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XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“

Aktualisiert: 9. Aug.

Die Drachen erheben sich erneut, Intrigen weben ihre undurchsichtigen Netzwerke, und der Kampf um den eisernen Thron geht in die nächste Runde. Die komplette zweite Staffel des „Game of Thrones“-Ablegers „House of the Dragon“ ist nun erschienen – wie schlagen sich die acht neuen Episoden in diesem epischen Spiel um Macht und Verrat?


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Foto mit freundlicher Genehmigung von HBO

Mit der Ausstrahlung der finalen Episode von „Game of Thrones“ im Mai 2019 endete eine Ära, die das Fernsehen revolutionierte und Millionen von Zuschauern weltweit in ihren Bann zog. Die Serie, die auf George R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“-Romanreihe basiert, wurde zu einem kulturellen Phänomen, das Grenzen überschritt und über acht Staffeln hinweg unzählige Rekorde brach. Doch das kontroverse Ende der Serie, das viele Fans und Kritiker spaltete, hinterließ eine Mischung aus Faszination und Frustration, die die Welt von Westeros in einem unsicheren Licht zurückließ. Inmitten dieser Gemengelage aus Abschied und Aufregung begann HBO, nach Wegen zu suchen, um die Magie von Westeros wieder aufleben zu lassen.


Die Antwort kam in Form von „House of the Dragon“, einem Prequel, das sich auf die Geschichte des Hauses Targaryen konzentriert. Eine Serie, die versprach, zurück in die blutigen Intrigen und epischen Schlachten zu führen, die „Game of Thrones“ so beliebt gemacht haben. Die Entwicklung von „House of the Dragon“ begann bereits 2019, kurz nach dem Ende von „Game of Thrones“. George R.R. Martin selbst war eng in den Prozess eingebunden, zusammen mit den Showrunnern Ryan Condal und Miguel Sapochnik. Condal, bekannt für seine Arbeit an „Colony“, und Sapochnik, der einige der eindrucksvollsten Episoden von „Game of Thrones“ wie „Die Schlacht der Bastarde“ inszenierte, brachten ihre umfangreiche Erfahrung und ihr tiefes Verständnis für die komplexe Welt von Westeros in das Projekt ein.


Die erste Staffel, die zehn Episoden umfasst, erzählt die Vorgeschichte um das Haus der Drachen. Die Geschichte, die etwa 200 Jahre vor den Ereignissen der Hauptserie ihren Anfang nimmt, ist von George R. R. Martins Romanreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ inspiriert und basiert auf dem Buch „Feuer und Blut – Erstes Buch: Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen von Westeros“. Zentral geht es in der ersten Staffel von „House of the Dragon“ um die Vorgeschichte des Hauses Targaryen und einen aufkommenden Erbfolgekrieg, besser bekannt als der Tanz der Drachen. Die Pilotfolge von „House of the Dragon“ feierte ihre Premiere im August 2022 und die Resonanz war überwältigend.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Foto mit freundlicher Genehmigung von HBO

Innerhalb der ersten 24 Stunden verzeichnete die Episode weltweit knapp 10 Millionen Aufrufe, womit sie den erfolgreichsten Serienstart in der Geschichte von HBO markierte. Die überwältigende Resonanz, da auch Kritiker und Zuschauer begeistert waren, und die hohen Einschaltquoten führten dazu, dass HBO nur wenige Tage nach der Ausstrahlung der Pilotfolge eine zweite Staffel ankündigte. „House of the Dragon“ hatte sich direkt als würdiger Nachfolger von „Game of Thrones“ etabliert und nun steht die zweite Staffel an.


Darum geht es:


Die Nachricht von Lucerys Tod erreicht Rhaenyra und in ihrer brennenden Wut und tiefem Schmerz erwacht der Zorn einer Mutter. Sie weiß, dass sie nun handeln muss, um ihre Macht in Westeros nicht für immer zu verlieren. Die Schicksalsuhr tickt – Krieg scheint unausweichlich. Nach dem Tod von König Viserys I. stehen sich zwei mächtige Fraktionen gegenüber, jede erhoben in ihrem Anspruch auf den Eisernen Thron.


