisher höchsten Wochenendumsatz seiner

Geschichte. Dass ein einzelnes Aktionswochenende wie das Kinofest solche Wellen schlägt, ist auf den ersten Blick ein Erfolg. Doch auf den zweiten Blick wirft es Fragen auf: Warum braucht es einen Sonderanlass, um die Kinosäle zu füllen? Und warum funktioniert er so gut? Laut Kim Ludolf Koch liegt der Erfolg vor allem an zwei Faktoren: dem Wetter – das 2025 mit spätsommerlichen Bedingungen ideale Voraussetzungen bot – und attraktiven Repertoire-Titeln, also Filmen, die bereits im Markt waren, aber durch das Kinofest noch einmal einen deutlichen Schub erfuhren. „Man sieht es an den einzelnen Titeln, die ja alle schon seit Wochen im Markt aktiv sind und durch das Kinofest noch mal einen richtigen Schub erfahren haben. Das gilt besonders für Bullys Film `Das Kanu des Manitu´“, so Koch.
Für die Western-Komödie und Fortsetzung von „Der Schuh des Manitu“, die seit Wochen Rekorde an den Kinokassen bricht, wurden allein zum Kinofest rund 450.000 Tickets verkauft. Aber auch weitere Filme wie „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“, „22 Bahnen“, „Disney Channel Mitmachkino“ oder „Die Gangster Gang 2“ profitierten sichtbar. Zudem ist die Zahl der teilnehmenden Kinos gestiegen: Laut dem Hauptveranstalter HDF Kino e. V., der das bundesweite Aktionswochenende federführend organisiert, beteiligten sich in diesem Jahr 537 Kinos mit insgesamt 2.947 Leinwänden. Im Vorjahr waren es 521 Kinos mit 2.796 Leinwänden. Doch während das Aktionswochenende ein Publikumsmagnet war, waren die Säle davor vielerorts nicht voll. Im ersten Halbjahr 2025 lagen die Kinobesuche rund drei Prozent unter dem Vorjahresniveau, wie aus aktuellen Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA) hervorgeht. Die Umsätze hielten sich nur durch leicht gestiegene Ticketpreise stabil. „Das erste Halbjahr war eine schiere Katastrophe“, bilanziert Kim Ludolf Koch. „Es gibt kaum ein Kino, welches ohne Blessuren davongekommen ist.“
Das klingt drastisch – und ist es auch. In der Branche kursiert seit Monaten das Schlagwort vom „Titelloch“. Große, publikumswirksame Filme fehlten über weite Strecken, sowohl im Mainstream- als auch im Arthouse-Bereich. Laut FFA zählte das Jahr 2023 insgesamt rund 95 Millionen Kinobesuche – nach dem pandemiebedingten Tief von 73 Millionen in 2022 ein starkes

Zeichen. Doch statt weiter zu wachsen, flachte der Trend 2025 ab. Der von vielen erhoffte Durchbruch zur Vor-Corona-Normalität – jährlich rund 120 Millionen Besucher – bleibt aus. In diesem Kontext gewinnt das Kinofest wieder an Bedeutung. Es zeigt, welches Potenzial im Kino steckt, wenn Preis, Kommunikation und Auswahl zusammenkommen, da es neben dem aktuellen Kinoprogramm auch Previews zu kommenden Filmen, aber auch Specials mit allseits bekannten Filmklassikern gab. Die Eintrittspreise lagen am Aktionswochenende bei einheitlichen fünf Euro – niedrigschwellig, unkompliziert, familienfreundlich. Viele Kinos meldeten ausverkaufte Vorstellungen, einige kamen an ihre Kapazitätsgrenzen. „Wir sind in unseren Häusern teilweise an die Kapazitätsgrenzen gestoßen und insofern sehr zufrieden“, so Koch.
Auch im Verhalten der Besucher zeige sich die Besonderheit des Events: „Wir können bei uns erkennen, dass wir viele Kunden ansprechen, die sonst so gut wie nie ins Kino gehen. Leider muss man aber feststellen, dass dabei nur in seltenen Fällen ein dauerhafter Verhaltenswechsel entsteht.“ Das Kinofest ist also eher Impulsgeber als Lösung. Es bringt Aufmerksamkeit, senkt Zugangshürden – doch es ersetzt keine langfristige Programmstrategie, keine nachhaltige Förderung, keine strukturelle Unterstützung für die Kinolandschaft. Dennoch ist es ein symbolisches Format, das viel über die Stärken und Schwächen des Systems verrät. Die Bereitschaft des Publikums ist da – wenn die Bedingungen stimmen. Das zeigt sich auch an der Zahl der beteiligten Kinos, die Jahr für Jahr leicht steigt.
Wie geht es nun weiter? Für das laufende Jahr bleibt die Hoffnung auf eine starke zweite Jahreshälfte. „Die Hoffnungen lagen und liegen auf dem zweiten Halbjahr, das nun auch bei der Aufholjagd hilft“, sagt Koch. Der geplante Jahresbesuch soll zwischen dem Niveau von 2023 und 2024 landen – also irgendwo zwischen 95 und 105 Millionen. Für 2026 gibt es vorsichtige Zuversicht. Große Filme wie „Avatar: Fire And Ash“, der noch dieses Jahr kurz vor Weihnachten starten soll, gelten als Zugpferde. Auch die Studios planen mit stabileren Release-

Kalendern. Im Kinojahr 2026 erwarten das Publikum zahlreiche Blockbuster-Highlights, darunter die Videospielverfilmung „The Super Mario Galaxy Movie“, der neue „Star Wars“-Ableger „The Mandalorian and Grogu“, Christopher Nolans epische „Die Odyssee“-Adaption, die Fortsetzung „Mortal Kombat II“ sowie der lang erwartete Superheldenfilm „Masters of the Universe“. Koch formuliert es mit Blick auf den kommenden Jahreswechsel deshalb so: „Für 2026 sind sich alle verhältnismäßig einig, dass dies ein besonders guter Jahrgang werden soll.“





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