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Kritik zu „Die Gesandte des Papstes“: Biopic über Franziska Xaviera Cabrini

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • 11. Sept.
  • 5 Min. Lesezeit

Ein Dampfer legt im Jahr 1889 in New York an, doch was folgt, ist weit mehr als ein Stück Auswanderungsgeschichte. Alejandro Gómez Monteverdes „Die Gesandte des Papstes“ zeichnet das Bild einer Frau, die sich gegen Armut, Ignoranz und Machtstrukturen behauptet – und dabei Fragen aufwirft, die bis in die Gegenwart reichen.


Kritik zu „Die Gesandte des Papstes“: Biopic über Franziska Xaviera Cabrini
Bildnachweis: © 2024 Angel Studios

Filme haben nicht nur die Kraft zu unterhalten, sondern auch Debatten auszulösen. Heiß diskutiert wurde der letzte Film von Alejandro Gómez Monteverde in jedem Fall. Der 1977 im mexikanischen Tampico geborene Filmemacher zog als Jugendlicher in die USA, um dort sein Handwerk zu erlernen, und feierte bereits früh Festivalerfolge. Doch sein Name wurde weltweit erst mit „Sound of Freedom“ bekannt – einem Film, der zwar Millionen Menschen in die Kinos lockte, zugleich aber zu einem der meistdiskutierten Werke der vergangenen Jahre wurde. Während die einen darin ein wichtiges Statement gegen Menschenhandel sahen, kritisierten andere die ideologische Vereinnahmung, die Nähe zu Verschwörungsnarrativen und die polarisierende Vermarktung durch das Studio Angel Studios.


Genau dieses Studio, das sich mit einem ungewöhnlichen Finanzierungsmodell und religiös geprägten Produktionen als Gegenpol zu Hollywood versteht, hat in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen gemacht – sei es durch die weltweiten Erfolge, durch hitzig geführte Kontroversen oder durch Projekte wie das umstrittene „Bonhoeffer“-Biopic. Für seinen nächsten Film hat sich Monteverde für ein Biopic über das Leben von Franziska Xaviera Cabrini entschieden. Sie war die erste US-Amerikanerin, die heiliggesprochen wurde, und gilt als Schutzpatronin der Aus- und Einwanderer. Doch mit dem aus ihrer Biografie entstandenen Film „Die Gesandte des Papstes“ stellt sich unweigerlich die Frage: Handelt es sich nach dem hochumstrittenen „Sound of Freedom“ um den nächsten Film, der in erster Linie ein religiös-konservatives Publikum der Vereinigten Staaten bedienen soll?


Darum geht es:


New York, 1889: Mit kaum mehr als ihrem Glauben und unerschütterlicher Entschlossenheit erreicht die junge Italienerin Francesca Xaviera Cabrini die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten – und findet Elend, Armut und Ignoranz. Entschlossen, etwas zu verändern, beginnt sie, eine Hilfseinrichtung für die Ärmsten aufzubauen. Doch als Frau im von Männern dominierten Machtgefüge stößt sie auf massiven Widerstand. Kann Francesca sich gegen das System behaupten – und den Schwächsten eine Stimme geben?


Die Rezension:


„Die Gesandte des Papstes“ formt das Leben der Franziska Xaviera Cabrini zu einem bildmächtigen Historienbiopic, das Spiritualität, Einwanderungserfahrung und sozialreformerischen Eifer in eine klar chronologisch erzählte Dramaturgie bündelt und dabei auf Verdichtung statt Vollständigkeit setzt. Eröffnet wird der Film mit einer drastischen Anekdote zum Leid italienischer Migranten Ende des 19. Jahrhunderts in den USA: Ein Kind scheitert an der Krankenhauspforte an Sprache, Herkunft und institutioneller Kälte – ein Auftakt, der das Leitmotiv der folgenden 148 Minuten festlegt: systemische Abweisung, die nur durch zivilen Widerspruch und organisatorische Tatkraft zu durchbrechen ist. Cabrinis Auftrag in der „Neuen Welt“ wird als Frontstellung gegen kirchliche Zögerlichkeit und städtische Machtapparate strukturiert; die Protagonistin treibt unter widrigen Bedingungen ein Netz an Einrichtungen voran, das von Beginn an als global gedachte, sich konsequent ausweitende Vision angelegt ist.