Die Rezension:


Obwohl wir die Existenz der Serie dem außergewöhnlichen Erfolg ihrer Vorgängerserie verdanken, und obwohl sie viele bekannte Schauplätze wieder aufsucht, ist „House of the Dragon“ vieles, aber keine bloße Fortsetzung eines bewährten Erfolgsschemas. Über die nunmehr 18 Episoden hinweg hat die Serie eine unverwechselbare Identität entwickelt, die sich in ihrer eigenen Atmosphäre und in den spezifischen Themen ausdrückt. Während „Game of Thrones“ als eine epische und eher breit angelegte Fantasyserie zahlreiche Kontinente, Orte und Kulturen erkundete, wobei verschiedene Menschengruppen um Macht kämpften und die wahre Bedrohung aus dem Norden herannahte, bietet „House of the Dragon“ von Anfang an eine intimere Erzählung. Zwar öffnet die Serie in der zweiten Staffel ihren Blickwinkel und zeigt eine weitreichendere Welt, doch bleibt sie im Kern eine Geschichte, die sich um das Haus des Drachen dreht.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Doch wer „Game of Thrones“ gesehen hat, weiß, wohin die Ereignisse von „House of the Dragon“, die 200 Jahre zuvor beginnen, unweigerlich führen müssen. Es ist, als ob wir auf einen unvermeidlichen Eisberg zusteuern, wissend, dass die Kollision unausweichlich ist. Aus dieser Vorahnung heraus gelingt es „House of the Dragon“, eine Serie zu schaffen, die zeigt, was möglich ist, wenn man das Publikum herausfordert, anstatt es mit glattgebügelten Geschichten und klassischen Genremustern zu bedienen. Mit behutsamer, bedächtiger und immersiver Erzählweise führte uns die erste Staffel in die Welt von „House of the Dragon“ ein, stellte uns die Figuren vor und eröffnete uns eine neue Perspektive auf das Universum von George R. R. Martin. Jetzt, da der König, der bisher alles zusammengehalten hat, nicht mehr da ist, beginnt das Ringen um den Thron – das Game of Thrones.


Dank des sorgfältigen Aufbaus der ersten Staffel entfaltet sich nun ein Drama, das zeigt, welche erzählerischen Türen eine Serie öffnen kann, sie bietet die Tiefe und den Raum, den weder Spielfilm noch Theaterstück bieten könnten. In der zweiten Staffel stehen wir am Vorabend eines Krieges. Junge, unerfahrene Männer aus Königsmund, die die Konsequenzen nicht erahnen, treiben auf den Krieg zu. Doch sobald die Gewaltspirale sich erst einmal in Bewegung setzt, ist es unmöglich, eine klare Antwort zu finden, wie es überhaupt noch dazu kommen konnte, da man nur noch von Rache zu Rache hetzt.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Die dritte Folge eröffnet mit einem idyllischen Bild – einer Mühle, die friedlich am Horizont dreht, einem plätschernden Bach und Jugendlichen, die ihre Schwerter wie Spielzeug nutzen, noch zu jung, um tödliche Folgen zu verstehen. Doch bald wird dieses harmonische Landschaftsbild von Blut getränkt. Eine düstere Vorahnung dessen, was diesem Reich droht, wenn niemand dem endlosen Kreisverkehr der Gewalt entkommt. Doch nicht nur einige Ratsmitglieder in Königsmund wissen um die Tragweite des drohenden Drachenkriegs; auch Rhaenyra Targaryen weiß es und wollte aus diesem Grund noch in der ersten Staffel den feurigen Krieg nicht entfesseln.


