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Friederike Becht im Interview zu „Im Rausch“: „Der Film regt an, über den eigenen Umgang mit Alkohol nachzudenken“

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • 20. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

„Besonders gereizt hat mich die Frage, ob es mir gelingt, Katjas inneren Tumult spürbar zu machen“, erzählt Friederike Becht im Interview zum neuen ZDF-Film „Im Rausch“, der das Thema Alkoholsucht behandelt.


Friederike Becht im Interview zu „Im Rausch“: „Der Film regt an, über den eigenen Umgang mit Alkohol nachzudenken“
Bildnachweis: © ZDF und Oliver Vaccaro

Alkohol ist tief in unserer Kultur verankert: Er gehört zum Feiern wie zum Alltag, steht für Geselligkeit, Entspannung oder Trost. Doch wo für manche ein Glas Wein oder Bier kaum mehr als ein Ritual ist, beginnt für andere eine gefährliche Abwärtsspirale. Abhängigkeit entwickelt sich oft schleichend, betrifft nicht nur die Betroffenen selbst, sondern prägt auch Familien, Freundschaften und das berufliche Umfeld. Genau hier setzt das ZDF-Drama „Im Rausch“ an. Der Film von Regisseur Mark Schlichter erzählt die Geschichte zweier Menschen, die im Strudel aus Sehnsucht, Druck und Suchtverhalten aneinander Halt suchen – und daran zu zerbrechen drohen. Nach seiner Festivalpremiere 2024 erreicht das Werk nun ein breites Publikum: Schon jetzt ist „Im Rausch“ in der ZDF-Mediathek abrufbar, am 29. September 2025 steht zur Primetime die Ausstrahlung an.


Friederike Becht übernimmt in „Im Rausch“ die Rolle der Journalistin Katja, die nach der Zensur eines ihrer Artikel in eine gefährliche Abhängigkeit gerät. Zwischen beruflichem Druck, privater Eskalation und einer Begegnung mit dem gescheiterten Geschäftsmann Eddi entsteht eine zerstörerische Dynamik. Während Katja eine Reportage über Alkoholsucht plant, verstrickt sie sich zugleich tiefer in die Abhängigkeit. Kurz vor der TV-Premiere habe ich mit ihr über die Herausforderungen der Rolle, den gesellschaftlichen Blick auf Sucht und ihre persönlichen Gedanken zum Thema gesprochen.


Der Film Journalist: Was hat Dich gereizt, bei einem zur besten Sendezeit ausgestrahlten ZDF-Film mitzuwirken, der dieses Thema ins Zentrum rückt und wie vertraut warst Du zuvor mit der Problematik?


Friederike Becht: Ich wusste bei meiner Zusage für das Projekt nichts von der Sendezeit, freue mich aber sehr, dass der Film mit diesem wichtigen Thema so prominent platziert ist. Ich denke, dass viele Menschen sich im gesellschaftlichen Leistungsdruck, den hohen Erwartungen und der inneren Erschöpfung wiederfinden können- und ich finde, der Film regt an, über den eigenen Umgang mit Alkohol nachzudenken.


Der Film Journalist: Regisseur Mark Schlichter hat offen über seine frühere Alkoholabhängigkeit

gesprochen; gemeinsam mit Laila Stieler schrieb er das sehr persönliche Drehbuch zu „Im Rausch“ und führte selbst Regie. Wie hast Du die Zusammenarbeit mit ihm erlebt und inwiefern hat seine Perspektive die Dreharbeiten geprägt?


Friederike Becht: Man sagt ja oft jungen Filmschaffenden nach, dass sie neugierig, unerschrocken, experimentierfreudig und energiegeladen sind – aber genau diese Energie habe

Friederike Becht im Interview zu „Im Rausch“: „Der Film regt an, über den eigenen Umgang mit Alkohol nachzudenken“
Bildnachweis: © ZDF und Oliver Vaccaro

ich bei Mark Schlichter und Charlie Koschnick [Kameramann] gespürt, obwohl sie schon so lange im Filmbusiness arbeiten haben sie diese Energie nicht verloren. Das hat mich eingeladen, auszuprobieren und eigene Ideen einzubringen, auch wenn klar war, dass Mark am Ende die Richtung vorgibt. Es war spürbar, wie persönlich die Geschichte für ihn ist, und ich bin dankbar für seine Leidenschaft und Offenheit. Diese Mischung aus Erfahrung, überraschend jugendlicher Neugier und persönlicher Verbundenheit hat die Dreharbeiten für mich zu einem, wenn auch anstrengenden, aber doch sehr lebendigen und künstlerisch vielschichtigen Prozess gemacht.