Kritik zu „Die Gesandte des Papstes“: Biopic über Franziska Xaviera Cabrini
Bildnachweis: © 2024 Angel Studios

Inhaltlich priorisiert das Drehbuch die New-York-Phase und beschneidet die biografische Vorgeschichte bewusst: Cabrinis Ordensgründung und der Weg bis zur Entsendung erscheinen eher als Prämisse denn als erzählerische Achse. Diese Fokussierung erzeugt Stringenz und hält die Konfliktlinien – Sexismus, Rassismus, soziale Ausbeutung – scharf im Bild, erkauft sich diese Klarheit jedoch mit blinden Flecken: Nebenfiguren wie die aus der Prostitution gerettete Vittoria, der schwankende Erzbischof Corrigan oder der wohlgesonnene Dr. Murphy bleiben funktional, aber unterentwickelt. Das von Rod Barr und Alejandro Monteverde vielfach überarbeitete Drehbuch setzt auf eine lineare, sauber gefügte Kausalkette, die Cabrinis Durchsetzungsstärke herausarbeitet. Die klare Heldenzeichnung und die selektive Zuspitzung von Konflikten verhindern jedoch eine differenzierte Auseinandersetzung mit Ambivalenzen. Die historische Cabrini war eine streitbare, politisch aktive Frau, deren Motivation aus einem tiefen katholischen Glauben wie auch aus organisatorischem Ehrgeiz gespeist war.


Der Film deutet diesen inneren Zwiespalt kurz an – etwa in der Szene mit dem Papst, der bemerkt, es sei schwer zu sagen, wo ihr Glaube ende und ihr Ehrgeiz beginne – doch verweilt nicht lange genug, um ihn wirklich auszuleuchten. Dagegen gelingt es Monteverde, historische Konstellationen mit gegenwärtigen Fragestellungen zu verknüpfen – nicht als agitatorischer Appell, sondern als visuelles Zeugnis darüber, wie viel Mut, Beharrlichkeit und Systemkritik notwendig sind, um in einer feindlichen Umgebung soziale Veränderungen anzustoßen. Insbesondere vor dem Hintergrund der seit Trumps Wiederwahl 2024 verschärften Einwanderungspolitik mit ICE-Razzien, dem Aufheben sogenannter „sensitive locations“ und dem Rückzug vieler Immigranten aus dem öffentlichen Raum gewinnt Cabrinis Einsatz gegen strukturelle Diskriminierung neue Relevanz. Die Parallelen zwischen damaliger Ausländerfeindlichkeit und heutigen Entwicklungen wie racial profiling, Deportationsdrohungen und einem Klima der Angst in migrantischen Communities sind unverkennbar.


Kritik zu „Die Gesandte des Papstes“: Biopic über Franziska Xaviera Cabrini
Bildnachweis: © 2024 Angel Studios

Während die männlichen Figuren überwiegend als Vertreter patriarchaler Machtstrukturen gezeichnet sind, die Cabrinis Vorhaben blockieren, liegen die zentralen Sympathie- und Identifikationspunkte fast ausschließlich bei den weiblichen Rollen. Der Film macht diese Rollenverteilung sichtbar, indem er Männer überwiegend als Gegenspieler oder institutionelle Hürden inszeniert, die Cabrinis Projekte behindern, während die Frauen Figuren der Hoffnung, Beharrlichkeit und Solidarität verkörpern. Cristiana Dell’Anna trägt den Film als Franziska Xaviera Cabrini in jeder Szene und wird von der Kamera konsequent als Dreh- und Angelpunkt des Geschehens inszeniert. Ihre Darstellung vereint zwei Pole: die unbeirrbare Standfestigkeit einer Frau zwischen kirchlichen und politischen Widerständen und die empathische Zuwendung zu den Schwächsten, insbesondere zu den Kindern, für die Cabrini kämpfte. Diese Doppelrolle – Kämpferin und Beschützerin – bringt Dell’Anna in einer Performance zusammen, die gleichermaßen körperlich präsent wie innerlich konzentriert wirkt.


