Emma Falck im Interview zu „Die Vorkosterinnen“: „Ich wollte verstehen, wie das funktioniert hat“
- Toni Schindele
- vor 6 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
„Sie glauben vielleicht, es gehe bei diesen Parteien um sie, aber in Wahrheit geht es den Mächtigen nur um sich selbst“, sagt Schauspielerin Emma Falck über die Aktualität von „Die Vorkosterinnen“ – einem Film, der ein verdrängtes Kapitel der NS-Zeit in den Fokus rückt.

Die Zeit des Nationalsozialismus wurde bereits vielfach filmisch aufgearbeitet – die Geschichte der sogenannten Vorkosterinnen blieb jedoch lange unbekannt, da Margot Wölk erst mit 95 Jahren öffentlich machte, dass sie ab 1942 zum Vorkosten von Hitlers Speisen gezwungen wurde. Nun hat sich der italienische Regisseur Silvio Soldini dieser Thematik angenommen und mit „Die Vorkosterinnen“ einen bewegenden Spielfilm gedreht, der weibliche Perspektiven und moralische Zwangslagen ins Zentrum rückt. Eine dieser Vorkosterinnen ist Leni, die von Emma Falck verkörpert wird. Die 23-jährige Schauspielerin aus Rastede hat bereits Theater- und Serienerfahrung gesammelt. In Soldinis erstem deutschsprachigen Historienfilm übernimmt sie nun ihre erste Kinorolle – an der Seite von Elisa Schlott und Max Riemelt. Über ihre Vorbereitung, die Dreharbeiten und die Aktualität des Stoffes spricht Emma Falck im folgenden Interview.
Der Film Journalist: Was hat Sie daran gereizt, bei diesem Film mitzuwirken?
Emma Falck: Als ich die ersten Informationen zum Projekt bekommen habe, war ich direkt fasziniert. Ich hatte noch nie von einer Geschichte aus der NS-Zeit gehört, bei der der Fokus fast ausschließlich auf den Frauen liegt. In den meisten Kriegsfilmen geht es ja immer um Männer. Das fand ich sehr spannend. Auch das Thema – das Essen von Hitler – war mir völlig neu. Ich liebe historische Filme schon immer, schaue sie mir gerne an und finde sie sehr spannend. Ich hatte schon lange den Wunsch, einmal in einem historischen Film mitzuspielen – umso schöner war es, dass es dann auch noch ein Film ist, in dem die weibliche Perspektive im Mittelpunkt steht. Das hat mich sehr gereizt. Es ist einfach ein ganz neues Kapitel der NS-Zeit, das hier aufgeschlagen wird.
Der Film Journalist: „Die Vorkosterinnen“ ist Silvio Soldinis erster deutschsprachiger Historienfilm. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihm erlebt?
Emma Falck: Die Dreharbeiten waren meine erste richtige Erfahrung in diesem Bereich und

natürlich war das für mich sehr aufregend. Aber Silvio war unglaublich herzlich und unterstützend. Ich hatte kaum Erfahrung, aber er war immer für uns da und hat sich besonders für uns Frauen eingesetzt. Ich hatte nie das Gefühl, mich verstellen oder mein Spiel anpassen zu müssen. Er hatte stets einen guten Blick auf uns alle. Wenn man ihm eine Frage gestellt hat, hat er manchmal einfach nur gelächelt – was für uns bedeutete: Er vertraut uns. Und dieses Vertrauen hat er uns auch wirklich geschenkt. Wenn ihm etwas nicht gefallen hat, hat er es offen gesagt, aber immer auf Augenhöhe. Für mich als Anfängerin war dieses Projekt eine ganz besondere Erfahrung. Die Arbeit mit Silvio war ein großartiger Einstieg in die Filmwelt.
Der Film Journalist: Ihre Figur Leni ist fiktiv, basiert aber wie alle Vorkosterinnen auf realen historischen Vorbildern. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Emma Falck: Ich hatte mir den zugrundeliegenden Roman bestellt, kurz bevor die Dreharbeiten begannen. Er kam allerdings erst mitten im Dreh an, sodass ich ihn leider nicht komplett lesen konnte. Ich habe durchgeblättert und mir vor allem die Stellen zu Leni herausgesucht. In der Vorbereitung habe ich viele Dokumentationen geschaut, insbesondere solche mit Fokus auf Frauen in der NS-Zeit. Ich habe mich auch intensiv mit dem Bund Deutscher Mädel beschäftigt, da Leni ja eine der Jüngsten ist und komplett in dieser Zeit aufgewachsen ist.
Ich wollte verstehen, wie das funktioniert hat – was es mit den Ferienlagern auf sich hatte, wie

der Alltag war. Daraus habe ich mir ein Bild von Leni gebaut. Im Drehbuch ist sie als jemand dargestellt, der sich sehr nach einem Mann sehnt – für mich wirkt sie kindlich, naiv und versteht noch gar nicht, was eigentlich um sie herum passiert. Für sie ist das alles normal, sie kennt nichts anderes. Als sie erfährt, dass sie möglicherweise sterben könnte, bricht für sie eine Welt zusammen. Sie will doch einfach nur eine Familie gründen. Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, sie ist wie eine kleine Schwester, die man in den Arm nehmen und beschützen möchte. So habe ich sie empfunden: naiv, süß und verletzlich.
Der Film Journalist: Der Film startet jetzt fast 80 Jahre nach Kriegsende – in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung. Warum ist es aus Ihrer Sicht gerade heute wichtig, diese Geschichte jetzt im Kino anzusehen?
Emma Falck: Natürlich ist das Thema auch heute, über 80 Jahre später, noch extrem aktuell. In vielen Teilen der Welt ist es wieder präsent. Umso wichtiger finde ich es, dass wir uns damit auseinandersetzen – gerade jetzt, wo die letzten Zeitzeuginnen versterben. Filme wie dieser helfen dabei, das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Was mich besonders beschäftigt: Auch heute gibt es Gruppen wie die AfD, die behaupten, das Deutsche sei das Beste – so wie im Nationalsozialismus. Im Film sehen wir aber: Es ist im Endeffekt egal, wer stirbt. Auch die Deutschen sitzen dort am Tisch – und es ist egal. Die Machthaber diskriminieren zwar zuerst andere Gruppen, aber letztlich geht es ihnen nur um Macht.
Das finde ich wichtig zu verstehen – auch für junge Menschen, die heute in großer Zahl die AfD

wählen. Sie glauben vielleicht, es gehe bei diesen Parteien um sie, aber in Wahrheit geht es den Mächtigen nur um sich selbst. Deshalb wünsche ich mir, dass gerade in Schulen noch mehr über dieses Thema gesprochen wird – dass man ins Kino geht, sich solche Filme anschaut, und dass darüber diskutiert wird. In meiner Schulzeit wurde zwar über den Zweiten Weltkrieg gesprochen, aber nicht besonders tiefgehend. Gerade weil die Zeitzeuginnen bald nicht mehr da sind, wird es umso wichtiger, solche Geschichten weiterzugeben.
„Die Vorkosterinnen“ startet am 29. Mai 2025 in den Kinos.
Neugierig geworden? – sieh hier den Trailer:
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