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Die große Hollywood-Krise: Darum legt ein Streik die Traumfabrik lahm

Aktualisiert: 16. Juli 2023

Hinter den glamourösen Kulissen Hollywoods brodelt es: Ein Streik hat die Filmindustrie in ihren Grundfesten erschüttert. Die Schauspieler und Drehbuchautoren erheben ihre Stimmen und fordern gerechte Bezahlung sowie Schutz vor einer möglichen Bedrohung durch künstliche Intelligenz. Die Konsequenzen sind bereits spürbar, mit unterbrochenen Dreharbeiten und verschobenen Kinostarts. Die Frage bleibt: Wie lange wird dieser Streik anhalten und welche Auswirkungen wird er letztendlich auf die gesamte Filmindustrie haben?

Bildnachweis: © Kostenfreie Bild-Verwendung durch Canva Pro


Ein roter Teppich zieht sich wie eine Ader durch die Menschenmenge und erstrahlt in einem grellen Glanz. Prominente, in wunderschönen, makellosen Outfits gekleidet, schreiten über ihn und die namhafte Besetzung posiert für die schreiende Masse aus Fans, Fotografen und Journalisten. Doch was ist, wenn keine Schauspieler kommen?

Klingt bizarr, doch genau das ist jetzt passiert. Während die Premiere für den kommenden Film von Christopher Nolan, „Oppenheimer“, extra in der Zeit nach vorne verlegt wurde, muss die heutige Berlin-Premiere von „Barbie“ völlig auf Stars verzichten. Denn Hollywood wurde dramatisch ausgedrückt lahmgelegt. Schauspieler und Drehbuchautoren streiken und damit wurde der Traumfabrik der Stecker gezogen. Eine unvorstellbare Situation, die die gesamte Filmindustrie auf den Kopf stellt und uns die Frage aufwirft: Warum kam es überhaupt zu diesem Streik und welche Konsequenzen wird er haben?

Hinter den glamourösen Kulissen von Hollywood brodelt es schon seit einiger Zeit, doch nun erreicht die Unruhe einen neuen Höhepunkt. Nach den Drehbuchautoren, die bereits seit dem 2. Mai 2023 streiken, befinden sich nun auch die Schauspieler im Ausstand. Dies ist eine Situation, die seit den 1960er-Jahren nicht mehr vorgekommen ist und die Traumfabrik nachhaltig erschüttern und auch große Auswirkungen auf das Publikum haben wird.


Doch bevor es um mögliche Konsequenzen geht, sollten zunächst die Gründe für den Streik geklärt werden: Im Kern dreht sich der Konflikt zunächst einmal um eine verbesserte Bezahlung. Denn auch wenn oft über die Millionengehälter großer Stars berichtet wird, sollte ebenso klar sein, dass die Hollywoodstars nur die Speerspitze bilden. Die SAG-AFTRA, eine US-amerikanische Gewerkschaft, vertritt nicht nur die großen Stars, sondern insgesamt rund 160.000 Menschen weltweit.


Bildnachweis: © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. / Jaap Buitendijk


Zu ihren Mitgliedern zählen Film- und Fernsehschauspieler, Synchronsprecher sowie viele andere Filmschaffende. Eine große Anzahl dieser Mitglieder kämpft jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten und hat Mühe, über die Runden zu kommen. Die Zukunftsaussichten bieten wenig Aussicht auf Besserung, sondern lassen eher Schlimmes befürchten. Angesichts dieser Lage hat die Gewerkschaft nun zu einem umfassenden Streik aufgerufen, um auf die dringenden Anliegen und Herausforderungen ihrer Mitglieder aufmerksam zu machen.

Was sind die Gründe für den Streik?