Das Produktionsdesign reanimiert das New York der 1890er-Jahre mit Straßenbahnen, dicht bespielten Gassen und aufwendig belebten Massenszenen; der hohe finanzielle Einsatz schlägt sich in einem dauerhaft hochwertigen Erscheinungsbild nieder, auch wenn digitale Effekte in Einzelfällen als solche erkennbar bleiben. Kameramann Gorka Gómez Andreu arbeitete bei „Die Gesandte des Papstes“ streng nach vorab entworfenen Storyboards, was im Film durchgehend spürbar ist. Monteverde vertraut ganz auf die Kraft sorgfältig geplanter Bilder, und auch wenn man es teils fast überstilisiert finden mag, zeigt der Film doch, welch mitreißendes Erzählen allein durch klare Konzepte und präzise Bildkomposition auf einer großen Leinwand durch die Kamera erweckt werden kann. Alisha Silversteins Kostüme sind weitgehend authentisch dem gewählten Zeitkorridor nachempfunden und stets mit sozialer Codierung durchdrungen, die Musik spannt den Bogen zum Sakralen, neigt jedoch zu einem emotionalisierenden Überbau.


Kritik zu „Die Gesandte des Papstes“: Biopic über Franziska Xaviera Cabrini
Bildnachweis: © 2024 Angel Studios

Der Soundtrack untermalt das Geschehen weniger als begleitender Unterton denn als pathetischer Verstärker, der dem Film in Teilen eine überhöhte Dramatik verleiht. Doch entgegen mancher Erwartungen entpuppt sich „Die Gesandte des Papstes“ nicht als reiner Erbauungsfilm. Aus katholischen Medien kam bereits die Kritik, die Darstellung säkularisiere die Heilige, Cabrinis Antrieb erscheine eher aktivistisch, und zudem würden Behörden wie auch Teile des Klerus oft als hemmende Instanzen gezeigt, die Cabrini zunächst kleinhalten. Diese Einwände sind insofern auch nicht unberechtigt, als dass „Die Gesandte des Papstes“ tatsächlich kein Andachtsfilm ist. Wer also angesichts des Regisseurs oder des auf dem Plakat hervorgehobenen Angel-Studios-Logos eine ideologisch aufgeladene Inszenierung befürchtet, kann beruhigt sein: Der Film ist vielmehr ein klassisches Biopic mit universeller Ausrichtung.


Fazit:


Visuell eindrucksvoll eingefangen mit einer aufwändigen Rekonstruktion jener Zeit und mitreißend getragen von Cristiana Dell’Anna verdichtet „Die Gesandte des Papstes“ das Leben der heiliggesprochenen Franziska Xaviera Cabrini zu einem Sinnbild unerschütterlicher Tatkraft, das deutlich macht, dass ihr Kampf um Gerechtigkeit weit über seine Epoche hinausweist.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 11. September 2025 im Kino.


Wie hat Dir der Film gefallen? Teile Deine Meinung gerne in den Kommentaren!

Weitere Informationen zu „Die Gesandte des Papstes“:

Genre: Biopic, Historiendrama

Laufzeit: 148 Minuten

Altersfreigabe: FSK 12


Regie: Alejandro Monteverde

Drehbuch: Rod Barr und Alejandro Monteverde

Besetzung: Cristiana Dell'Anna, John Lithgow, David Morse und viele mehr ...


Trailer zu „Die Gesandte des Papstes“:


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