„Wenn der Wunsch zu töten und zu verbrennen die Oberhand gewinnt und die Vernunft vergessen wird, werden wir uns nicht einmal mehr daran erinnern, was den Krieg überhaupt ausgelöst hat.“

Mit ihren ledrigen Schwingen, die sich wie gewaltige Segel am Himmel ausbreiten, gleiten die mächtigen Körper durch die Lüfte. Mit beeindruckender Detailverliebtheit gelang es der Abteilung für visuelle Effekte, die Drachen zum Leben zu erwecken. Wunderschön ausgearbeitet und in den Bewegungsabläufen so flüssig und homogen sind die mythischen Wesen hier so lebensecht wie selten zuvor in Film und Fernsehen. Sahen die Drachen schon in „Game of Thrones“ faszinierend gut aus, zeigt „House of the Dragon“ seine titelgebenden Feuerspucker nochmals deutlich facettenreicher und auch das Sounddesign ist noch nuancierter, gerade auch, da jeder Drache individuell anders ist. Waren die Drachen in der ersten Staffel noch selten zu sehen, bekommen sie nun in der zweiten Staffel deutlich mehr Raum, um in aller visuellen Opulenz zu glänzen.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bild von Ollie Upton/HBO

Ob in einer Szene der knatternde Atem des riesigen Drachen Vermithor, oder das Schnauben von Vhagar – die visuelle Umsetzung der Drachen ist gigantisch gelungen und zeigt einmal mehr, dass es inzwischen technisch möglich ist, mehr als ein halbes Dutzend Drachen auf diesem visuellen Niveau umzusetzen. Für die Nahaufnahmen der Drachenreiter wurde eine Kamera eingesetzt, die mithilfe fortschrittlicher Robotik-Technologie präzise die Bewegungen des Drachengestells verfolgt. Dies ermöglicht eine noch intensivere Immersion in die Drachenflüge. Zudem ist die Kombination aus Blue-Screen-Technik und realen Set-Hintergründen, einschließlich der Berücksichtigung von Wind und anderen Umweltfaktoren, so perfekt abgestimmt, dass sie auf diesem Niveau bislang unerreichte Szenen schafft. Diese Sequenzen sind so packend und visuell opulent, dass sie auf der größt möglichen Leinwand betrachtet werden sollten, um ihr volles cineastisches Potenzial zu entfalten.


Doch hinter ihrer atemberaubenden Eleganz verbirgt sich eine zerstörerische Macht, die ihresgleichen sucht. Wenn sie ihre gewaltigen Kiefer öffnen, entladen sie ein Inferno, das alles in Asche verwandeln kann. Diese Drachen sind nicht nur Symbole der Herrschaft und des Stolzes, sondern auch Instrumente der Zerstörung – Massenvernichtungswaffen – die in den Händen der Konfliktparteien eine unvorstellbare Bedrohung darstellen. Sie besitzen das Potenzial, den Verlauf des Krieges zu entscheiden, eine neue Dimension der Zerstörung einzuleiten und genau deshalb werden sie in „House of the Dragon“ auch stets in dieser Ambivalenz zwischen imposanter Schönheit und dem Vernichtungspotential inszeniert.


„Die Drachen tanzen und die Menschen sind wie Staub unter ihren Füßen.“

Feuer, ähnlich wie Wasser, stellt nach wie vor ein Element dar, dessen digitale Nachbildung äußerst herausfordernd ist, um vom Betrachtenden als authentisch empfunden zu werden. Häufig ist es noch zu deutlich als CGI-Produkt erkennbar, wie zuletzt in der dritten Staffel der Netflix-Serie „Vikings: Valhalla“ deutlich wurde. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde für „House of the Dragon“ ein perfektes Hybrid aus echtem und digitalem Feuer geschaffen. Das digitale Feuer wird nur dann eingesetzt, wenn es sich visuell so gut kaschieren lässt, dass es nicht erkennbar ist; ansonsten kam tatsächlich echtes Feuer zum Einsatz. Beispielsweise wurden für eine Szene auf einem Schlachtfeld, in der Drachenfeuer auf die kämpfenden Soldaten niederprasselt, reale Feuereffekte verwendet. Das Set war immer wieder Schauplatz echter Explosionen, brennender Feuerbälle und auch brennender Stuntmen, wie in den Behind-the-Scenes-Videos dokumentiert ist.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Theo Whiteman/HBO

Auch die Burgen und ihre Innenräume in „House of the Dragon“ wurden mit außergewöhnlicher Detailgenauigkeit gestaltet. Die aufwändig errichteten Kulissen umfassen nicht nur prächtige Wandbemalungen und charakteristische Einrichtungsgegenstände, sondern ganze Burgen, deren Innenräume für die Serie neu erschaffen wurden. Besonders beeindruckend sind die handgemachten Requisiten, die in der Wandchronik sowie in zahlreichen Briefen und Dokumenten präsent sind und durch stundenlange, akribische Arbeit entstanden sind. Selbst die Leichname sind keine bloßen Puppen; für jeden sichtbar dargestellten Toten wurden echte Menschen gescannt, deren Gesichter anschließend detailgetreu in Puppen nachgefertigt wurden.