Obwohl die Probleme vielschichtig und die Gründe für den Streik zahlreich sind, lassen sich zwei Hauptursachen hervorheben. Ein zentraler Streitpunkt betrifft die sogenannten Residuals. Diese jährlichen Zahlungen werden Schauspielern für TV-Ausstrahlungen und Wiederaufführungen alter Filme und Serien, an denen sie beteiligt waren, gezahlt. Das Konzept dahinter ist, dass die Beteiligten auch dann noch Vergütungen erhalten sollen, wenn das Studio mit einem älteren Projekt erneut Gewinne erwirtschaftet. Im Streaming-Zeitalter verlieren diese Zahlungen jedoch häufig an Bedeutung. Die Höhe der Residuals ist oft unzureichend niedrig, wie Schauspieler berichten, die bisher lediglich wenige Hundert Euro pro Jahr für diese Zahlungen erhalten.


Zusätzlich gehen Filmstudios und führende Streaming-Anbieter aktiv gegen diese Zahlungen vor, indem sie vermehrt zur sogenannten „Streaming-Purge“ übergehen. HBOmax hat bereits vor einiger Zeit kräftig auf ihrem Streaming-Dienst aufgeräumt, bei der mehrere exklusive Inhalte entfernt wurden. Inzwischen zog auch Disney nach. Dieses Phänomen, in den USA als „The Streaming Purge“ bekannt, erweist sich als finanziell lohnende Taktik – zumindest für eine Seite. Denn auch wenn Filme und Serien bereits produziert und abrufbar sind, verursachen sie den Streaming-Diensten weiterhin Kosten, unter anderem in Form von Residual-Zahlungen.


Wenn eine Produktion auf der Streaming-Plattform nicht den gewünschten Erfolg erzielt, können diese Kosten vermieden werden. Aus diesem Grund beginnen Streaming-Dienste nun damit, Titel zu löschen, die von zu wenigen Zuschauern angesehen werden. Während die Streaming-Anbieter von dieser Vorgehensweise profitieren, erhalten die beteiligten Parteien wie Schauspieler, Stuntleute und Drehbuchautoren weniger Vergütung für ihre Arbeit.

Bildnachweis: © Netflix


Ein weiterer bedeutender Konfliktherd betrifft ein hochmodernes Problem, das potenziell drastische Konsequenzen für die Zukunft haben könnte: Der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Gegenwärtig streben die Hollywood-Studios äußerst umfassende Rechte in diesem Bereich an. Insbesondere Schauspieler mit kleineren Rollen hegen dabei große Ängste, dass ihre Existenz bedroht sein könnte. Die Vorstellung, dass Studios Performances und Stimmen speichern und von einer KI replizieren können, lässt die Befürchtung aufkommen, dass sie möglicherweise überflüssig werden könnten.


Es gibt bereits Berichte, die darauf hinweisen, dass Schauspieler möglicherweise in naher Zukunft nach nur einem einzigen Tag am Set nach Hause geschickt werden könnten, während eine KI den Rest der Arbeit übernimmt. Insbesondere in einer Zeit, in der Deepfakes immer fortschrittlicher und realistischer werden, gibt es zudem Ängste, dass Schauspieler sogar in Filmen eingesetzt werden könnten, an denen sie nie physisch beteiligt waren und dafür keinerlei Vergütung erhalten würden. Die genaue Gefahr und Realität dieser Szenarien sind bisher noch unklar, jedoch sind diese Ängste gegenwärtig unter vielen Schauspielern sehr präsent.


Wie läuft der Streik ab?


Der Streik macht sich in Hollywood auf vielfältige Weise bemerkbar. Es geht nicht nur darum, dass Schauspieler nicht mehr ans Set kommen und keine Filme und Serien mehr gedreht werden. Die Streik-Auflagen der SAG-AFRA haben weitreichende Auswirkungen und legen damit zumindest vorübergehend fast ganz Hollywood lahm. Neben den eigentlichen Filmaufnahmen werden auch sämtliche Sprachaufnahmen aller Art eingestellt. Zudem haben auch Angehörige anderer Gewerke, die an der Produktion beteiligt sind, sich dem Streik angeschlossen. Dies betrifft natürlich Drehbuchautoren, aber auch Maskenbildner, Kostümbildner und Stuntmen. Während des Streiks dürfen Filmstudios auch keine Verträge mit Schauspielern für kommende Produktionen abschließen.


