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Nach dem 3. Kinofest: Wie sieht es um die deutschen Kinos aus?

Am vergangenen Wochenende öffneten 770 Kinos in ganz Deutschland ihre Türen für das dritte bundesweite Kinofest. Über zwei Tage hinweg war es möglich, für lediglich fünf Euro sämtliche Filmvorstellungen und Säle zu besuchen – eine Verlockung, die nicht nur eingefleischte Cineasten, sondern auch ein breites Publikum angesprochen haben könnte. Werfen wir also einen genaueren Blick darauf, wie dieses Kinofest abgeschnitten hat, aber vor allem auch, wie es der Kinobranche aktuell geht.


Nach dem 3. Kinofest: Wie sieht es um die deutschen Kinos aus?
Bildnachweis: © Canva-Pro-Lizenz

Der Geruch von frischem Popcorn weht durch den Saal, der letzte Besucher nimmt Platz, schon öffnet sich der rote Vorhang und gibt dem Publikum den Blick auf die große Leinwand frei. Seit Ende des 19. Jahrhunderts begeistert die Lichtspielprojektion Groß und Klein auf der gesamten Welt. Vor nicht allzu langer Zeit war das Kino noch die einzige Möglichkeit, um groß produzierte Filme erleben zu können. Das Fernsehen war nicht wirklich Konkurrenz, da das Angebot, welches über die Bildschirme flimmerte, nicht den Anspruch einer aufwändigen Kinoproduktion verfolgte. Heute im Jahr 2024 ist das längst nicht mehr so. Hierzulande nutzt ein Haushalt inzwischen mindestens zwei Streaming-Abos und jeder Zehnte hat seinen eigenen Account bei Netflix. Waren Pay-TV- und Streaming-Abos lange eine Nische, sind sie nun ein fester Bestandteil des alltäglichen Entertainment-Konsums.


Die Zeit, in der neben der großen Leinwand, nur billig produzierte TV-Streifen eine Alternative zum Kinogang waren, gehören auch deshalb der Vergangenheit an, da Streaming-Pionier Netflix seit vielen Jahren Milliarden für neue hochqualitative Inhalte ausgibt. Als dann noch die Corona-Pandemie die Kinos zur temporären Schließung zwang, brachen die Kino-Ticketverkäufe um fast zwei Drittel ein. Auch, um die Menschen nach dieser Zeit wieder von der Magie der großen Leinwand zu überzeugen, wurde 2022 erstmals das Event-Wochenende „Das Kinofest“ ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Alle Filme. Alle Kinos. Nur 5 Euro pro Ticket“ zog das Kinofest direkt ein breites Publikum an. Über 1,1 Millionen Zuschauer strömten in die Kinos und genossen Filme zum reduzierten Preis. Auch im letzten Jahr konnte das Event trotz eines heißen Spätsommers beeindruckende Besucherzahlen verzeichnen.


Dieses Jahr haben sich nach Angaben der Initiatoren 770 Kinos am Kinofest beteiligt, und auch wenn es am vergangenen Wochenende noch einmal großartig warmes Spätsommerwetter gab und die Temperaturen vielerorts zwischen 30°C und 31°C lagen, war auch die dritte Kinofest-Ausgabe ein großer Erfolg, wie Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer von Cineplex, auf meine Anfrage hin berichtet: „Der Gesamtmarkt hat über 30 Prozent mehr Besucher gegenüber dem Vorjahresfest angezogen, und auch im Vergleich zu 2022 war es immer noch ein Plus von knapp 10 Prozent. Wir bei Cineplex haben besonders viel Arbeit in das Projekt gesteckt, was sogar mit einem Besucherplus von 43 Prozent gegenüber dem Kinofest im letzten Jahr belohnt wurde. In Summe waren es 1,14 Millionen Besucher am vergangenen Wochenende, wovon die Top 6 fast eine Million zu verantworten hatten.“