Diese Detailverliebtheit und der Anspruch, sich nicht mit dem Notwendigsten zufrieden zu geben, sind jederzeit spürbar. Immer wieder haben die Macher kreative Entscheidungen getroffen, die die visuelle Darstellung intensivieren und hochrealistisch gestalten, auch wenn diese Entscheidungen aufwändiger und teurer sind als CGI-Effekte. So wurden bei einer Szene, in der für wenige Augenblicke gehängte Personen gezeigt werden, teilweise echte Schauspieler eingesetzt, während die restlichen Figuren realistisch gefertigte Puppen waren. Die Schauspieler konnten durch speziell konstruierte, federnde Aufhängungen die Szene selbst spielen, was erst die Möglichkeit für so realistische Aufnahmen ermöglichte, bei denen die Kamera ganz nah an die vermeintlich toten Körper heranfährt. Das durchweg hervorzuhebende Maskenbildner-Team trägt schließlich seinen Teil dazu bei, dass diese Illusion perfekt wirkt.


Wer in der zweiten Staffel nach dem dramatischen Ende der ersten Staffel aber ein kriegerisches Spektakel voller actionreicher Szenen und feuerspeiender Drachen erwartet, wird bald feststellen, dass „House of the Dragon“ diesen Erwartungen nicht gerecht wird. Die Serie konzentriert sich vielmehr auf das feine Zusammenspiel von Taktik, Propaganda, Politik und persönlichen Schicksalen in einer Ära, die jederzeit in Feuer und Blut übergehen könnte und somit zu einem Massengrab für Unschuldige werden könnte. Diese Konsequenzen rücken in der zweiten Staffel verstärkt in den Fokus und zeigen vermehrt die Perspektiven der einfachen Bevölkerung – jener Menschen, die direkt unter dem Machtspiel leiden und gezwungen wären, in den Krieg zu ziehen.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Im Gegensatz zu den eindimensionalen Darstellungen in Monsterfilmen, in denen Titanen wie Godzilla oder Kong über Menschenmengen trampeln und Gebäude zerstören, wird die Welt außerhalb des Hauses Targaryen hier nicht als bloßes Beiwerk behandelt. Dies verleiht der Serie eine tiefere Komplexität und erhöht die dramatische Spannung. Zudem befindet sich die Serie erst in ihrer zweiten Staffel und die Geschichte wird noch über weitere zwei Staffeln hinweg weiterentwickelt. Daher haben wir den Höhepunkt des „Tanzes der Drachen“ noch nicht erreicht und die umfassende Erzählung hat noch viele Wendungen und Entwicklungen vor sich.


„House of the Dragon“ brilliert vor allem durch seine meisterhaft gestalteten Dialoge, die das wahre Rückgrat der Serie bilden. Showrunner Ryan Condal und sein Team verstehen es, Subtilität und Andeutungen auf eine Art und Weise zu inszenieren, die auch lange nach dem Abspann nachhallen. Es sind gerade die un­auf­fäl­ligen Sätze, die flüchtigen Gesten oder die unbeantworteten Fragen, die eine dichte Atmosphäre schaffen. Insbesondere in der zweiten Staffel treibt die Serie diese Kunstfertigkeit in der Sprache auf die Spitze und fordert damit ihr Publikum heraus. Zuschauende, die keine Freude an Charakterentwicklung und raffinierten Dialogen haben, könnten im Laufe der Staffel zunehmend enttäuscht werden und vergeblich auf actiongeladene Kämpfe oder gar Schlachten hoffen.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Theo Whiteman/HBO