Auch wenn das erst einmal offensichtlich klingen mag, betrifft es auch bereits abgedrehte Filme und Serien, für die nun nicht von Schauspielerseite geworben werden darf, indem sie beispielsweise in sozialen Medien auf den Kinostart hinweisen. Innerhalb des Streiks werden sie auch keine Interviews geben und keine Filmfestivals oder Filmpremieren besuchen, wie deutlich wurde, als „Oppenheimer“ und insbesondere die Berlin-Premiere von „Barbie“ betroffen waren. Sie treten entsprechend auch nicht auf Fan-Conventions auf. Kurz gesagt sind während des Streiks alle Filmschaffenden nicht repräsentativ und nicht aktiv in irgendeiner Form tätig.


Wie lange dauert der Streik?


Der Streik könnte drastische Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere, weil sein Ende nicht absehbar ist. Die Drehbuchautoren befinden sich bereits seit Mai im Streik und es ist kein Ende in Sicht. Laut einem Bericht der Los Angeles Times könnte dieser Streik Wochen oder sogar Monate andauern. Es besteht die Gefahr, dass er einen erheblichen Teil der US-amerikanischen Filmbranche wortwörtlich zum Stillstand bringt und sich im Laufe der Zeit auch auf angrenzende Branchen auswirkt, wie beispielsweise Caterer, Floristen und Requisiteure.


Welche Konsequenzen hat der Streik?


Die Entwicklung des Streiks ist derzeit völlig unklar. Es wäre natürlich im Interesse aller Beteiligten, dass er schnell endet und zum Wohl aller gelöst wird. Allerdings ist zu erwarten, dass noch einige Zeit vergehen wird bis eine Einigung erzielt wird. Dies wird zweifellos zu erheblichen Auswirkungen auf den Terminkalender führen, da viele Hollywood-Produktionen voraussichtlich ihre geplanten Kinostarts nicht einhalten können. Das deutsche Filmmagazin Filmstarts berichtete aber bereits, dass Filme wie „Deadpool 3“, „Bad Boys 4“, „Mortal Kombat 2“ und die zweite Staffel der Netflix-Serie „Sandman“ später erscheinen werden.


Bildnachweis: © Twentieth Century Fox


Darüber hinaus wurden aufgrund des Streiks bereits laufende Dreharbeiten unterbrochen, wie zum Beispiel bei der vierten Staffel von „Emily in Paris“ oder dem zweiten Teil von „Mission: Impossible - Dead Reckoning“, obwohl für den Action-Blockbuster bereits einiges während der Produktion des ersten Teils abgedreht worden sein soll. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass dies vorerst ein spezifisches Problem in den Vereinigten Staaten ist.


Die Produktion der Serie „House of the Dragon“ aus dem „Game of Thrones“-Universum kann zum Beispiel in weiten Teilen, wenn auch zögerlich, fortgesetzt werden, da viele britische Beteiligte involviert sind, für die die SAG-AFRA nicht zuständig ist.


Bildnachweis: © Ollie Upton / HBO


Es bleibt abzuwarten, wie lange der Streik andauert und welche Konsequenzen er mit sich bringen wird. Es ist wichtig, dass Filmschaffende die Möglichkeit haben, aufzubegehren, wenn ihre Arbeitsbedingungen unzureichend sind und keine Aussicht auf Verbesserung in Sicht ist. Es bleibt zu hoffen, dass der Streik zu einem beidseitig guten Ende führt, insbesondere aber auch für diejenigen, die am vermeintlich kleineren Hebel sitzen und ihre Zukunft in Gefahr sehen.


Möglicherweise könnte der Streik sogar dem europäischen Kino helfen, sich stärker zu präsentieren, wenn das US-amerikanische Angebot knapper wird. Inmitten dieser Unsicherheit bleibt die Tatsache bestehen, dass der Streik eine bedeutsame Wirkung auf die gesamte Filmindustrie haben wird, von den Stars auf dem roten Teppich bis hin zu denjenigen, die hinter den Kulissen arbeiten.

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