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Kritik zu „Traumnovelle“: Zwischen Traum und Realität

Toni Schindele

Eine alte Geschichte in neuem Gewand: Florian Frerichs hat Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ neu verfilmt, die bereits Stanley Kubrick zu einem Film inspirierte. Kann die Adaption die psychologische Tiefe und die Faszination der Vorlage einfangen?


Kritik zu „Traumnovelle“: Zwischen Traum und Realität
Bildnachweis: © Warnuts Entertainment

Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, erstmals 1925 episodenweise in einer Berliner Modezeitschrift und 1926 erstmals als Buchausgabe veröffentlicht, steht in einer langen Tradition intellektueller Auseinandersetzungen mit menschlichen Ängsten und Sehnsüchten. Auf nur wenigen Seiten entfaltet Schnitzler eine komplexe Geschichte, die zwischen Realität und Traum changiert und tief in die Abgründe des menschlichen Unterbewusstseins vordringt. Schnitzler, selbst Arzt und ein Zeitgenosse Sigmund Freuds, verwebt in der Erzählung eine dichte Analyse von Begierde, Verdrängung und Treue mit den moralischen Spannungen seiner Zeit.


Ob auf der Theaterbühne oder filmisch – die Geschichte wurde bereits mehrfach aufgegriffen. Der österreichische Filmemacher Wolfgang Glück wagte 1969 eine erste Verfilmung, die allerdings auf regionalen Erfolg beschränkt blieb. Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ aus dem Jahr 1999 katapultierte die Geschichte hingegen in die globale Popkultur und das nicht nur, weil es Kubricks letzter Film war, der nur wenige Tage vor seinem Tod fertiggestellt wurde. Obwohl die Verfilmung mit Tom Cruise und Nicole Kidman in den Hauptrollen deutlich von der literarischen Vorlage abwich, konnte sie dennoch auf ganzer Linie überzeugen.


Kritik zu „Traumnovelle“: Zwischen Traum und Realität
Bildnachweis: © Warnuts Entertainment

Mit einem Einspielergebnis von über 160 Millionen US-Dollar war der Film nicht nur an den Kinokassen erfolgreich, auch die Kritiken fielen überwiegend positiv aus: Das Filmkritik-Portal Rotten Tomatoes weist für den Film eine Zustimmungsrate von 75 Prozent aus, während „Eyes Wide Shut“ bei Metacritic einen soliden Metascore von 68 von 100 erreichte. Nun wurde die Geschichte zum dritten Mal verfilmt. Nach Stanley Kubricks aufwendiger und hochbudgetierter Adaption hat der deutsche Filmemacher Florian Frerichs die Handlung unter völlig anderen Voraussetzungen neu interpretiert – ohne staatliche Filmförderung und mit einem insgesamt bescheidenen Budget. Nach „Broke. Alone. A Kinky Love Story“ und „Deathcember“ ist „Traumnovelle“ der siebte Langspielfilm von Florian Frerichs.


Darum geht es:


Im pulsierenden Berlin leben Jakob und Amelia ein scheinbar sorgenfreies Leben. Doch hinter der glänzenden Fassade aus Wohlstand und Luxus brodelt eine unerfüllte Sehnsucht, die sie voneinander entfernt und zugleich unwiderstehlich anzieht. Als ein mysteriöses Geheimnis ihre ohnehin fragile Beziehung erschüttert, geraten sie in einen Strudel aus Verlangen, Verrat und dunkler Begierde. Wird ihre Liebe dem Abgrund trotzen – oder führt sie diese Reise in ein unentrinnbares Spiel aus Leidenschaft und Gefahr?


Die Rezension:


Florian Frerichs‘ „Traumnovelle“ greift die Kernfragen der literarischen Vorlage auf – jene nach Verlangen, Treue und der diffusen Grenze zwischen Fantasie und Realität – und überführt sie in die heutige Zeit. Mit einem Fokus auf die pulsierende Clubszene und einer modernen Interpretation von Sehnsüchten und moralischen Konflikten setzt der Film an, die psychologische Tiefe der Novelle für ein zeitgenössisches Publikum neu zu beleuchten.  Frerichs reflektiert urbane Anonymität, neue Formen digitaler Sinneslust sowie die altbekannten Muster von Eifersucht und Verdrängung, ohne jedoch die Intensität und Subtilität der Vorlage zu erreichen. Wo Schnitzlers Novelle durch Mehrdeutigkeit und psychologische Raffinesse besticht, setzt der Film oft auf plakative Motive.


