Johannes Kienast im Interview zu „Chabos“: „Ich wünsche mir von damals nichts zurück“
- Toni Schindele
- vor 6 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
„Ich kann mich noch gut an Spaziergänge nach langen Nächten mit meinem voll bestückten MP3-Player erinnern“, erzählt Johannes Kienast über die 2000er-Jahre – jene Zeit, in die die neue ZDFneo-Serie „Chabos“ zurückführt.

Die 2000er-Jahre waren geprägt von Baggy-Pants, Hip-Hop, MP3-Playern und einem neuen Selbstverständnis in Jugendkultur und Popwelt. Zwischen LAN-Partys, Klingeltonwerbung und Fußballplatzromantik entwickelte sich ein eigenes Lebensgefühl, das bis heute nachwirkt. Genau dorthin führt die neue ZDFneo-Serie „Chabos“ zurück, die auf zwei Zeitebenen spielt und Fragen nach Freundschaft, Identität und Männlichkeitsbildern stellt. Eine zentrale Rolle darin übernimmt Johannes Kienast.
Der Film Journalist: Einmal zum Einstieg – was verbinden Sie mit dem Wort „Chabos“?
Johannes Kienast: Nicht wirklich viel. Ich habe das Wort selber nie benutzt.
Der Film Journalist: Eine Serie mit zwei verschiedenen Zeitebenen, die uns zurück in die 00er-Jahre führt. Was hat Sie an „Chabos“ und gerade auch an Peppi gereizt?
Johannes Kienast: Die Drehbücher waren genial geschrieben: schnell, virtuos, sehr lustig, aber auch sehr ernsthaft und voller popkultureller Anspielungen, die nie wahllos wirkten, sondern immer einen konkreten Grund hatten. Als ich beim Casting die beiden Regisseure traf, wusste ich schnell, dass das ein sehr gutes, kluges Projekt werden wird, und ich habe mich dann umso mehr gefreut, als ich die Zusage bekam. Was mich an Peppi gereizt hat, war seine Unaufgeräumtheit und Komplexität. Und dass er eine Art Sprachrohr für meine und viele andere Biografien ist, indem man mit Peppi ehrlich zurückschaut.
Der Film Journalist: Peppi wird nicht zum Klassentreffen eingeladen und steht damit buchstäblich außen vor. Die Freundschaften von einst sind auseinandergebrochen. Daher die Frage: Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit Freundschaften über Jahre hinweg funktionieren können?
Johannes Kienast: Humor und Kritikfähigkeit. Und füreinander da sein. Vor allem in Momenten, wo man einfach mal nur zuhören muss. Ehrlichkeit – die hat immer eine verbindende Wirkung. Auch wenn’s mal die unbequeme Art ist. Den anderen so zu lieben, wie er ist, und die Bereitschaft, zu teilen.
Der Film Journalist: „Chabos“ greift Themen wie Rollenbilder und Identität auf. Was verstehen Sie persönlich unter Männlichkeit – und hat sich Ihr Blick darauf im Laufe Ihres Lebens gewandelt?
Johannes Kienast: Ich habe mittlerweile einen Sohn und bin als Vater, ergo als Mann, ein Vorbild,

ob ich will oder nicht. Das hat nochmal viel in mir verändert, da er unter anderem anhand meines Verhaltens der Welt gegenüber sein eigenes Verhalten ableiten wird. Ich versuche, Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen und Fehler zuzugeben und daraus zu lernen. Das finde ich cool. Ob das dann männlich ist, ist mir egal. Früher wollte ich unbedingt einer von den Starken sein, wollte keine Schwäche zeigen, und ich habe auf verschiedenste Art und Weise ausgeteilt wie auch eingesteckt. Mittlerweile macht es mir große Freude, zu unterstützen, zu helfen, zuzuhören. Alles Attribute, die ich damals eher verachtet hätte, da sie mich weich hätten wirken lassen können. Ich bin sehr froh, dass diese Art zu denken der Vergangenheit angehört.
Der Film Journalist: Die Serie springt zurück ins Jahr 2006 – eine Zeit, die modisch, musikalisch und gesellschaftlich sehr eigene Spuren hinterlassen hat. Wenn Sie auf die 2000er-Jahre zurückblicken: Was würden Sie sich heute gern zurückwünschen, und was sollte Ihrer Meinung nach besser in den 2000ern bleiben?
Johannes Kienast: Ich wünsche mir von damals nichts zurück. Ich habe aber das Gefühl, dass meine Freunde und ich damals mehr draußen waren, auf dem Fußballplatz oder irgendwo. Jedenfalls waren wir nicht am Handy. Aber vielleicht romantisiere ich das jetzt auch. Hätte es damals Smartphones gegeben, wäre ich vermutlich verloren gewesen.
Der Film Journalist: Neben der Handlung hat „Chabos“ auch einen sehr eindrucksvollen Soundtrack, der den Sound der 2000er-Jahre zwischen Hip-Hop und Y2K-Pop aufgreift. Was verbinden Sie mit der Musik aus dieser Zeit?

Johannes Kienast: Alle Emotionen, die ein Jugendlicher so durchlebt. Musik ist ja universell, jeder Mensch jeden Alters hat zu einer bestimmten Art von Musik, zu einem bestimmten Song ein Verhältnis oder verbindet Gefühle damit. Ich kann mich noch gut an Spaziergänge nach langen Nächten mit meinem voll bestückten MP3-Player erinnern. Alles in meinem Leben hatte damals einen wechselnden Soundtrack, und Musik hat mich oft gerettet.
Der Film Journalist: Man kann „Chabos“ in der ZDF-Mediathek streamen, aber die acht Folgen laufen auch im linearen Fernsehen bei ZDFneo. Deshalb zum Abschluss die Frage: Warum sollte man „Chabos“ unbedingt ansehen und auf gar keinen Fall verpassen?
Johannes Kienast: Weil „Chabos“ einfach Spaß macht. Weil die Serie ihren Figuren gegenüber ehrlich, liebevoll und kompromisslos und deswegen berührend ist. Weil man als Millennial jeden einzelnen Song, der vorkommt, mitsingen kann und mit ihm irgendwas verbindet: Menschen, Situationen, Emotionen. Weil wir niemanden ungeschoren davonkommen lassen, aber auch nicht den Moralapostel mit erhobenem Zeigefinger raushängen lassen. Weil die Serie mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt. Und weil die jungen Kollegen – Nico Marischka, Jonathan Kriener, Loran Alhassan und Arsseni Bultmann – einfach umwerfend spielen.