Zwar mag man dies als langweilig empfinden, doch gibt es bereits eine Vielzahl anderer Filme und Serien, die sich ausschließlich auf spektakuläre Action konzentrieren. „House of the Dragon“ hingegen ist ein tiefgründiges Drama, das von komplexen Figuren und fesselnden Dialogen lebt. Diese Serie verlangt vom Zuschauenden die Bereitschaft, sich auf die Tiefe und Nuancen der Charaktere einzulassen. Daher offenbart die Kritik an dieser Erzählweise vielmehr, dass sich viele Zuschauer nicht im Vorfeld darüber im Klaren waren, welche Art von Serie sie erwartet, oder dass sie fälschlicherweise davon ausgegangen sind, „House of the Dragon“ würde die gleiche narrative Struktur wie „Game of Thrones“ verfolgen. Doch wie bereits angedeutet, entfaltet „House of the Dragon“ seine eigene, unverwechselbare Erzählweise.


Insgesamt präsentiert sich „House of the Dragon“ auch in seiner zweiten Staffel als eine Serie mit einem bedächtigen Erzählrhythmus, der zwar an manchen Stellen beschleunigt wird, jedoch niemals in Hektik verfällt. Die Serie nimmt sich stets die nötige Zeit für bedeutende Momente. Die bereits in der ersten Staffel beeindruckende Kameraarbeit ist auch hier von akribischer Detailverliebtheit geprägt. Sie fängt präzise Blickwinkel, subtile Bewegungen und Gesten ein und bleibt in entscheidenden Dialogszenen ruhig, wobei sie sich ausschließlich auf Schnitt und Gegenschnitt konzentriert.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Das Spiel mit Blickwinkeln, das Verweilen auf Augenbewegungen und mehr bleibt ein herausragendes Merkmal der Serie. Dieses visuelle Erzählen verdeutlicht viele Aspekte, ohne sie explizit in Dialoge verpacken zu müssen, was an einigen Stellen besonders wirkungsvoll ist. Um diese tiefgreifende Stimmungen und Atmosphären vollständig auszukosten, nimmt sich die Serie die notwendige Zeit. Die exzellente Kameraarbeit, gepaart mit ausgeklügelter Beleuchtung, vollbringt erneut eine Meisterleistung. Neben der Kameraarbeit ist gerade auch die musikalische Untermalung von Ramin Djawadi das Herzstück der Serie.


Der Soundtrack von „House of the Dragon“ ist eine durchweg gelungene Fortsetzung Djawadis Arbeit in „Game of Thrones“, mit bekannten musikalischen Motiven, die nostalgische Erinnerungen wecken, sowie neuen Kompositionen, die die einzigartige Geschichte der neuen Serie untermalen. Djawadi verwendet eine Mischung aus orchestralen Elementen und mittelalterlichen Instrumenten, um eine klangliche Kulisse zu schaffen, die sowohl majestätisch als auch bedrohlich wirkt. Besonders hervorzuheben sind die thematischen Leitmotive, die Djawadi jedem wichtigen Charakter oder wichtigen Handlungselement zuordnet. Diese Motive helfen dem Zuschauenden, sich in der komplexen Handlung zurechtzufinden und die emotionalen Nuancen der Charaktere zu verstehen.


So reflektiert die Musik etwa die Machtkämpfe, Intrigen und das unausweichliche Schicksal der Targaryens auf packende Weise. Darüber hinaus verwendet Djawadi dynamische Rhythmen und eine breite Palette von Klängen, um die Spannungen und Konflikte in der Serie zu verstärken. Die Musik baut atmosphärische Spannung auf und unterstreicht die Dramatik der Schlachten, Intrigen und politischen Machenschaften, die im Zentrum der Handlung stehen. Djawadis Kompositionen tragen wesentlich dazu bei, die emotionale Tiefe und den epischen Umfang der Serie zu vermitteln und bieten ein vertrautes, wie gerade auch in der zweiten Staffel doch wirklich frisches Klangerlebnis.


Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Das gelingt auch deshalb so wirkungsvoll, weil das Ensemble diese Momente in vollen Zügen auskostet. Die Bewegungen sind selten groß und hastig, vielmehr entwickeln die Schauspielenden ihre Figuren mit gleicher Bedachtsamkeit wie die Serie selbst. Sie setzen präzise Betonungen in ihren Dialogen und gestalten ihre Rollen so authentisch, dass im Laufe der Zeit und besonders in der zweiten Staffel Figuren entstanden sind, die so lebensecht wirken, dass man ihnen jede Handlung abnimmt – selbst wenn man sich selbst in vergleichbaren Situationen ganz anders verhalten würde.


„Wir kommen an den Punkt, wo nichts von all dem von Belang ist, an dem der Drang zu töten uns ergreift und wir alle Vernunft fahren lassen.“

In der ersten Staffel zierte Milly Alcock als junge Rhaenyra das Cover-Motiv, nun zeigt es Olivia Cooke und Emma D’Arcy, die die Erwachsenen-Versionen von Rhaenyra und Alicent ab der sechsten Episode übernahmen. Sie symboliesieren die beiden verhärteten Konfliktparteien der Serie: Die Schwarzen um Rhaenyra und ihren unerschütterlichen Onkel Daemon, pochen darauf, dass Viserys seine Tochter seit jeher als seine rechtmäßige Nachfolgerin bestimmt hat. Die Grünen hingegen, unter der Führung von Viserys Sohn Aegon II. und seiner ehrgeizigen Mutter Alicent, berufen sich auf die letzten Worte des sterbenden Königs, die ihnen die Legitimität verleihen sollen. Schwarz oder grün, Königin Rhaenyra oder König Aegon II. – die Adelshäuser von Westeros müssen sich entscheiden, auf welche Seite sie ihre Banner heben.


Olivia Cookes Alicent Hohenturm, die sich vom tugendhaften Kind der Hand des Königs zur Königin und nun zur Königinmutter entwickelt hat, ist in der zweiten Staffel zunehmend isoliert und gezwungen, ohne ihren verstorbenen Ehemann Viserys zurechtzukommen, während ihre Beziehung zu ihren Söhnen immer mehr auseinanderbricht. Alicent steht vor der Herausforderung, sich selbst und ihre Rolle in diesem Machtspiel neu zu definieren. Olivia Cooke bringt diese innere Zerrissenheit mit großer Nuanciertheit und Intensität auf die Leinwand, was ihre Darstellung besonders einnehmend macht.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Theo Whiteman/HBO

Emma D’Arcy hingegen verkörpert Rhaenyra mit bemerkenswerter Vielschichtigkeit. Sie zeigt eine entschlossene Kämpferin, die bestrebt ist, ihren rechtmäßigen Platz auf dem Thron zurückzuerobern, dabei jedoch nicht kalt oder rücksichtslos ist. Rhaenyra strebt danach, einen Krieg und das Töten Unschuldiger zu vermeiden, was ihre Konflikte zusätzlich verstärkt. Die Frage, ob sie sich als Frau in einer von Männern dominierten Welt behaupten kann und ob ihre männlichen Verbündeten zu ihr stehen, bleibt ein zentrales Thema.


Olivia Cooke und Emma D’Arcy schaffen auf ihre jeweils einzigartige Weise zwei faszinierende Frauenfiguren innerhalb des „Game of Thrones“-Universums. Ihre Darstellungen integrieren geschickt feministische Botschaften und subtile Untertöne, die sich mit den vorherrschenden patriarchalen Strukturen auseinandersetzen. Dies unterstreicht einmal mehr, dass „House of the Dragon“ in seinem Fantasy-Korsett auch Raum für zeitgemäße Themen im historischen Gewand bietet.


