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Kritik zu „Babygirl“: Zwischen Lust und Kontrolle

Toni Schindele

Halina Reijns „Babygirl“ erkundet die komplexen Dynamiken von Macht und Begierde. Ein erotisches Spiel zwischen einer Businessfrau und ihrem Praktikanten entwickelt sich zu einem riskanten Tanz um Kontrolle – doch wer behält hier wirklich die Oberhand?


Kritik zu „Babygirl“: Zwischen Lust und Kontrolle
Bildnachweis: © Constantin Film / Niko Tavernise

Halina Reijn ist eine Regisseurin, die sich nicht scheut, menschliche Abgründe auszuloten. Ob in psychologischen Dramen oder schwarzhumorigen Horrorfilmen – ihre Arbeiten kreisen um Macht, Manipulation und die komplexen Dynamiken zwischen Menschen. Nach einer erfolgreichen Karriere als Schauspielerin, insbesondere auf niederländischen Theaterbühnen, wagte sie 2019 mit „Instinct“ den Sprung zur Regie. Der Film, eine intensive Studie über Kontrolle und Begehren, wurde vielfach ausgezeichnet und zeigte Reijns Talent für provokante Stoffe. Internationale Bekanntheit erlangte sie mit der bissigen Horror-Satire „Bodies Bodies Bodies“ aus dem Jahr 2022, die Generation-Z-Kultur und toxische Gruppendynamiken unter die Lupe nahm. Mit „Babygirl“ betritt Reijn das Terrain des Erotikthrillers – eines Genres, das einst für großes Aufsehen sorgte, in den letzten Jahren aber kaum noch zeitgemäße Vertreter fand.


Darum geht es:


Romy, eine erfolgreiche Businessfrau, steckt in einer erstarrten Ehe – bis der neue Praktikant Samuel ihr eine Seite von sich zeigt, die sie längst verloren glaubte. Sein forscher, beinahe dreister Tonfall entfacht in ihr ein ungeahntes Verlangen. Was als unterschwelliges Machtspiel beginnt, entwickelt sich zu einem gefährlichen Tanz aus Unterwerfung und Dominanz. Als sich beide in einem Hotelzimmer gegenüberstehen, wissen sie noch nicht, wohin ihr Spiel sie führen wird. Doch für Romy reicht das nicht – sie sucht das Risiko, die Möglichkeit, alles zu verlieren. Wie weit wird sie gehen?


Die Rezension:


Erotikthriller haben eine lange Geschichte in der Filmwelt. In den 80er- und 90er-Jahren sorgten Filme wie „Basic Instinct“ für Aufsehen, weil sie offen mit Lust, Begehren und Macht spielten. Seitdem hat sich die Gesellschaft stark verändert – und mit ihr die Art, wie Filme Sexualität darstellen. „Babygirl“ erscheint somit in einer Zeit, in der der Umgang mit Machtmissbrauch, Einwilligung und sexuellen Beziehungen in hierarchischen Strukturen wesentlich kritischer reflektiert wird. Dies macht das Projekt von vornherein zu einer Gratwanderung zwischen einer Hommage an das klassische Erotikthriller-Genre und einer modernen Auseinandersetzung mit den darin verhandelten Themen.


Kritik zu „Babygirl“: Zwischen Lust und Kontrolle
Bildnachweis: © Constantin Film / Niko Tavernise

Filmisch setzt Regisseurin Halina Reijn auf eine stilistisch reduzierte Inszenierung, die auf groß angelegte visuelle Schauwerte verzichtet und stattdessen auf eine intime Atmosphäre setzt. Kameramann Jasper Wolf setzt auf minimalistische, kühle Bilder, die einen Kontrast zur aufgeladenen Atmosphäre der Handlung bilden. Explizite Szenen werden nicht romantisierend inszeniert, sondern oft distanziert, fast beobachtend. Dadurch verstärkt sich das Spannungsverhältnis zwischen dem, was auf der Leinwand passiert, und dem, was das Publikum hineininterpretieren kann. Die Farbpalette dominiert mit blassen, sterilen Tönen, die das Gefühl von Isolation verstärken und die körperliche Nähe der Figuren umso intensiver wirken lassen. Gleichzeitig setzt der Film in Schüsselmomenten auf enge Close-ups, um die emotionale Spannung zwischen den Figuren greifbar zu machen.


