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Kritik zu „No Hit Wonder“: Im Chor der Glückssucher

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • vor 23 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit

Musik kann heilen – so heißt es oft. Sie tröstet, verbindet und schenkt Halt, wo Worte versagen. Doch was passiert, wenn dieser Glaube selbst zur Therapie wird? Lässt sich Glück wissenschaftlich beweisen?


Hauptplakat zu „No Hit Wonder“: Florian David Fitz im Zentrum, umgeben vom Chor-Ensemble, darunter Nora Tschirner, Holger Stockhaus und Jasmin Shakeri.
Bildnachweis: © Warner Bros.

Ein Hit kann ein Leben verändern – und manchmal auch zerstören. Für einen kurzen Moment scheint alles möglich: Ruhm, Anerkennung, Bedeutung. Doch was passiert, wenn dieser eine Moment das Maß aller Dinge bleibt? Wenn nichts mehr an jenen Glanz heranreicht, der längst verblasst ist? One-Hit-Wonder nennt man in der Musikindustrie jene Interpreten, die lediglich einen einzigen Titel in den Charts platzieren konnten – oder deren Karriere trotz mehrerer Veröffentlichungen nur von einem Song wirklich getragen wurde. Für sie ist dieser eine Erfolg Segen und Fluch zugleich: Er öffnet alle Türen – und schließt sie kurz darauf wieder. Über einen solchen Musiker hat Florian David Fitz das Drehbuch zu „No Hit Wonder“ geschrieben und in der Verfilmung selbst die Hauptrolle übernommen. Doch kann daraus auch ein Hit an den Kinokassen werden?


Darum geht es:


Daniel Novak, einst Pop-Phänomen mit dem Ohrwurm „Time Time Time“, tauscht die großen Arenen längst gegen Rabattbühnen im Einkaufszentrum. Nach einem missglückten Abschied aus dem Leben wacht er nicht im Himmel, sondern auf der Geschlossenen auf. Dort trifft er auf Lissi, eine Glücksforscherin mit überbordendem Idealismus und unterbezahltem Klinikjob, die ihn partout zum Singen bringen will. Denn Dr. Lissi Waldstett ist überzeugt: Musik macht glücklich und mit Daniel im Schlepptau will sie das auch endlich beweisen.


Die Rezension:


Florian David Fitz ist längst eine feste Größe im deutschen Kino – und zugleich Synonym für eine bestimmte Art und Weise, wie hierzulande in aller Regelmäßigkeit Filme entstehen. Mit „No Hit Wonder“ bedient er genau jene vertraute Tonlage, die er selbst mit kultiviert hat: eine Erzählweise, die Schmerz und Selbstzweifel mit leichtfüßiger Ironie abfedert, die großen Fragen des Lebens in Dialogwitz verpackt und am Ende alles versöhnlich stimmt. Konflikte sind erlaubt, doch stets so dosiert, dass sie in Harmonie aufgelöst werden können. Es sollen Geschichten von Menschen wie du und ich sein, die scheitern dürfen, ohne daran zu zerbrechen. Was zunächst wie eine therapeutische Komödie klingt, entfaltet sich zu einem Ensemblefilm über die Suche nach Sinn und Gemeinschaft. Dramaturgisch bleibt die Inszenierung klar im Fahrwasser vertrauter Muster. Dass „No Hit Wonder“ konventionell wirkt, liegt weniger an handwerklichen Mängeln als an seiner kalkulierten Harmonie.


Florian David Fitz in „No Hit Wonder“: Gemeinsam mit einer jungen Frau sitzt er am Beckenrand eines leeren Schwimmbads.
Bildnachweis: © Warner Bros.

Dieses Streben nach Gefälligkeit verleiht dem Film zwar hohe Zugänglichkeit, raubt ihm aber jene Widersprüchlichkeit, die ihn glaubwürdiger machen würde. So wird die Depression zur Folie, auf der sich Lebensmut und Musiktherapie entfalten dürfen. Das Drehbuch deutet psychische Erkrankungen zwar als gesellschaftliches Phänomen an, bleibt deren Komplexität aber schuldig. Statt die Mechanismen von Selbstzweifel und Verzweiflung zu ergründen, reduziert der Film sie auf eine einfache Formel: Singen heilt. Gemeinschaft rettet. Offline-Sein erlöst. Das klingt tröstlich – und ist filmisch durchaus wirkungsvoll –, verharmlost jedoch die Realität psychischer Erkrankungen. Depression erscheint hier weniger als klinisches Leiden denn als Verstimmung, die mit Gruppendynamik und Lebensfreude zu kurieren sei. Der Film will trösten – aufrichtig, aber oft durch Vereinfachung.