„Vielleicht sind alle Männer verdorben und wahre Ehre ist ein Nebel, der sich am Morgen auflöst“

Apropos starke Frauenrollen: Eve Best verkörpert als Rhaenys Targaryen, die Königin, die sie niemals war, eine beeindruckende Figur, die tatsächlich starke Frau im Hintergrund, die immer wieder als unsere moralische Instanz fungiert und zum Nachdenken anregt. Ebenfalls zum Nachdenken regt immer wieder die auf den ersten Blick unauffällige Phia Saban als Helaena Targaryen an, die oft kryptisch und undurchsichtig wirkt, aber immer wieder zeigt, dass gerade sie mehr Durchblick hat als all jene, die scheinbar normal sind. Rhys Ifans faszniniert wieder als Otto Hohenturm. Er bewegt sich mit einer gewissen Eleganz und Autorität. Er hält sich sehr gerade und strahlt Selbstbeherrschung und Kontrolle aus. Seine Bewegungen sind ruhig und berechnend, was seine kühle und kontrollierte Persönlichkeit unterstreicht.


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Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Er spricht mit einer tiefen, langsamen und betonten Stimme, wodurch er jede Szene für sich einnimmt. Gerade seine Szenen mit Tom Glynn-Carney, der als Aegon zwischen jugendlichem Leichtsinn und einer etwas humoristischen Ader einen völlig anderen König nach Viserys bietet, sind äußerst unterhaltsam. Aegons Bruder Aemond ist dagegen weitaus weitsichtiger, aber dadurch auch deutlich gefährlicher und Ewan Mitchell gibt der Figur stets eine unheimliche Aura, verstärkt durch seine gruselige Optik. Während Aegon leicht zu durchschauen zu sein scheint, stellt sich im Verlauf der Handlung bald die Frage, was eigentlich die Motivationen von Aemond sind und wie weit er gehen würde.


Matt Smith war als Daemon Targaryen ein absoluter Publikumsliebling der ersten Staffel. In der zweiten Staffel wird er allerdings einen Handlungsstrang einschlagen, der die Gemüter spaltet, sicher auch einigen nicht gefällt und tatsächlich wird das, was Daemon in dieser Staffel durchmachen muss, auch sehr langsam, schwerfällig und langgezogen erzählt. Dieser Handlungsstrang um Daemon hätte durchaus etwas straffer sein dürfen. Andererseits ist das, was Daemon in der zweiten Staffel letztlich erreicht, durch die ausführliche Vorbereitung umso wirkungsvoller und für den ambivalenten Charakter umso glaubhafter. Und auch wenn dieser Handlungsstrang etwas repetitive Züge annimmt, gibt es erstens überraschende Schauspieler, die Fans der ersten Staffel erfreuen dürften, und zweitens spielt Matt Smith seine Entwicklung in großartiger Art und Weise.


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Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Während Steve Toussaint als Lord Corlys Velaryon in der zweiten Staffel etwas weniger präsent ist, glänzt er dennoch in einigen kraftvollen Schlüsselszenen. Im Gegenzug rückt Sonoya Mizuno als Mysaria stärker in den Mittelpunkt. Sie fügt der Serie eine weibliche Figur hinzu, die in den Netzwerken des einfachen Volkes ebenso versiert ist wie ihre männlichen Gegenparts und entwickelt eine besondere Beziehung zu Rhaenyra. Fabien Frankel war als Ser Kriston Kraut lange Zeit eine recht eindimensionale Figur mit generischen Motivationen. Doch ein zentrales Ereignis in der Mitte der Staffel transformiert den Charakter erheblich und Frankel offenbart gegen Ende der zweiten Staffel zunehmend vielschichtige Facetten, die die Wirkung der Figur erheblich vertiefen.


Während die Kinder, die in der ersten Staffel geboren wurden, noch zu jung waren, um eine bedeutende Rolle zu spielen, nehmen sie in der zweiten Staffel zunehmend mehr Raum ein. Es wird immer spannender, die Nachkommen zu beobachten. Hier sei jedoch klar betont, dass die deutschen Synchronsprecher bei den jungen Schauspielern, nicht das sprachliche Niveau der Originalversion erreichen. Daher ist es insgesamt empfehlenswert, die Serie im Originalton anzusehen.


