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Kritik zu „Amsterdam“: Macht eine gute Besetzung auch einen guten Film?

Schon oft gelang es dem fünffach Oscar nominierten Filmemacher David O. Russell mit seinen Filmen sowohl Publikum wie Kritiker zu begeistern. Wenn er einen Film macht, dann ist immer sehr viel eigene Handschrift wiederzufinden. Er verfasst seine Drehbücher selbst, inszeniert es und war bereits als Kameramann und für den Schnitt mitverantwortlich. Durch seine Arbeitsweise gehört er zu den gefragtesten Regisseuren, dem Stars bei einem neuen Film in Scharen hinterherlaufen. Nach seiner Komödie „Liebe ohne Krankenschein“ aus dem Jahr 2015 schuf er nun sein nächstes Werk „Amsterdam“, was über und über mit Hollywoodgrößen besetzt ist.


©The Walt Disney Company Germany GmbH


Dabei gilt der Ruf des Filmemachers als etwas problematisch, da immer wieder von üblen Vorfällen am Set zwischen Cast- und Crew-Mitgliedern berichtet wurde. Seiner Reputation tat dies aber keinen Abbruch und auch zu seinem neuen Film „Amsterdam“ standen Stars Schlange. Nach Werken wie „Silver Linings“, „The Fighter“ und unter anderem „American Hustle“ präsentiert uns seine neue Geschichte einen schwarzhumorigeren Krimi mit historischer Begebenheit.


Darum geht es:


Schwer verletzt von der Front des ersten Weltkriegs fanden zwei Freunde im Jahr 1918 in einem französischen Armeekrankenhaus wieder zusammen, wo sie fürsorglich von der Krankenschwester Valerie verarztet werden. Der eine der Freunde war der Arzt Burt, der auf Wunsch seiner Familie in den Krieg zog, um bestenfalls als Kriegsheld wiederzukehren. Während er als Sanitäter diente, lernte er den eigentlich als Anwalt tätigen Harold kennen, der aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe die französische Uniform tragen musste. Auch wenn sie in mancher Hinsicht unterschiedlich sind, wurden sie unzertrennliche Freunde und standen während des Krieges füreinander ein.

Valerie schloss die beiden ins Herz und aus einem Arzt, einem Anwalt und einer Krankenschwester wurde ein ungewöhnliches Trio. Während die Nachkriegszeit für viele keine glückliche Zeit war, fanden die drei in Amsterdam ihr gemeinsames Glück und zwischen Harold und Valerie entflammte sogar heiße Liebe. Das brachte die drei allerdings nicht auseinander, ganz im Gegenteil – Burt, Harold und Valerie schworen ein Pakt, um sich immer zu beschützen, ganz gleich was geschieht.


©The Walt Disney Company Germany GmbH


Jahre später galt es dann das gemeinsames Versprechen zu halten und füreinander einzustehen, denn zwei der drei Freunde werden eines Mordes bezichtigt und landen plötzlich im Zentrum einer wilden Mordermittlung. Während sie versuchen, ihre Unschuld zu beweisen, geraten sie in eine Verschwörung, die die amerikanische Geschichte verändern könnte ...


Die Rezension:


Wie zu Beginn des Films zu lesen ist, geschah eine Menge der folgenden Geschichte wirklich. Jedoch erwartet den Zuschauer in „Amsterdam“ keine detaillierte und akkurate Schilderung der realen Begebenheiten, sondern vielmehr ein absurd komischer Trip dreier ungleicher Freunde, die eher zufällig in die Wirren der Zeit gerieten.


Der historische Hintergrund ist der sogenannte „The White House Putsch“, eine Verschwörung, die im Jahr 1933 zum Sturz der Regierung von Präsident Franklin D. Roosevelt führen sollte. Das anschließende Vorhaben wäre nach Vorbild des italienischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini die Einsetzung eines Diktators. Jedoch wurde der geplante Putsch durch den pensionierten Generalmajor des Marine Corps Smedley Butler enttarnt.


Im Zentrum des Film steht eine außergewöhnliche Besetzung, wie man sie nur selten auf der großen Leinwand erleben kann. Neben den drei Hauptdarstellern Christian Bale, John David Washington und Margot Robbie spielen so unter anderem Anya Taylor-Joy, Zoe Saldaña, Chris Rock, Rami Malek, die Pop- und Country-Sängerin Taylor Swift und Hollywoodlegende Robert De Niro mit. Doch macht eine richtig gute Besetzung auch einen guten Film?


Anya Taylor-Joy, Rami Malek, Christian Bale, Robert De Niro und Margot Robbie in einem Film ...

