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Kritik zu „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“: Mehr als Hagen?

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • vor 4 Tagen
  • 5 Min. Lesezeit

Siegfried, Hagen und Kriemhild sind zurück – diesmal nicht auf der großen Leinwand, sondern in epischer Serienlänge bei RTL+. „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ startet als aufwendig produziertes Streaming-Event und erzählt den berühmten Stoff umfassender und vielschichtiger als der Kinofilm vor einem Jahr.

Bildnachweis: © RTL / Constantin Film
Bildnachweis: © RTL / Constantin Film

Vor gut einem Jahr kam „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ in die Kinos. Nun folgt mit „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ auf RTL+ die Serienfassung, die von Anfang an parallel entwickelt wurde und weit mehr als bloß eine verlängerte Schnittfassung ist. Schon beim Dreh hatte das Team rund um Cyrill Boss und Philipp Stennert sechs vollständige Serienbücher im Rücken – der Kinofilm entstand eher als komprimierte Montage dieser umfassenderen Erzählung. Das Nibelungenlied gehört nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den am stärksten ideologisch aufgeladenen Werken der deutschen Kulturgeschichte. Ob in Oper, Schulbuch oder Festspiel – seit Jahrhunderten fasziniert und überfordert der mittelalterliche Mythos zugleich. Besonders im 19. Jahrhundert zum nationalen Epos verklärt, später im Nationalsozialismus vereinnahmt, haftet dem Stoff bis heute eine schwierige Symbolik an. Wie also erzählt man diesen Stoff heute – zeitgemäß, differenziert und ohne in alte Fallstricke zu tappen?


Darum geht es:


Im Reich der Burgunder scheint Kriemhilds Schicksal längst vorgezeichnet – bis der rätselhafte Krieger Siegfried von Xanten am Hof erscheint und alles ins Wanken bringt. Seine Ankunft entfacht nicht nur ihr Herz, sondern auch Eifersucht, Misstrauen und alte Feindschaften. Während Waffenmeister Hagen von Tronje zwischen Pflicht und verborgenem Begehren zerrieben wird, begehrt König Gunter die stolze Walküre Brunhild – doch ihr Herz gehört dem Mann, der sie einst verraten hat. Steuert Burgund auf eine Hochzeit zu, auf zwei – oder auf seinen Untergang?


Die Rezension:


Um es gleich vorwegzunehmen: Wer dem Kinofilm „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ bereits etwas abgewinnen konnte und tiefer in die Welt der Figuren eintauchen möchte, sollte sich die aufwendig erweiterte Serienfassung nicht entgehen lassen. Wer hingegen schon mit dem Film fremdelte, wird hier kaum bekehrt werden. Denn die Serie erzählt dieselbe Geschichte – umfangreicher, nuancierter, doch ohne gänzlich neue Perspektiven. Vieles ist bekannt: Konflikte, Konstellationen, Wendepunkte – nun jedoch mit größerem erzählerischen Atem. Die Serie vertieft, was der Film skizzierte: So treten etwa erstmals die Römer in Erscheinung, während die Welt der alten Wesen stärker ins Zentrum rückt und das Mystische deutlicher hervortritt. Die längere Laufzeit erlaubt es, Motive organisch zu entfalten und den Figuren mehr emotionale Tiefe zu verleihen. War der Film auf Hagen fokussiert, öffnet sich die Serie zu einem ensemblegetragenen Epos zwischen höfischer Intrige, patriarchaler Struktur und mythischer Überhöhung.


Bildnachweis: © RTL / Constantin Film
Bildnachweis: © RTL / Constantin Film

Aus der konzentrierten Charakterstudie wird ein weit verzweigtes Familiendrama, das Macht, Mythos und Moral zu verknüpfen sucht. Im Zentrum steht ein stolzes, zugleich erstarrtes Königshaus, in das mit Siegfried ein Fremdkörper eindringt – einer, der die Regeln infrage stellt und die Hierarchien ins Wanken bringt. Die Serienstruktur erlaubt es, die Perspektive zu weiten: Kriemhild rückt so mehr ins Zentrum. Lilja van der Zwaag spielt sie mitreißend als junge Frau, die sich in einem von höfischer Etikette bemäntelten Patriarchat behaupten will – einem System, das ihre Präsenz duldet, ihre Stimme aber systematisch marginalisiert. Siegfried, gespielt von Jannis Niewöhner, wird in der Serienfassung ähnlich ambivalent gezeichnet wie im Film: Sein Spiel schwankt zwischen Charme und Selbstüberschätzung und bringt jene innere Zerrissenheit zum Ausdruck, die den Mythos des Drachentöters entmystifiziert. Gijs Nabers Hagen hingegen bleibt der ruhende Pol: wortkarg, entschlossen, von inneren Konflikten zersetzt, ohne sie preiszugeben. Seine physische Präsenz ersetzt das gesprochene Wort – eine beeindruckende schauspielerische Zurückhaltung, die vor allem in den leisen Momenten wirkt.


Mit minimaler Gestik und einem Blick, der mehr erzählt als Worte, erschafft er eine Figur von fast archaischer Würde. Nabers Hagen ist kein kalter Stratege, sondern ein Mann, der aus Prinzip handelt – gefangen zwischen Loyalität und innerer Zerrissenheit. Diese kontrollierte Präsenz macht ihn zur tragischsten Figur der Erzählung. Dabei gelingt es der Inszenierung in der Serie ebenfalls, Hagen nicht nur als Opfer äußerer Umstände, sondern auch als aktiv handelnde Figur darzustellen, die sich ihrer eigenen moralischen Verantwortung bewusst ist. Aber auch die Figuren, die im Fim noch wenige präsent waren, treten nun deutlich mehr ins Zentrum. Dominic Marcus Singer zeichnet König Gunther als schwankenden Herrscher, dessen Selbstzweifel und Eitelkeit sich unentwegt umkreisen. Er spielt einen König, der seine Machtposition nie wirklich ausfüllt – getrieben von den Intrigen anderer, unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen. Doch auch wenn der Fokus breiter gefächert ist, erhält nicht jede Figur mehr Tiefe, so bleibt Hagens Schülerin Damira trotz zusätzlicher Szenen blass.