Der Film Journalist: Zuletzt sah man dich in „Vena“, wo Du als Hebamme einer suchtkranken, schwangeren Frau beistehst; nun verkörperst Du die alkoholabhängige Journalistin Katja Weiss. Was hat Dich an dieser Figur gereizt und worin lagen für Dich die größten Herausforderungen?


Friederike Becht: Besonders gereizt hat mich die Frage, ob es mir gelingt, Katjas inneren Tumult spürbar zu machen – ihre Sehnsucht, endlich klarzukommen, die Sucht hinter sich zu lassen, und die Trigger zu zeigen, die sie immer wieder zurückwerfen. Mich hat interessiert, ob ich vermitteln kann, wie viel Mut es braucht sich der von Scham behafteten Sucht wirklich zu stellen- ich hoffe, das aufzuzeigen ist mir gelungen.


Der Film Journalist: Der Film zeichnet viele Stationen einer Suchtentwicklung nach – von Verleugnung über Rationalisierung bis zur körperlichen Abhängigkeit. Wie hast du dich für die Rolle vorbereitet?


Friederike Becht: Ich habe mit Menschen gesprochen, die ihre Sucht überwunden haben und heute als Coaches arbeiten, aber auch mit Betroffenen, die noch im Prozess sind. Diese Begegnungen haben mir tiefe Einblicke in Themen wie Selbstbetrug, Scham und den Versuch gegeben, Schmerz mit Alkohol zu betäuben. Sehr geholfen hat mir auch das Buch „Drinking: A Love Story“, das zeigt, wie verführerisch und zugleich zerstörerisch Alkohol wirkt – wie eine toxische Liebe. All das hat mir geholfen, die Rolle glaubwürdig zu spielen. Für mich persönlich bleibt ein bewussterer Umgang mit Alkohol: Ich trinke selten und mir ist klarer, dass es de facto eine Vergiftung ist, die den Körper belastet. Es lässt sich wunderbar feiern, Gespräche führen und Freude haben – ganz ohne Alkohol. Ich spüre zum Glück, dass mein Körper ihn nicht braucht, und meine Seele auch nicht.


Der Film Journalist: Im Zentrum von „Im Rausch“ steht die Dynamik zwischen Katja und Eddi: zwei Getriebene, verletzlich und zunehmend voneinander abhängig. Was hat Dich an dieser Beziehung gereizt und wie war es, gemeinsam mit Hans Löw die ambivalente Chemie der beiden zu erarbeiten?


Friederike Becht: Mich hat an der Beziehung zwischen Katja und Eddie gereizt, dass da zwei

Friederike Becht im Interview zu „Im Rausch“: „Der Film regt an, über den eigenen Umgang mit Alkohol nachzudenken“
Bildnachweis: © ZDF und Oliver Vaccaro

Menschen aufeinandertreffen, die beide so wenig Halt in sich selbst haben, dass sie sich aneinander und am Alkohol festklammern. Zwischenzeitlich funktioniert das sogar – sie erleben einen gemeinsamen Rausch, indem es so wirkt, als könnten sie alle Probleme weglügen, wegspielen, wegtrinken zu können und gemeinsam in eine andere Sphäre eintreten. Aber genau darin liegt auch die Dynamik: nach dem Rausch kommt der harte Fall. Mit Hans Löw diese Ambivalenz zu erarbeiten, war ein großes Vergnügen, weil er ein sehr zugewandter Mitspieler ist, sehr offen und sehr kritisch im besten Sinne- immer auf der Suche nach dem wahrhaftigen Ton.


Der Film Journalist: „Im Rausch“ ist bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar und läuft am 29. September 2025 um 20.15 Uhr im ZDF. Warum sollte man einschalten und was wünschst Du Dir, dass man aus dem Film mitnehmen wird?


Friederike Becht: Ich wünsche mir, dass der Film zum Nachdenken anregt: Hinter der verführerischen Fassade von Alkohol steckt oft der Versuch, Schmerz oder Einsamkeit zu betäuben. Und Sucht ist kein individuelles Versagen, sondern hat viel mit gesellschaftlichem Druck zu tun – wenn daraus mehr Bewusstsein und Empathie entsteht, wäre schon viel gewonnen. Und vielleicht entsteht auch ein ehrlicherer Blick darauf, wie wir alle mit ungeliebten Emotionen, Verführung und Konsum umgehen, denn wir leben ja in einem System, in dem Alkohol allgegenwärtig und fast selbstverständlich ist.

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