Kim Ludolf Koch erklärte, dass der Erfolg des Kinofests maßgeblich auf eine sehr gute Vorbereitung im Bereich PR und Social Media zurückzuführen sei, obwohl das verfügbare Werbebudget dieses Jahr knapper ausgefallen sei. Der TikTok-Account des Kinofestes zählt über 100.000 Follower, während der Instagram-Account immerhin 12.000 Abonnenten verzeichnet. Neben bekannten Influencern haben auch Schauspieler und Filmschaffende über diese Plattformen auf das bevorstehende Kinofest hingewiesen, was teilweise eine große Reichweite erzielen konnte. Besonders in Westdeutschland habe der WDR das Projekt unterstützt und auch Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, hat als Partner des Kinofestes auch ordentlich die Werbetrommel gerührt“, wie Koch die Berichterstattung bilanziert. Insgesamt bezeichnete er das diesjährige Kinofest als das bislang beste der drei Ausgaben und sah darin einen eindrucksvollen Beweis dafür, „dass die Branche mit diesem Konzept auf dem richtigen Weg ist“.


Nach dem 3. Kinofest: Wie sieht es um die deutschen Kinos aus?
Bildnachweis: © Canva-Pro-Lizenz

Doch auch wenn das Event-Wochenende ein Erfolg war, kämpft die Kinobranche weiterhin mit den Auswirkungen der Pandemie auf das Besucheraufkommen. Kim Ludolf Koch erklärt: „Im Juli und August des vergangenen Jahres begann der Siegeszug von Barbenheimer, der dann im August – zumindest in Bayern – mit dem achten Eberhofer fortgesetzt wurde. Dann wirkte sich der Streik der Drehbuchautoren und Darsteller extrem stark auf die Kinoergebnisse im letzten Quartal des Jahres aus.“ Dies hat zur Folge, dass die Besucherzahlen nach Angaben von Koch 21 Prozent hinter denen des Jahres 2019 und etwa 13 Prozent hinter den Werten des Vorjahres liegen.


Trotz dieser Rückstände zeigt sich Koch für das vierte Quartal des Jahres zuversichtlich: „Wir sind optimistisch, dass wir insbesondere in Q4 wieder Boden gutmachen können, um am Ende des Jahres mit einer fünfprozentigen Fehlertoleranz ein Ergebnis ähnlich dem des Vorjahres zu erreichen.“ Denn trotz allem meint Koch, dass breite Mainstreamtitel wie der Marvel-Blockbuster „Deadpool & Wolverine“ mit Ryan Reynolds und Hugh Jackman, der Pixar-Animationsfilm „Alles steht Kopf“ oder auch nicht zuletzt „Ich, einfach unverbesserlich“ nach wie vor gut funktionieren. Das Problem wäre vielmehr, dass, wenn eine Woche ohne neue, attraktive große Titel folgt, „der Besuch relativ schnell in die Knie“ geht.


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Bildnachweis: © Universal Pictures

Ein weiteres Problem, das Koch anspricht, betrifft die Verwertung von Kinofilmen: „Außerdem sehen wir, dass nicht alles, was fürs Kino produziert wird, hier auch ankommt.“ Besonders enttäuschend sei zuletzt die Entscheidung von Sony, den Thriller „Wolfs“ mit Brad Pitt und George Clooney nicht wie geplant in den Kinos zu zeigen. Der Film, der bei der Venedig-Premiere großes Lob erhielt und immerhin vier Minuten Applaus erhielt, wird stattdessen nur in einer einwöchigen Vorstellung in den USA gezeigt, bevor er am 27. September weltweit auf Apple TV+ veröffentlicht wird. Koch meinte dazu, dass es „eine Schande und zutiefst bedauerlich zugleich“ ist, „dass solche Filme dann als beiläufige Konsumware in der Mediathek der kleinen Bildschirme ihr Dasein fristen“.


Somit bilden Streaming-Dienste weiterhin eine bedeutende Herausforderung für das Lichtspielhaus, das stets aufs Neue unter Beweis stellen muss, dass es der beste Ort für das Filmerlebnis ist. Das Kinofest hat aber möglicherweise genau diesen Effekt auf diejenigen, die seit längerer Zeit nicht mehr im Kino waren. Es könnte sie dazu bewegen, wiederzukommen und neue Filme auf der großen Leinwand zu genießen. Diese Rückkehr zur klassischen Kinoerfahrung könnte der Schlüssel sein, um das magische Erlebnis der großen Leinwand neu zu entfachen – eine Erinnerung daran, dass die Essenz des Kinos, wie es am vergangenen Wochenende erlebbar war, trotz aller Konkurrenz unvergleichlich bleibt.

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