Die große Stärke des Films liegt in der nuancierten Darstellung der beiden Hauptfiguren. Nicole Kidman gelingt es, Romy mit einer Mischung aus kühler Distanz und verletzlicher Sehnsucht zu verkörpern. Ihre Figur Romy ist nicht einfach eine Frau, die nach Abwechslung sucht – sie hinterfragt ihre eigene Sexualität und Machtposition. Kidman zeigt ihre innere Zerrissenheit mit feinem Spiel zwischen Unsicherheit und Dominanz. Besonders stark sind die wortlosen Szenen mit Dickinson, in denen allein Blicke und Gesten Bände sprechen. Harris Dickinson bleibt ebenfalls vielschichtig: Sein Samuel ist kein naiver Verführter, sondern ein junger Mann, der seine Wirkung kennt. Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr zeigt sich, dass auch er nicht die volle Kontrolle über die Situation hat. „Babygirl“ bricht damit die klassischen Rollenbilder des Genres auf. Wer nutzt hier eigentlich wen aus? Wer hat wirklich die Macht?


Kritik zu „Babygirl“: Zwischen Lust und Kontrolle
Bildnachweis: © Constantin Film / Niko Tavernise

Im Gegensatz zu früheren Vertretern des Genres, die sich oft unkritisch mit problematischen Machtstrukturen auseinandersetzten, bemüht sich „Babygirl“, eine differenzierte Perspektive zu bieten. Romy und Samuel navigieren ihre Beziehung durch Gespräche, Verhandlungen und unausgesprochene Signale, wodurch sich die Grenzen zwischen Lust, Kontrolle und Unsicherheit ständig verschieben. Der Film stellt dabei spannende Fragen: Wie funktioniert Konsens in ungleichen Machtverhältnissen? Kann eine unausgewogene Beziehung jemals auf Augenhöhe sein? Reijn baut diese Themen geschickt in ihre Dialoge ein.


Ironie und Doppeldeutigkeiten verhindern, dass sich der Film zu ernst nimmt oder ins Klischeehafte abrutscht. Doch nicht alles funktioniert reibungslos. Besonders im Mittelteil tritt die Handlung auf der Stelle – die ständigen Annäherungen und Zurückweisungen wiederholen sich zu oft. Auch Romys Ehe, die eigentlich als Gegenpol zur Affäre dienen soll, bleibt zu blass. Ihr Ehemann spielt kaum eine Rolle, wodurch die Fallhöhe der Geschichte abgeschwächt wird. „Babygirl“ verzichtet bewusst auf Moral oder Romantisierung. Weder werden die Figuren verurteilt, noch glorifiziert.


Kritik zu „Babygirl“: Zwischen Lust und Kontrolle
Bildnachweis: © Constantin Film / Niko Tavernise

Diese distanzierte Inszenierung regt zum Nachdenken an, macht es aber schwer, eine emotionale Verbindung zu den Charakteren aufzubauen. Wer ein klassisches Erotikdrama mit klaren Konflikten erwartet, wird hier nicht fündig. Stattdessen geht es um die komplexen Zusammenhänge von Begehren und Macht. Während einige Szenen die Machtverhältnisse zwischen den Figuren differenziert ausloten, wirken andere Momente fast wie eine bewusste Provokation, die sich nicht nahtlos in die ansonsten ruhige Erzählweise einfügt.


Fazit:


„Babygirl“ verbindet klassischen Erotikthriller mit moderner Reflexion über Macht und Konsens. Reijns reduzierte Inszenierung und das nuancierte Spiel von Kidman und Dickinson verstärken die Ambivalenz zwischen Begehren und Kontrolle. Der Film stellt kluge Fragen, bleibt aber bewusst in der Grauzone – faszinierend, aber nicht immer packend.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 30. Januar 2025 im Kino.


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Weitere Informationen zu „Babygirl“:

Genre: Erotik, Thriller

Laufzeit: 116 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Halina Reijn

Drehbuch: Halina Reijn

Besetzung: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas und viele mehr ...


Trailer zu „Babygirl“:


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