Aus Brüdern wurden Feinde und der nächste große Box-Kampf auf der Leinwand ist da: Michael B. Jordan inszenierte seinen ersten Spielfilm und steigt selbst als Adonis Creed wieder in den Ring, um sich seiner Vergangenheit zu stellen. Doch „CREED III: ROCKY'S LEGACY“ ist nicht einfach der nächste „Rocky“-Ableger, das erste Mal ist Sylvester Stallone nicht selbst vor der Kamera dabei. Kann das funktionieren?
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Es sind bald 50 Jahre her, seit Sylvester Stallone als Rocky Balboa in den Ring stieg und Filmgeschichte schrieb. Nicht nur, dass der 1976 herausgekommene Boxerfilm drei Oscars abräumen konnte, es war auch der Startschuss einer kommerziell sehr erfolgreichen Filmreihe, die sechs Hauptfilme hervorbrachte und nun in der Spin-off-Reihe „Creed“ weitergeführt wird. Doch auch wenn Sylvester Stallone bisher immer eine tragende Rolle spielte, tritt er im neuen Ableger nicht mehr auf. Jedoch nicht unbedingt, da die Boxfilmlegende inzwischen 76 Jahre alt ist, vielmehr soll Stallone gänzlich andere Ideen zur Ausrichtung der neuen Geschichten haben. Doch auch wenn er Erfinder von Rocky Balboa ist, er die meisten Drehbücher des Franchise selbst verfasste, Sylvester Stallone besitzt gar keine Rechte an der eigenen Filmreihe.
Doch so angespannt das Verhältnis zwischen Stallone und Rechteinhabern auch ist, die Boxfilmlegende kehrte der Reihe nicht gänzlich den Rücken zu. Immerhin beteiligte er sich als Produzent am neuen Ableger, der nun gänzlich ein Film von Michael B. Jordan ist. Gelang die Staffelübergabe über die ersten beiden „Creed“-Filme, steht im dritten Film endgültig der neue Champ im Fokus. Es ist nun die Geschichte von Adonis Creed, der wieder von Michael B. Jordan verkörpert wird, doch nicht nur das – der Schauspieler führte erstmals auch Regie. Doch was kann sein Regiedebüt „CREED III: ROCKY'S LEGACY“?
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Darum geht es:
Mit einem eindrucksvollen Knockout-Triumph verabschiedet sich Box-Weltmeister Adonis Creed mit einem denkwürdigen Sieg aus dem Profi-Sport. Von nun an will er ein ruhiges Leben mit seiner Familie führen. Nach der langen und erfolgreichen Karriere hat er sich ein luxuriösen Haus in Los Angeles gekauft und führt mit seiner Frau Bianca und Tochter Amara ein wundervolles und zurückgezogenes Leben.
Doch als plötzlich sein alter Freund Damian auftaucht, wird Adonis von seiner düsteren Vergangenheit eingeholt. Nach 18 Jahren in Haft will Damian noch immer seinen Traum vom Box-Weltmeister wahr machen. Eigentlich unmöglich, doch mit der Hilfe von Adonis bekommt Damian wie einst Rocky Balboa die Chance, sich im Ring zu beweisen. Doch ist der verlorene Sohn noch ein Freund, kann Adonis ihm wirklich trauen?
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Adonis Creed muss sich seiner Vergangenheit stellen, die er längst verdrängt hat. Während die Schatten um ihn immer größer werden, wird klar, dass er sich die Boxhandschuhe doch wieder überstreifen muss …
Die Rezension:
Kommen wir zu Beginn gleich zum Elefanten im Raum: Ja, ein „Rocky“-Ableger kann auch ohne Rocky gelingen, mehr noch, der Ausstieg war zwingend notwendig. Stand über sechs Filme der italienische Hengst – Rocky Balboa – im Zentrum der Handlung, eröffnete „Creed“ eine völlig neue Geschichte. War Stallones legendärer Boxer ein wichtiges Element, um den Charakter Adonis Creed aufzubauen, muss der Protagonist nun auf eigenen Beinen stehen. Führte der letzte Film Balboa zu einem würdigen Abschluss, versucht der dritte Teil der „Creed“-Reihe einen eigenen Weg einzuschlagen. Weder Spin-off noch Remake – Michael B. Jordan versucht eine eigene Identität innerhalb des Boxer-Franchise aufzubauen.
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Doch auch wenn immer wieder frische Ideen aufblitzen, folgt „CREED III: ROCKY'S LEGACY“ den bekannten Mustern des Sportdramas. Michael B. Jordan versucht in seinem ersten Spielfilm nicht, das Rad neu zu erfinden. Ohne Risiko inszeniert er aber stilsicher einen Film, der im Großen und Ganzen alles beim Bekannten belässt und einen guten Spagat zwischen Nostalgie und modernem Vibe unternimmt. Die Prämisse wird schnell aufgedröselt, die wichtigen Figuren werden unkompliziert eingeführt und lassen sich schnell in Protagonisten und Antagonisten einordnen. Ob über den Dialog, Belichtung oder die musikalische Untermalung – es geht um klassische, leicht nachvollziehbare Motive, einzig konsequent also, dass es im entscheidenden Kampf um die Ehre geht.
