Welch ein Skandal: Eine PR-Firma wird beschuldigt, die Bewertungen auf der beliebten Filmkritikplattform Rotten Tomatoes manipuliert zu haben. Dabei geht es nicht nur um gekaufte Lobeshymnen für Bruce Willis-Filme und dubiose Positiv-Stimmen für „Ophelia“, sondern auch um die grundlegende Frage, ob Filmkritiker-Plattformen viel zu anfällig für Manipulationen sind. Was aber genau dahintersteckt, wird im folgenden Artikel behandelt.
Rotten Tomatoes ist ein beliebter Bewertungs-Aggregator, der am 12. August 1998 von Senh Duong als Hobby-Projekt gestartet wurde. Mittlerweile ist es eine der bekanntesten Filmkritik-Websites weltweit und hat sich zu einer vertrauenswürdigen Quelle für Filmbegeisterte entwickelt. Die Website bietet umfassende Informationen zu Filmen, darunter Bewertungen von Kritikern und Publikum, Trailer, Handlungsbeschreibungen und Hintergrundinformationen zu Schauspielern und Regisseuren.
Eine der einzigartigen Eigenschaften von Rotten Tomatoes ist das berühmte Tomatometer, ein Aggregat der Kritikerbewertungen. Dieses System gibt an, wie viele Kritiker einen Film positiv oder negativ bewertet haben und liefert so einen schnellen Eindruck von der allgemeinen Rezeption eines Films. Die Webseite unterteilt die Bewertungen in „fresh“ für positive Kritiken und „rooten“ für negative, wodurch Nutzer leicht erkennen können, wie gut ein Film bei Kritikern abschneidet.
Das Vulture-Magazin, eine eigenständige Popkultur-Sektion des New York Magazine, hat kürzlich einen bemerkenswerten Artikel über Rotten Tomatoes veröffentlicht. Dieser trägt den Titel „Der Zerfall von Rotten Tomatoes: Die am meisten überschätzte Metrik für Filme ist unbeständig, reduktiv und leicht manipulierbar — und hat dennoch Hollywood im Griff“. Doch hinter der langen und verschachtelten Überschrift steckt nicht nur eine Recherche zu gekauften Kritiken, sondern auch die Frage, wie viel Macht der Tomatometer eigentlich auf Hollywood hat.
Im Jahr 2018 übernahm die PR-Agentur Bunker 15 die Vermarktung der feministischen Neuadaption von Hamlet, „Ophelia“, mit Daisy Ridley in der Hauptrolle. Durch gemischte Kritiken erhielt der Film anfangs nur eine Bewertung von 46 Prozent auf Rotten Tomatoes, was ihm das Etikett "rotten" einbrachte. Recherchen von Vulture legen nahe, dass Bunker 15 daraufhin versuchte, das Tomatometer zu beeinflussen, indem sie unbekannte Kritiker rekrutierten und möglicherweise für positive Bewertungen entlohnten. Tatsächlich fügte Rotten Tomatoes später eine Reihe positiver Bewertungen hinzu, was die Gesamtbewertung auf 62 Prozent anhob.
Daisy Ridley in „Ophelia“:
Bildnachweis: ©Covert Media
Laut dem Vulture-Bericht soll die PR-Firma gezielt obskure und oft selbst veröffentlichte Kritiker kontaktiert haben, um positive Filmrezensionen zu erhalten. Dieser Ansatz lässt sich damit begründen, da festangestellte Kritiker bei etablierten Magazinen viel zu verlieren hätten. Wenn sie von einem großen Magazin für eine gekaufte Filmkritik angefragt würden, könnte dies zu einem erheblichen Imageschaden für die PR-Firma führen, wenn ihre fragwürdigen Praktiken öffentlich aufgedeckt werden.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass diese Taktik laut der Recherche von Vulture hauptsächlich kleinere Produktionen betrifft, die sich mit einem positiven Tomatometer-Ergebnis sehr viel erhoffen. Denn Filme wie „Ophelia“ und der im letzten Jahr herausgekommene Action-Thriller „Gasoline Alley“, bei dem ähnliche Vorwürfe im Raum stehen, wurden hierzulande nicht einmal im Kino gezeigt und ausschließlich auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.
Trotz bereits erfolgter Reaktionen seitens Rotten Tomatoes, bei denen einige der zuvor kritisierten nachträglich hinzugefügten positiven Kritiken entfernt wurden, bleibt der Bericht bestehen, dass der Tomatometer als alleiniger Maßstab für Filmqualität unzureichend ist. Dies resultiert aus seiner simplen Einteilung in positiv oder negativ, welche die Nuancen und Vielschichtigkeit von Filmkritiken vernachlässigt.
Bruce Willis in „Gasoline Alley“:
Bildnachweis: ©2022 EuroVideo Medien GmbH
Während der Tomatometer einen groben Überblick über die allgemeine Rezeption eines Films bieten kann, sollte er keinesfalls als Ersatz für das Lesen fundierter Filmkritiken angesehen werden, um ein wirklich umfassendes Bild von dessen Qualität zu erhalten. Es ist wichtig zu betonen, dass Zahlen allein wenig über die tatsächliche Qualität eines Films aussagen und dass Filme mit denselben Punktzahlen nicht zwangsläufig auf demselben Niveau liegen. Daher ist es in Zukunft unabdingbar, Filmkritiken als Quelle für eine umfassende Bewertung heranzuziehen.
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