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Christian Erdmann im Interview zu „Ein ganz großes Ding“: „Manchmal ist etwas nicht zu wissen auch eine Form von Freiheit“

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • 30. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

„Beim Lesen dachte ich sofort: Was für ein Glück, dass ich dabei sein darf“, erzählt Christian Erdmann im Interview über das Drehbuch zur ZDF-Komödie „Ein ganz großes Ding“.


Christian Erdmann im Interview zu „Ein ganz großes Ding“: „Manchmal ist etwas nicht zu wissen auch eine Form von Freiheit“
Bildnachweis: © ZDF/Moritz Schultheiß

In der neuen ZDF-Komödie „Ein ganz großes Ding“ gerät eine vermeintlich beschauliche Provinzstadt urplötzlich ins digitale Chaos: Ein Erpresser legt sämtliche Computer lahm und fordert eine Million. Zwischen Provinzpolitik, Provinzgangstern und ganz normalen Menschen entspinnt sich ein skurriles Katz-und-Maus-Spiel, das „Stromberg“-Schöpfer Ralf Husmann mit gewohnt bissigem Humor und Coen-Brüder-Flair würzt. Inmitten dieses Chaos: Lennart Lurz – ein sympathischer Lebenskünstler, der sich bislang eher durchs Leben gezockt hat, als Verantwortung zu übernehmen. Gespielt wird Lennart von Christian Erdmann. Kurz vor der TV-Premiere habe ich mit ihm über sein persönliches ganz großes Ding, den Reiz am Husmann-Humor, die vertraute Arbeit mit Frances Meletzky und blinde Technikeuphorie gesprochen.


Der Film Journalist: Was war Ihr letztes ganz großes Ding, das Sie sich vorgenommen haben?


Christian Erdmann: Privat denke ich gerade viel an Golf. Keine Ahnung warum – aber es ist aktuell meine große Herausforderung. Golf gilt ja oft als elitär, aber ich spiele es mit Freunden, unabhängig von Herkunft oder Status. Ich versuche, diesen Sport für mich und andere zugänglicher zu machen. Golf hat außerdem diesen schönen Gedanken: Der einzige Gegner bist du selbst. Das lässt sich auf vieles im Leben übertragen. Es gibt Tage, da gelingt gar nichts und dann wieder Tage, an denen alles passt. Trotzdem dranzubleiben – trotz Rückschlägen – das ist für mich gerade ein großes Ding. Es ist nichts Materielles wie eine neue Küche oder ein Wintergarten. Aber diese Auseinandersetzung mit mir selbst im Golfsport – das ist es.


Der Film Journalist: Was hat Sie beim Lesen des Drehbuchs von Ralf Husmann sofort gereizt?


Christian Erdmann: Ich bin schon lange Husmann-Fan. Beim Lesen dachte ich sofort: Was für ein Glück, dass ich dabei sein darf. Seine Bücher sind ein Geschenk für Schauspielende – kein Satz ist zu viel, der Rhythmus ist sofort da, die Figuren sind klar gezeichnet, jede mit ihrer eigenen Not. Es war ein echtes Vergnügen. Und mit Regisseurin Frances Meletzky kam noch eine tolle Zusammenarbeit dazu. Sie hat ein feines Gespür für Komödie, ohne den ernsten Kern der Figuren aus dem Blick zu verlieren. Das ist auch bei Husmann so – hinter dem Humor steckt immer etwas Tieferes.


Der Film Journalist: Was hat Sie an Ihrer Rolle Lennart gereizt?


Christian Erdmann: Mich hat gereizt, dass Lennart ein Kind geblieben ist – jemand, der

Christian Erdmann im Interview zu „Ein ganz großes Ding“: „Manchmal ist etwas nicht zu wissen auch eine Form von Freiheit“
Bildnachweis: © ZDF/Oliver Feist

Verantwortung meidet, durchs Leben zockt und nichts zu ernst nimmt. Und dann beginnt er durch die Geschichte, Verantwortung zu übernehmen. Er wird ein Held für seine Frau, entdeckt die Liebe zu ihr neu. Er stellt seine Beziehung nie infrage, aber definiert sie am Ende anders. Auch sein Blick auf Familie verändert sich. Das fand ich eine schöne Entwicklung – und das hat sich beim Spielen auch genauso angefühlt.


