„Es war wirklich perfekt – deswegen kann ich nur schwärmen“, sagt Mariella Aumann über die Zusammenarbeit mit Regisseur Benjamin Pfohl, der mit „Jupiter“ seinen ersten Kinolangfilm inszenierte. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen ihrer Rolle, die authentische weibliche Perspektive des Drehbuchs und warum sie sich sofort für das Projekt begeistern konnte.

Mariella Josephine Aumann zählt zu den spannendsten Nachwuchstalenten der deutschen Filmszene. Ihr Debüt gab sie 2017 im Thriller „Berlin Syndrom“. Einem breiteren Publikum wurde
sie als die junge Helene Albers in der erfolgreichen Netflix-Serie „Dark“ bekannt. Im Jahr 2021 übernahm Mariella die Rolle der Ulca im Film „A Pure Place“ und neben ihren Filmrollen war sie
auch im Fernsehen zu sehen. So spielte sie 2019 in einer Episode der Serie „Dead End“ die Rolle
der Mira und 2020 in der Serie „Blutige Anfänger“ die Figur Frida Rose. Eine richtig große Kinohauptrolle übernahm sie nun für „Jupiter“.
Der Film basiert auf einem gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2019, der auf über 70 Festivals gezeigt wurde. Regisseur Benjamin Pfohl erzählt darin die Geschichte der jugendlichen Lea, die mit ihrer Familie in ein entlegenes Camp zieht, wo eine sektenähnliche Gemeinschaft auf die Ankunft eines Kometen wartet. Die Frage, ob man sich einer radikalen Idee anschließen oder eigene Wege gehen sollte, bildet den Kern der Handlung – und stellt Lea vor eine schwere Entscheidung.
Der Film Journalist: Wann bist du zu denn zur „Jupiter“-Langspielverfilmung gestoßen und hast du dir zur Vorbereitung den Kurzfilm angesehen?
Mariella Aumann: Wir haben im Sommer 2022 mit den Dreharbeiten begonnen. Etwa zwei Monate vorher habe ich zum ersten Mal von dem Projekt gehört. Ich war damals 16 und wusste, dass es einen Kurzfilm dazu gibt, hatte ihn aber noch nicht gesehen. Dann bekam ich den Link und habe ihn mir angeschaut. Das Lustige war, dass ich mit der Hauptdarstellerin des Kurzfilms, Greta Bohacek, bereits in einem anderen Film zusammengespielt hatte. Ich kannte sie also schon und nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, war mir sofort klar, dass ich das machen wollte.
Der Film Journalist: „Jupiter“ verknüpft Science-Fiction mit aktuellen Themen wie Klimawandel,
Radikalisierung und Coming-of-Age. Was hat dich an der Geschichte am meisten gereizt?
Mariella Aumann: Einerseits werden viele spannende aktuelle Themen angesprochen. Andererseits geschieht dies aus der naiven Perspektive eines jungen Mädchens. Ich fand das Drehbuch großartig, weil es in Zusammenarbeit mit einer Drehbuchautorin entstanden ist. Dadurch hatte es eine sehr authentische weibliche Perspektive. Es geht sensibel mit dem Erwachsenwerden um. Für mich war die Rolle auch eine große Herausforderung, weil sie sehr komplex ist. Aber gerade das hat mich fasziniert und ich wollte diese Figur unbedingt zum Leben erwecken.
Der Film Journalist: Regisseur Benjamin Pfohl inszeniert hier seinen ersten Kinolangfilm. Wie hast du die Zusammenarbeit mit ihm erlebt und was zeichnet ihn als Regisseur aus?
Mariella Aumann: Die Zusammenarbeit war etwas ganz Besonderes. So habe ich das vorher noch nie erlebt – aber mein Leben ist ja auch noch nicht so lang. Ich glaube, er hat eine sehr

