Im Jahr 2018 brachte die US-amerikansiche Schriftstellerin und Zoologin Delia Owens ihren vierten Roman „Where the Crawdads Sing“ heraus. Eine Geschichte über ein Mädchen, dass ganz allein in der Wildnis des Marschlandes aufwächst. Die heute 73-jährige Autorin lebte selbst viele Jahre in Abgeschiedenheit weit weg aller Zivilisation und konnte deshalb die Schwierigkeiten im Leben in der Natur sehr gut schildern. Durch ihre Kentnisse über die Natur auch für diese begeistern.
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Ihr Buch, welches in Deutschland im Jahr 2019 erstmals verlegt wurde, entwickelte sich zu einem globalen Bestseller-Phänomen. Schnell interessierten sich Filmemacher am Stoff des Romans und Sony Pictures stellte ein Budget von 24 Millionen US-Dollar für eine Verfilmung. Die Studios 3000 Pictures und Hello Sunshine begannen daraufin mit der Produktion und konnten schon bald in Olivia Newman ihre Regisseurin finden, für die Hauptrolle wurde Daisy Edgar-Jones gecastet.
Darum geht es:
Anfang der 50er Jahre wuchs Catherine „Kya“ Clark mit ihren älteren Geschwistern und Eltern in einer kleinen Hütte im Marschland von North Carolina auf. Doch ihr Vater war dem Alkohol verfallen und vergaß sich nach dem Trinken. Als er eines Tages seine Frau und Kyas Mutter verprügelte, nahm sie in Nacht und Nebel Reißaus.
Da der Vater nicht umgänglich war, verließen auch alle anderen Geschwister mit der Zeit die Hütte. Irgendwann war Kya mit dem missbräuchlichen Vater allein in der Hütte. Der Alltag mit ihm war schwer erträglich, besser sie wich ihm aus. Doch irgendwann war auch er einfach weg und das junge Mädchen war völlig allein im Marschland. Um wieder an Maisgrieß und Benzin für ihr kleines Boot zu gelangen, beginnt sie Muscheln auszugraben, die sie dann im kleinen Landladen von Jumpin' und Mabel Madison verkauft. Das gutmütige afroamerikanische Paar meint es gut mir ihr und sie versuchen, ihr zu helfen.
Jumpin' und Mabel Madison versuchen Kya zu helfen...
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Doch damit sind sie allein. Alle anderen, die Stadtbewohner von Barkley Cove, interessieren sich nicht für das Schicksal des jungen Mädchens im Marschland. Sie nennen sie das Marschmädchen und erzählen sich allerlei Schauermärchen über sie, die zwischen Mensch und Affe ein halber Wolf geworden sein soll...
Dem ist nicht so, die junge Kya beginnt, für sich zu sorgen und in der Natur zu überleben. Sie muss sich selber großziehen und wird eine scharfsinnige wie widerstandsfähige junge Frau. Dabei trifft sie auf den Jungen Tate, der ihr helfen will. Er bringt ihr Lesen und Schreiben bei, sie durchforsten die Bibliothek und wollen alles über das Leben der Natur wissen. Sie kommen sich näher und verlieben sich. Währenddessen beginnt sie zu malen, zeichnet die Tiere und Pflanzen des Marschlandes. Jahre später steht sie vor Gericht, des Mordes angeklagt, die Staatsanwaltschaft fordert Todesstrafe. Doch ist sie die Mörderin, die die Gesellschaft in ihr sehen möchte, wirklich?
Die Rezension:
Das Buch umfasst knapp 500 Seiten, das Drehbuch selbstverständlich deutlich weniger. Drehbuchautorin Lucia Aliba setzt die Liebesgeschichte in den Fokus, versucht die faszinierende Natur des Marschlandes nicht zur Randnotiz verkommen zu lassen, was ihr größtenteils gelungen ist. Die Kindheit zu beleuchten, war dann doch etwas holprig. In wenigen Szenen wird abgehandelt, wie Kyas Vater die Familie zerstört und letztlich selbst verschwindet. Als kleines Kind allein in der Natur zu überleben ist eine Herausforderung, die der Film nur kurz anschneidet.