©The Walt Disney Company Germany GmbH


Um es schon einmal vorwegzunehmen, nein. Aber zunächst zum Positiven. Der neue Film von David O. Russell ist großartig ausgestattet und gefilmt und besticht mit stilsicheren Kostümen. Denn durch die sehr gelungene Kameraarbeit werden besondere Nuancen erschaffen, die die Stimmung einer Szene prägen, und durch einige kreative, clevere Entscheidungen bekommt so manche Szene gerade wegen der oftmals unterschätzen Kameraarbeit erst ihre Atmosphäre.


Die Ausstattung im Stile der 1920er und 1930er Jahre lassen „Amsterdam“ zudem in ästhetischen Kulissen handeln. Auch die Kostüme der Figuren sind sowohl farblich wie in ihrem Design sehr schön gestaltet. Daher kann man sagen, dass der neue Film von David O. Russell rein handwerklich sehr solide und hochwertig produziert wurde. Auch schauspielerisch hätte der Streifen alle Voraussetzungen für einen guten Film, wäre da nicht die wirre Handlung.


Während „Amsterdam“ im ersten Drittel die drei Freunde fokussierte und noch recht nachvollziehbar ihre Freunschaft zeigte, lässt die Handlung die Dreiecksbeziehung irgendwann in einen neuen Handlungsstrang übergehen. Anfangs ist es noch eine charmante Komödie mit schnittigen Dialogen. Die drei Hauptdarsteller haben eine gute Chemie, jedoch wird ihre Geschichte irgendwann in einem generischen Polit-Drama verschluckt und der Charme der Geschichte geht verloren.


©The Walt Disney Company Germany GmbH


Die Handlung verliert irgendwann völlig seinen roten Faden und erzählt äußerst wirr und recht zusammenhangslos eine Geschichte, die zwar irgendwo auf realen Begebenheiten basiert, allerdings nicht die Tiefe aufbauen kann, um der emotionalen Schlussbotschaft eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verleihen. So wirkt Robert De Niros Rede im finalen Drittel über Hass, Liebe und Demokratie eher wie ein Fremdkörper, da sie tonal nicht zum eigentlichen Film passt.

Auch wenn die Dialoge oftmals clever schwarzhumorig verfasst sind, werden auch die Dialoge zum Finale hin immer generischer. Die Wortgefechte sind nicht mehr so trocken und schnippig und werden immer trivialer.


„Amsterdam“ macht keinen Hehl aus seiner hochkarätigen Besetzung und David O. Russell präsentiert seine Stars ausschweifend, setzt sie zentral in Szene. Mit ihnen wird gelockt und sie sind auch das Herzstück des Films. Auch wenn ihre oberflächlichen Rollen mit simplen Motiven äußert undankbar für die durchaus begabte Besetzung ist, können sie mit überzeugender Spielfreude das Beste aus ihren Figuren herausarbeiten.


Gerade Oscar-Gewinner Christian Bale gelingt es gut, mehr aus seinerm Arzt Burt zu machen, der durch den Krieg gezeichnet, auf eine Korsett ähnliche Konstrution angewiesen ist. Auch wenn sein Glasaugen-Gimmick recht inflationär eingesetzt wird, kann er durch sein Auftreten dem gebeutelten Charakter etwas echtes verleihen. In der ersten Hälfte kann er als charmanter Tollpatsch begeistern, im Finale fällt auch er dem Drehbuch zum Opfer.


Die zweifach Oscar nominierte Margot Robbie ist bekannt für temperamentvolle Rollen, wie ihrer Paraderolle der DC-Antiheldin Harley Quinn, schlüpft jedoch in „Amsterdam“ in ein lammfrommes Stereotyp einer Frau. Auch wenn ihre Krankenschwester Valerie ein starker Frauencharakter sein soll, ist sie letztlich aber eine von Männern unterdrückte Frau, die die kolossalen Schwächen des Drehbuchs offenbart.


Auch John David Washington, der als Harold das Hauptfiguren-Trio komplett macht, kann in „Amsterdam“ nicht aus den großen Fußstapfen seines Vaters Denzel Washington treten und wird mit seinem emotionslosen Spiel wohl nicht auf sich aufmerksam machen. Rami Malek und Anya Taylor-Joy sind in ihren wenigen Auftritten noch am charmantesten und lassen aufblitzen, wie viel Talent in der Besetzung schlummert.


©The Walt Disney Company Germany GmbH


Fazit:


Der neue Film von David O. Russell kann keine Tonalität wirklich festigen, die Handlung verliert sich in einem wirren Durcheinander. Auch in seinem zehnten Spielfilm versammelt er wieder eine außergewöhnliche Star-Besetzung, verfeuert aber ihr Potential in einer oberflächlichen Kriminal-Komödie mit historischem Kontext.


4 von 10 Punkten


„Amsterdam“ ist seit dem 3. November 2022 in den Kinos.



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