Immer dann, wenn sich echte emotionale Tiefe andeutet, zieht er sich zurück. Schmerz wird nur angerissen, nie ausgehalten; Konflikte lösen sich zu schnell auf. „No Hit Wonder“ ist ein Film, der viel Empathie, aber wenig Erkenntnis bietet – und darin das Dilemma des deutschen Kinos spiegelt: zu gefällig, um weh zu tun, aber zu bemüht, um gleichgültig zu lassen. Kein großer Wurf, aber ein aufschlussreiches Symptom – ein Spiegel jener Gesellschaft, die ihre Krisen lieber mit einfachen Antworten bewältigt, als ihnen wirklich zuzuhören. Visuell bleibt „No Hit Wonder“ im sicheren Terrain des Mainstreamkinos. Die Kamera von Konstantin Kröning taucht selbst Verzweiflung in warme, sonnendurchflutete Bilder. Farbkomposition und Schnitt unterstreichen das Harmoniebedürfnis der Erzählung, während die Gesangsszenen ihre Wirkung aus kollektiver Energie ziehen.

Szene aus „No Hit Wonder“: Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Stuhlkreis und hält Liedtexte in den Händen. Florian David Fitz, im Rollstuhl sitzend und nimmt an der Chorprobe teil.
Bildnachweis: © Lars Nitsch / Warner Bros.

Und doch entfaltet der Film immer wieder eine leise, aufrichtige Wirkung: In den Chorproben, wenn sich verletzliche Menschen vorsichtig öffnen, blitzt das Thema Gemeinschaft auf – ehrlich und berührend. Dietrich und Fitz gelingt es, die Kraft gemeinsamer Musikmomente einzufangen. Wenn sich die Figuren gegenseitig stützen, entstehen authentische, fast kathartische Szenen. Die Kamera findet in den Gesichtern der Singenden jene Mischung aus Erschöpfung und Hoffnung, die in der Musik kurzzeitig Frieden findet. Dietrich inszeniert dies in rhythmisch klaren Bildern, die den Ensemblecharakter betonen und zugleich Fitz in den Mittelpunkt rücken. Florian David Fitz spielt seinen gefallenen Musiker mit der gewohnten Mischung aus Selbstironie und verletzlicher Arroganz.


Seine Figur – ein narzisstisch gekränkter Mann, der lernen muss, sich im Chor nicht länger als Solist zu begreifen – durchläuft eine Läuterung, die so glatt erzählt ist wie der gesamte Film. An seiner Seite steht Nora Tschirner, die als Wissenschaftlerin und Psychotherapeutin zugleich rational, chaotisch und emotional zerrissen agiert. Ihre Rolle ist jedoch so überfrachtet, dass sie kaum innere Kohärenz entwickelt: Karrierefrau, alleinerziehende Mutter, emotionale Helferin und selbst traumatisierte Patientin in einer Person. Tschirner bemüht sich, diese Vielschichtigkeit greifbar zu machen, doch das Drehbuch überfordert sie, indem es die Figur zwischen Rationalität und Sentimentalität zerrt. Wenn die Szenen zwischen Fitz und Tschirner funktionieren, dann weniger durch die Dialoge als durch ihre spürbare Chemie.

Bildnachweis: © Lars Nitsch / Warner Bros.
Bildnachweis: © Lars Nitsch / Warner Bros.

Das Ensemble – mit Holger Stockhaus, Jasmin Shakeri, Bernd Hölscher, Jerusha Wahlen und Aziz Dyab – bleibt im Symbolischen verhaftet. „No Hit Wonder“ feiert den Zusammenklang, doch der Preis dafür ist die Aufgabe individueller Dissonanz. Jede Figur steht für einen Typus – die überforderte Mutter, den verletzten Idealisten, den gutmütigen Arbeiter – und verliert sich damit in Funktionalität. Dennoch blitzen Momente auf, in denen die Darsteller mit feinen Gesten eine Wahrheit jenseits der Konvention andeuten. Herausragend sind Udo Samel und Corinna Kirchhoff als gealtertes Ehepaar, das eine melancholische Gravität einbringt, die man sich häufiger wünschen würde. Ihre Szenen zählen zu den seltenen Momenten, in denen der Film Stille zulässt – und dadurch Emotion erzeugt. Gerade in diesen unspektakulären Augenblicken entsteht jene Echtheit, die das Drehbuch sonst nicht zulässt.


Fazit:


„No Hit Wonder“ von und mit Florian David Fitz ist ein charmanter Feel-Good-Film, der immer dann am besten ist, wenn er sich ganz seiner Musik hingibt. Ein Film wie ein Popsong – eingängig, gefällig und mit einem Refrain, den man entweder rasch wieder vergisst oder unwillkürlich weitersummt. Wie es im Film selbst so treffend heißt: Man muss nur wissen, welche Knöpfe man drückt – dann lässt sich mühelos ein Hit erzeugen.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 30. Oktober 2025 im Kino.


Wie hat Dir der Film gefallen? Teile Deine Meinung gerne in den Kommentaren!

Weitere Informationen zu „No Hit Wonder“:

Genre: Drama, Komödie

Laufzeit: 118 Minuten

Altersfreigabe: FSK 12


Regie: Florian Dietrich

Drehbuch: Florian David Fitz

Besetzung: Florian David Fitz, Nora Tschirner, Udo Samel und viele mehr ...


Trailer zu „No Hit Wonder“:



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