natürliche Erzählweise. In unserem Film werden viele Dinge aufgegriffen, die in anderen Filmen oft eher in den Hintergrund rücken. Ich habe das Gefühl, es steckt sehr viel Normalität darin – auch in den Figuren. Unsere Zusammenarbeit war zudem sehr persönlich. Er hat viele meiner eigenen Impulse aufgegriffen, Dinge, die er im Laufe der Arbeit von mir als Mariella mitbekommen hat, und sie in den Film eingearbeitet. Dadurch entsteht eine sehr authentische Darstellung von Jugendlichen. Für mich war er während des gesamten Prozesses eine Art Anker, der immer da war und mich in meiner Rollenentwicklung begleitet hat. Ich habe unglaublich wertvolle Regieanweisungen von ihm bekommen – Dinge, auf die ich selbst vielleicht gar nicht gekommen wäre. Das hat mein Spiel natürlich enorm verändert. Wenn man jemanden hat, der genau erkennt, was noch fehlt, dann ist das genau das, was man sich als Schauspielerin wünscht. Es war wirklich perfekt – deswegen kann ich nur schwärmen.
Der Film Journalist: Du spielst in „Jupiter“ die Lea – wie würdest du sie beschreiben?
Mariella Aumann: Am Anfang hat Lea eine enge Verbindung zu ihren Eltern. Man sieht, dass sie ein liebevolles Zuhause hatte und ihre Eltern ihr das Gefühl gaben, für sie da zu sein. Doch mit der Zeit merkt sie, dass ihre Eltern sehr spezielle Werte vertreten, die sie hinterfragen muss. Trotzdem bleibt eine gewisse Verbundenheit bestehen – es sind schließlich ihre Eltern. Ganz anders ist es mit dem Anführer des Kults und den anderen Menschen dort. Zu ihnen hat sie kein Vertrauen, weil sie sie kaum kennt. Letztendlich geht es darum, Menschen zu lieben, ohne ihren Weg zwangsläufig mitzugehen. Denn Liebe bedeutet nicht, sich selbst aufzugeben.
Der Film Journalist: Lea muss sich in „Jupiter“ zwischen den Überzeugungen ihrer Eltern und ihrem eigenen Weg entscheiden. Glaubst du, junge Menschen stehen heute stärker unter diesem
Druck, sich von familiären oder gesellschaftlichen Denkmustern zu lösen?
Mariella Aumann: Ja, absolut. Ich erlebe es immer wieder, dass gerade Erwachsene oft eine ganz andere Einstellung haben. Sie sind in einer anderen Zeit aufgewachsen und das ist okay. Aber ich finde es wichtig, sich seine eigene Meinung zu bilden und für sich selbst einzustehen. Natürlich kann man versuchen, andere zu überzeugen, aber der erste Schritt ist, seine eigene Haltung zu finden und danach zu handeln. Gerade, wenn man sich die aktuelle politische Lage anschaut, stehen große Herausforderungen bevor. Ich spüre in meinem Umfeld, dass es wichtiger denn je ist, für die eigenen Werte einzustehen.
Der Film Journalist: Hast du während der Dreharbeiten oder der Vorbereitung etwas für dich darüber gelernt, warum Menschen für radikale Ideen anfällig werden und wie man ihnen helfen kann, wieder zurückzufinden?
Mariella Aumann: Lea selbst ist in der Schule eine Außenseiterin. In solchen Situationen sucht

man nach einem Ort, an dem man sich verstanden und akzeptiert fühlt. Das nutzen Anführer solcher Gruppen gezielt aus. Sie geben ihren Anhängern das Gefühl, dass sie dazugehören, und erzählen ihnen, dass sie nicht falsch sind – nur die anderen würden sie nicht verstehen. Diese Mechanismen sieht man auch im Film, sowohl bei den Eltern als auch bei der Tochter. Es geht oft um Einsamkeit und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Ich finde, man sollte solche Menschen nicht einfach abstempeln oder verurteilen, sondern ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind.
Der Film Journalist: „Jupiter“ läuft jetzt in den Kinos. Was hoffst du, nimmt man aus dem Kinobesuch mit?
Mariella Aumann: Ich würde mich freuen, wenn sich junge Menschen in der Figur Lea wiedererkennen. Sie ist ein bisschen tollpatschig, etwas eigen und nicht unbedingt cool – aber genau das macht sie für mich cool. Ich fände es schön, wenn der Film andere dazu ermutigt, ihre eigenen Besonderheiten mehr wertzuschätzen. Außerdem zeigt der Film eine Figur, die sich emanzipiert. Ich hoffe, dass junge Zuschauende daraus mitnehmen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen – unabhängig davon, was Eltern oder andere für richtig halten.
„Jupiter“ läuft seit dem 23. Januar im Kino
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