Da das Box-Geschäft in den „Rocky“-Filmen seit jeher romantisiert wird, kann man dem neuen Ableger kaum einen diesbezüglichen Vorwurf machen, folgt er doch einer inneren Logik, die sich nicht selber widerspricht. Da ist Damians kometenartig schneller Aufstieg nicht mehr verwunderlich, als es der von Rocky selbst wäre. Da der Handlungsstrang aus der Vergangenheit deutlich subtiler gelang, als es die generische Prämisse erahnen lassen würde, ist der Konflikt überraschend glaubhaft. Gerade auch, da die durch die Vergangenheit fest miteinander verbundenen Brüder, durch das facettenreiche Schauspiel von Michael B. Jordan und Jonathan Majors interessante Gegner sind. Allerdings nimmt sich der Film stellenweise ein wenig zu ernst, um die Dramaturgie weiter zuzuspitzen.
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Zwar ist der verschollene Bruder wenig innovativ, schließlich wird er inzwischen recht gern in späten Sequels für den Antagonisten ausgegraben, dennoch wurde die Prämisse deutlich charmanter umgesetzt, als noch zuletzt in „Fast & Furious 9“. Große Fehler macht das zweckdienlich verfasste Drehbuch auch nicht, doch Überraschungen oder wirkliche Vertiefungen bestimmter Themen hält die Handlung aber auch nicht bereit. So bietet der Film, was der Trailer verspricht, aber kein bisschen mehr. Besonders schade ist, dass in den ersten beiden Filmen Figuren etabliert wurden, die nun im dritten Teil auf der Stelle treten, in die Belanglosigkeit rutschen.
So ist es regelrecht bestürzend, wie Adonis' Frau Bianca abgefrühstückt wird. Welch schwere Bürde sie trägt – als Sängerin, die immer mehr ihr Gehör verliert, bleibt bloße Andeutung. Auch wenn Tessa Thompson und Michael B. Jordan eine grandiose Chemie miteinander haben, hätte ihre Beziehung noch so viel Potential gehabt, welches in der kurzweiligen Inszenierung keinen Raum fand. Gerade da in einem Schlüsseldialog die Probleme von Bianca direkt adressiert werden und klar ausformuliert wird, dass sie es ganz und gar nicht leicht habe, ist es doch mehr als schade, wie wenig Bedeutung ihr zugemessen wurde.
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Nicht ganz so stiefmütterlich wurde aber Tochter Amara behandelt, hat sie doch immer wieder ihre Momente mit ihrem Vater. Auch ist die Darstellung der Gebärdensprache deutlich authentischer als gewöhnlich im Film üblich, da verzichtet wurde, die Dialoge mit gesprochenen Worten zu unterlegen. Stattdessen liefern Untertitel den Kontext.
Auch wenn in „CREED III: ROCKY'S LEGACY“ einiges abseits des Boxens erzählt wird, das Herzstück des Films liegt – wie soll es auch anders sein – im Ring. Handwerklich sehr aufwendig haben sich die Macher bemüht, das Boxen sehr intensiv und gleichermaßen pompös zu inszenieren. Waren bereits die genretypischen Trainingsmontagen unterhaltsam, sind die Kämpfe, gerade der entscheidende, sehr immersiv. Das sich beide Hauptdarsteller rund ein Jahr im Fitnessstudio auf die Szenen vorbereiteten ist spürbar und die Kameraarbeit fängt die Stimmung perfekt ein. Comicartige Zeitlupen oder Nahaufnahmen, die wie aus einem Anime wirken – technisch wurde einiges versucht, um das Boxen beeindruckend darzustellen. Doch auch in Echtzeit gelingen einige Einstellungen, die das Boxen so wuchtig zeigen, wie noch nie zuvor in der „Rocky“-Filmreihe!
©2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
Fazit:
Der dritte „Creed“-Film ist ein klassisches Sportdrama. Ohne Umwege erzählt der neue „Rocky“-Ableger seine kurzweilige Prämisse der beiden Brüder, die zu Feinden werden. Auch wenn die zweckdienliche Handlung viel Potential liegen lässt, gelingt Michael B. Jordan ein gelungenes Regiedebüt und eine durchaus gelungene Fortsetzung, die stellenweise die stärksten Momente der gesamten Reihe kreiert und doch immer in generischen Mustern einiges verliert.
6 von 10 Punkten
„CREED III: ROCKY'S LEGACY“ ist seit dem 02. März 2023 in den Kinos.
Comments