Bildnachweis: © RTL / Constantin Film
Bildnachweis: © RTL / Constantin Film

Wer in „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ ein visuelles Spektakel im Stile von „Game of Thrones“ erwartet, wird vor allem eines vorfinden: Worte statt Waffen. In ihrer konzentrierten, bisweilen spröden Erzählweise, in ihrer psychologisch dichten Figurenzeichnung und in ihrem Insistieren auf das Ambivalente nähert sie sich eher dem Charakter eines Dramas als dem eines klassischen Fantasy-Abenteuers. Erzählerisch setzt „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ auf eine Kombination aus dialoggetriebenem Kammerspiel und mythischer Grundstimmung. Zwar gibt es gelegentliche Ausflüge in visuell imposante Schlachten oder düstere Ritualwelten, doch der Fokus liegt klar auf dem inneren Drama der Figuren. Die Serie verzichtet weitgehend auf Massenschlachten oder spektakuläre Effekte. Schon beim Kinofilm war spürbar, dass er nicht den actiongeladenen Bombast bot, den das Marketing versprach; in der Serie tritt das noch deutlicher zutage. Sie legt den Schwerpunkt stärker auf Dialoge und Charakterbeziehungen als auf Massenszenen, Spektakel oder visuelle Exzesse. Wenn jedoch gekämpft wird, dann ist das durchaus eindrucksvoll.


Unter der Leitung des tschechischen Stuntkoordinators Josef Jelinek entstanden Kampfszenen, die die unterschiedlichen Temperamente und Fähigkeiten der Figuren widerspiegeln. Die Hauptdarsteller trainierten monatelang, um die physischen Auseinandersetzungen glaubwürdig und kraftvoll wirken zu lassen – eine Mühe, die sich beim Ansehen der Folgen bezahlt macht. Auch die Ausstattung folgt einem hohen ästhetischen Anspruch: Die Waffen orientieren sich an historischen Vorbildern, wurden jedoch stilisiert angepasst, um mit Kostümen und Bauten ein stimmiges visuelles Gesamtbild zu erzeugen. Wer auf spektakuläre Action verzichten kann, wird mit minutiöser Detailverliebtheit belohnt. Diese Liebe zum Detail zeigt sich auch in der Kostümgestaltung. Designer Pierre-Yves Gayraud arbeitete über 18 Monate an mehr als 1.000 Kostümen, die zwar nicht streng historisch, dafür ästhetisch kohärent und charakterbezogen entworfen wurden. Hagens schwere Montur steht für seine innere Last, Siegfrieds Lederlook zitiert Marlon Brando und Steve McQueen und verleiht ihm eine rebellische Modernität.


Bildnachweis: © RTL / Constantin Film
Bildnachweis: © RTL / Constantin Film

Gedreht wurde überwiegend in Tschechien, vor allem in den traditionsreichen Barrandov-Filmstudios bei Prag. Für die Rekonstruktion der Straßenzüge und Befestigungsanlagen von Worms griff das Team auf ein bestehendes Mittelalter-Set zurück – eine pragmatische Entscheidung, die jedoch einen gewissen Nebeneffekt hat: Das Setting wirkt durchgängig generisch, folgt einem vertrauten Klischeebild von mittelalterlicher Ästhetik. Zwar erlaubt sich die Serie bewusst einen gewissen Fantasy-Spielraum, doch bleibt die visuelle Gestaltung eher konventionell als originell. Visuell entfaltet die Serie eine eindrucksvolle Atmosphäre: Der Kontrast zwischen der geometrischen Enge von Worms und den weitläufigen Landschaften rund um das Königreich sorgt für eine spannungsreiche visuelle Dynamik, die von der Musik von Adam Lukas und Jacob Shea getragen wird. Ihr Soundtrack ist groß, pathetisch und orchestral – die Serie ergänzt ihn jedoch um moderne Pop- und Rockelemente, die nicht immer stimmig wirken. Während der Kinofilm musikalisch noch harmonischer eingebettet war, verliert die Serie in manchen Momenten an tonaler Kohärenz.


Fazit:


„Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ interpretiert die altbekannte Sage um Siegfried, Hagen und Kriemhild als sechsteilige Serie neu – weniger als Fantasy-Spektakel, sondern als vielschichtiges Familiendrama über Pflicht, Loyalität und Macht. Eindrucksvoll gespielt und atmosphärisch stark, wirkt die erzählerisch ausschweifende Serienfassung bisweilen etwas behäbig – doch wer tiefer in die Figuren und ihre Welt eintauchen möchte, wird hier mehr entdecken als im Kinofilm.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 06. November 2025 auf RTL+.


Wie hat Dir die 1. Staffel gefallen? Teile Deine Meinung gerne in den Kommentaren!

Weitere Informationen zu „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“:

Genre: Historiendrama, Abenteuer

Laufzeit: 6 Folgen

Altersfreigabe: ab 12 Jahren


Regie: Cyrill Boss und Philipp Stennert

Drehbuch: Cyrill Boss, Philipp Stennert und Doron Wisotzky

Besetzung: Jannis Niewöhner, Gijs Naber, Lilja van der Zwaag und viele mehr ...


Trailer zur 1. Staffel von „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“:


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