Kritik zu „Traumnovelle“: Zwischen Traum und Realität
Bildnachweis: © Warnuts Entertainment

Die Balance zwischen subtiler Gesellschaftskritik und provokanter Inszenierung gelingt nur selten. Narrativ versucht Frerichs, die Struktur von Schnitzlers Kapiteln beizubehalten, was jedoch oft zu einer fragmentierten Erzählweise führt, die weder die Spannungsbögen der einzelnen Stationen noch ihre Verbindung zueinander konsequent aufbaut. Dabei schwankt auch die visuelle Ausrichtung zwischen klinischer Klarheit und traumhafter Verfremdung ohne einen roten Faden in der Bildsprache herauszuarbeiten. Die Lichtsetzung und Farbpalette unterstützen die surreale Atmosphäre der Erzählung, doch die Traumsequenzen – ein zentraler Aspekt der Novelle – entfalten nur selten die gewünschte Sogwirkung.


Der Versuch, die psychologischen Nuancen der Vorlage durch den Einsatz von Voice-Over-Kommentaren und der Durchbrechung der vierten Wand zu übertragen, wirkt stellenweise unfreiwillig komisch und lässt die Figuren seltsam entfremdet erscheinen. Besonders Jakobs innere Konflikte, die Schnitzlers Werk so eindringlich machen, bleiben in der filmischen Umsetzung flach und wenig nachvollziehbar. Dialoge, die zwischen moderner Derbheit und altmodischer Förmlichkeit schwanken, verstärken das Gefühl, dass sich Florian Frerichs nicht entscheiden konnte, ob er die Geschichte nun werktreu oder doch lieber modern erzählen wollte. Die Besetzung ist dabei durchaus hochkarätig, allen voran Nikolai Kinski in der Rolle des Arztes Jakob, dessen innere Zerrissenheit und moralische Konflikte die narrative Achse bilden.


Kritik zu „Traumnovelle“: Zwischen Traum und Realität
Bildnachweis: © Warnuts Entertainment

Kinskis Darstellung bleibt jedoch eigenartig blass; sein Spiel wirkt oft mechanisch und distanziert. Kinski gibt den innerlich zerrissenen Jakob mit einer stoischen Zurückhaltung, die einerseits die unterdrückten Konflikte der Figur betonen soll, andererseits jedoch bisweilen in Teilnahmslosigkeit abgleitet. Laurine Prince hingegen verleiht Amelia eine moderne, selbstbewusste Note, bleibt jedoch in ihrer Charakterzeichnung ebenfalls unterentwickelt. Die Dynamik zwischen den beiden Figuren, die in der Novelle von Spannung und unterschwelligen Machtkämpfen lebt, bleibt hier oft nur behauptet, ohne durch die Inszenierung oder die Verkörperungen greifbar gemacht zu werden.


Fazit:


Mit modernem Setting und pulsierender Clubszene versucht Florian Frerichs, die Kernthemen von Schnitzlers „Traumnovelle“ neu zu beleuchten. Doch was in der Vorlage durch subtile Mehrdeutigkeit besticht, gerät hier oft plakativ und verliert sich in einer fragmentierten Erzählweise, die kaum innere Spannung aufbaut.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 16. Januar 2025 im Kino.


Wie hat Dir der Film gefallen? Teile Deine Meinung gerne in den Kommentaren!

Weitere Informationen zu „Traumnovelle“:

Genre: Drama, Thriller

Laufzeit: 109 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Florian Frerichs

Drehbuch: Florian Frerichs

Besetzung: Nikolai Kinski, Laurine Price, Detlev Buck und viele mehr ...


Trailer zu „Traumnovelle“:


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