Harry Collett scheint als Rhaenyras ältester Sohn, Jacaerys Velaryon, ihr perfekter Erbe zu sein. Pflichtbewusst, gutmütig, ehrgeizig und durchsetzungsfähig – all diese Eigenschaften könnten ihn zu einem guten König machen. Im Verlauf der zweiten Staffel entwickelt auch er jedoch faszinierende Charaktereigenschaften. Bethany Antonia bleibt als Daemons Tochter Baela Targaryen etwas blass; ihre Figur deutet zwar einiges an, tritt aber wieder in den Hintergrund und agiert vorwiegend in Kombination mit Jacaerys, ohne sich selbst weiterzuentwickeln. Ihre Schwester Rhaena Targaryen, von Phoebe Campbell mitreißend emotional gespielt, ist zwar deutlich seltener zu sehen, jedoch durch ihre beeindruckende Mimik bereits sehr spannend angelegt und nicht zuletzt ihre letzte Einstellung im Staffelfinale verspricht Großes.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Foto mit freundlicher Genehmigung von HBO

Die zweite Staffel entfaltet sich stellenweise mit einer Intensität, wie sie in der Welt von George R. R. Martin bisher nie erreicht wurde, doch wechselt die Serie immer wieder zwischen leidenschaftlichen Höhepunkten und ruhigen Momenten, wobei die Spannung oft in den feinen Nuancen und Dialogen liegt. Ob dies dem persönlichen Geschmack entspricht, bleibt eine subjektive Frage, da sich die zweite Staffel doch von der ersten unterscheidet, was bereits zu Beginn offensichtlich wird: Das Intro wurde verändert. Während das vorherige Eröffnungsintro eine animierte Darstellung des Targaryen-Stammbaums zeigte – mit blutigen Rinnen, die sich durch ein mechanisches Modell eines riesigen Baumes schlängelten und Machtkämpfe symbolisierten – präsentiert sich die zweite Staffel mit einem neuen, helleren, jedoch nicht weniger blutigen Intro.


„Der Targaryen, der auf dem Eisernen Thron sitzt, ist nicht nur ein König oder eine Königin. Er ist ein Beschützer des Reiches.“

Statt der „Stein-und-Blut-Stammbaum“-Sequenz sehen wir nun ein Eröffnungsintro, das an einen mittelalterlichen Wandteppich erinnert, in dem sich die Geschichte wie ein sich selbst stickender Teppich entfaltet. Dieses metaphorische Intro, das dem Geist der Romanvorlage „Feuer und Blut“ entspricht, zeigt, wie Blut Drachen und Feuer geschaffen hat, und wie durch das Drachenfeuer neues Blut vergossen wird.


XXL-Kritik zur 2. Staffel von „House of the Dragon“
Bildnachweis: Bild von Ollie Upton/HBO

Der Introteppich verwebt Ereignisse und Details der Welt, reflektiert sowohl das Vergangene als auch das Zukünftige und fließt mit roter Farbe, die unaufhaltsam über den Teppich strömt. Alles wird in dem Blut ertränkt, das bereits vergossen wurde und, wie das Bild suggeriert, weiter vergossen wird.


Fazit:


Wie schon die erste Staffel ist auch die zweite Staffel von „House of the Dragon“ eine audiovisuelle Wucht, die sowohl filmisch als auch erzählerisch neue Höhen erreicht und dennoch noch Raum für Weiterentwicklung lässt. Diese Staffel ist in gewisser Hinsicht nicht für jeden Geschmack geeignet, doch wer sich darauf einlässt, wird mit atemberaubenden Bildern, wunderschönen Kostümen, einer handwerklichen Meisterleistung und einem schauspielerisch herausragenden Intrigenspiel um Macht und Krieg belohnt – eine Qualität, wie sie wohl nur von HBO geboten werden kann.


9 von 10 Punkten


>>> STARTTERMIN: Ab dem 05. Juli 2024 komplett auf WOW.


Weitere Informationen zu „House of the Dragon“:

Genre: Historiendrama, Action

Produktionsjahr: 2023

Laufzeit: 8 Episoden zwischen 53 Minuten und 1 Stunde und 6 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Alan Taylor, Clare Kilner, Geeta Patel, Andrij Parekh und Loni Peristere

Drehbuch: Ryan J. Condal, Sara Hess, David Hancock, Ti Mikkel und Eileen Shim

Besetzung: Emma D’Arcy, Olivia Cooke, Matt Smith und viele mehr ...


Trailer zu „House of the Dragon“:




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