Kya gräbt Muscheln aus und läuft daraufhin barfuss und dreckverschmiert zum Laden von Jumpin' und Mabel. Wie sich ihr Überlebenskampf darstellte, wird danach nicht weiter thematisiert. Dreckig macht sich Kya im weiteren Verlauf auch nicht mehr und die Inszenierung setzt anstatt des Realismus' auf eine romantisierende Erzählweise. So trägt die hübsche Frau für den Sumpf völlig unpraktische Kleidung, und man setzte auf ein modisch ästhetisches Auftreten.
Kya gräbt im Marschland Muscheln aus...
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Zwischen ausschweifenden Kamerafahrten durch das Marschland und einer wendungsreichen Liebesgeschichte, die dem Zuschauer immer wieder Enttäuschungen und romantische Glücksmomente bereithält, erzählt der Film in seiner ersten Hälfte eine rührselige Geschichte, aber auch etwas kitschig. Mit der Zeit gelingt es der Inszenierung von Regisseurin Olivia Newman dann aber, die Geschichte sowohl im Romantischen, Spannenden, wie Dramatischen atmosphärischer werden zu lassen.
„Der Gesang der Flusskrebse“ nimmt uns mit ins Marschland und erzählt von einem Mädchen, dass alleine in der Wildnis lebt, immer wieder verlassen und enttäuscht wird, doch sich nie unterkriegen lässt. Die britische Schauspielerin Daisy Edgar-Jones schlüpfte in die Hauptrolle der Catherine „Kya“ Clark, die von der Natur und ihren Gesetzen lernt und um die Geheimnisse des Sumpfes weiß.
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Das Marschland ist alles für sie und sie will es um keinen Preis der Welt verlassen. Daisy Edgar-Jones spielt eine sensible, neugierige und in sich gekehrte junge Frau. Allen Widerständen und Konventionen der Gesellschaft zum Trotz, verbiegt sie sich nicht und hält ihre Lebensweise in der Wildnis aufrecht. Leicht wird es ihr aber nicht gemacht und so schafft Daisy Edgar-Jones eine vielschichtige Darstellung voller feinen Nuancen - zwischen Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit.
„Ich habe sie nie gehasst, sie haben mich gehasst. Sie wollen, dass ich um mein Leben flehe - das werde ich nicht!“
Über Kya hinaus wurden die Figuren nur recht oberflächlich angelegt. John Smith (Tate Walker) und Harris Dickinson (Chase Andrews) übernahmen die Rollen zweier junger Männer, die Kya nahe kommen werden. Und beide haben recht durchsichtige Motive - wer der Sympathische und wer der Unsympathische ist, ist klar erkenntlich.
David Strathairn ist in „Der Gesang der Flusskrebse“ als Tom Milton zu sehen, der trotz seiner Pensionierung in seinen Beruf als Anwalt zurückkehrt, um vor Gericht für Kya einzustehen. Der Handlungsstrang um die Schuldfindung rahmt in gewisser Weise die Geschichte ein. Sie beginnt mit der Verhaftung von Kya, bevor die Erzählung dann immer wieder in die Vergangenheit springt. Nach brisanten Ereignissen wechselt die Erzählung wieder in die Gegenwart in den Gerichtssaal.
Kya und Tom Milton - Die Angeklagte und ihr Verteidiger:
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Zum Ende hin versucht der Film die erzählte Geschichte rund abzuschließen, macht aber den Fehler, noch all das anführen zu wollen, mit dem die Buchvorlage endete. So landen wir letztlich in einem Zeitraffer der Geschehnisse, der weder Raum noch Zeit lässt, um die Szenen entfalten zu können. Ein sonst emotionaler Todesfall geht so völlig unter...
Fazit:
Anfang und Ende der Verfilmung lassen doch sehr deutlich bemerken, dass eine umfangreiche Buchvorlage basierend war. Sie zu adaptieren gelang dennoch größtenteils und der Film kann für die Geschichte begeistern, vielleicht wird das Bestseller-Phänomen nach Erscheinen des Films sogar noch größer. Man sollte in der Geschichte nicht all zu viel Realismus erwarten, mehr wurde auf ästhetische Bilder geachtet, die eine rührselige Geschichte um Liebe, Natur und die Gesetze der Gesellschaft erzählen.
6 von 10 Punkten
„Der Gesang der Flusskrebse“ startet am 18. August 2022 in den Kinos.
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