Der Film Journalist: Gibt es etwas an Lennart, das Sie persönlich mögen – oder auch etwas, mit dem Sie gar nichts anfangen können?


Christian Erdmann: Ich bin kein großer Zocker. Die Risiken, die Lennart eingeht, würde ich nicht eingehen. Aber was ich mit ihm teile, ist seine Zuversicht. Ich glaube fest daran, dass es für alles eine Lösung gibt – auch wenn man sie noch nicht sieht. Das hat nichts mit Schicksalsergebenheit zu tun, sondern eher mit Zweckoptimismus. Ich kenne viele, die an Problemen verzweifeln. Ich bin eher jemand, der sagt: Das wird schon. Und genau das habe ich auch in Lennart wiedererkannt.


Der Film Journalist: Mit Regisseurin Frances Meletzky haben Sie ja bereits mehrfach zusammengearbeitet. Wie haben Sie die Dreharbeiten diesmal erlebt?


Christian Erdmann: Sehr vertraut. Ich schätze es, wenn man mit vertrauten Menschen arbeitet – wie mit Frances Meletzky, mit der ich bereits bei „Nur eine Handvoll Leben“ und „Nächste Ausfahrt Glück“ gedreht habe. Diese Kontinuität ist viel wert. Man kennt sich auch abseits des Sets, hat Vertrauen, weiß, wie der andere tickt. Gleichzeitig bleibt es spannend, weil man sich immer wieder neu herausfordert. Frances stellt sich nicht auf Bekanntes ein – sie nutzt das Vertrauen als Sprungbrett für neue Herausforderungen. Das schätze ich sehr. Und auch mit Kollegen, die man wiedertrifft, ist es schön: Man kennt sich, man überrascht sich und man spielt sich gegenseitig frei.


Der Film Journalist: Der Film spielt mit der Überforderung einer digitalisierten Kleinstadt. Ist das eher ein Plädoyer für mehr digitale Kompetenz oder auch eine Warnung vor blindem Technikoptimierungsdrang?


Christian Erdmann: Ich würde sagen: eine Warnung. Digitalisierung erleichtert vieles – gerade

Christian Erdmann im Interview zu „Ein ganz großes Ding“: „Manchmal ist etwas nicht zu wissen auch eine Form von Freiheit“
Bildnachweis: © ZDF/Moritz Schultheiß

bei Ämtern – aber sie darf nicht die zwischenmenschliche Begegnung ersetzen. Im Film gibt es diese Mitarbeiterin, die gar nichts Digitales versteht. Man könnte sich über sie ärgern, aber eigentlich wirkt sie im Verzicht auf all das am glücklichsten. Sie bleibt hinterm Berg – aber auch irgendwie ursprünglich. Auch Lennart und sein Sohn finden am Ende eine neue Ebene, die nicht nur auf Technik basiert. Der Film vereint beide Welten: Technikbegeisterung und menschliche Nähe. Und obwohl die Provinz sehr ehrlich gezeigt wird, empfinde ich große Sympathie für diese entschleunigte Welt. Ich komme selbst aus der Provinz – Rudolstadt in Thüringen – und beim Zurückkommen denke ich oft: „Wo bin ich hier gelandet?“ Aber beim zweiten Blick erkenne ich auch viele Qualitäten: Entschleunigung, Ruhe, und manchmal ist etwas nicht zu wissen auch eine Form von Freiheit.


Der Film Journalist: Am 31. Juli läuft „Ein ganz großes Ding“ zur Primetime im ZDF. Warum sollte man unbedingt einschalten?


Christian Erdmann: Ich hoffe, dass man sich den Film anschaut, wenn man sich gut unterhalten will – mit einem tollen Ensemble und einer starken Regie. Frances Meletzky erzählt nicht nur eine Komödie, sondern auch das Drama dahinter. Und vielleicht nimmt man auch etwas mit: einen neuen Blick auf digitale Medien, auf Vorurteile gegenüber dem Ländlichen, auf Herkunft, Wohnort und Beziehungen. Und darauf, nicht immer auf das schnelle Geld zu setzen – wie Lennart mit seinem Krypto-Desaster. Letztlich geht’s darum, worauf es im Leben wirklich ankommt.

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