top of page

Kritik zu „Don’t Worry Darling“: Der Skandalfilm ist viel besser als sein Ruf

Die irisch-amerikanische Filmemacherin Olivia Wilde inszenierte mit „Booksmart“ ihren ersten Spielfilm, der 2019 in die Kinos kam und sowohl von Kritikern als auch Zuschauern überwiegend positiv aufgenommen wurde. Ihre Highschool-Komödie war keine klassische Klischees überhäufte Coming-Of-Age-Geschichte, sondern ein Film mit ganz eigenem Stil und Humor. Eigen ist auch ihr zweiter Film „Don’t Worry Darling“, der von einer jungen Frau erzählt, die in den 1950ern mit ihrem Geliebten in einer experimentellen utopischen Gemeinschaft lebt, oder das zumindest denkt...


© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Olvia Wildes zweiter Kinofilm erzählt eine Mystery-Thriller-Geschichte, die auf der Weltpremiere bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig sehr gespalten ankam. Der Film zog jedoch schon zuvor eher negative Presse auf sich und die Filmproduktion geriet in Boulevardmedien immer wieder mit neuen Skandalen in die Schlagzeilen.


Ursprünglich sollte nämlich Shia LaBeouf die männliche Hauptrolle verkörpern, doch kurz nach Beginn der Dreharbeiten verließ er sie grundlos. Ersatz konnte schnell gefunden werden und die Dreharbeiten wurden mit Harry Styles fortgeführt. Als dann die Regisseurin und der neue Hauptdarsteller eine Liebesaffäre begannen, kam es zur Trennung von Olvia Wilde und ihrem bisherigen Ehemann Jason Sudeikis, mit dem sie bereits zwei gemeinsame Kinder hatte.


Als Olvia Wilde in einem Interview gegenüber dem BranchenmagazinVariety dann auch noch verkündete, Shia LaBeouf gefeuert zu haben, um eine bessere Stimmung am Set zu schaffen, begann der nächste Aufreger. Denn der Schauspieler konnte nur wenige Tage später im selben Magazin beweisen, dass er das Projekt auf eigenen Wunsch verließ. Er konnte zudem offenlegen, dass Wilde ihn um Rückkehr bat. Brisant war der kurze Videoclip auch deshalb, weil sich Wilde darin recht herablassend über ihre Hauptdarstellerin Florence Pugh äußerte.


Regisseurin Olivia Wilde spielt auch selbst im Film mit und verkörpert eine von Alice Nachbarn:

© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Marvel-Star Florence Pugh soll unterdessen recht genervt vom Verhalten ihrer Regisseurin gewesen sein, die sie noch vor den Dreharbeiten als Idol bezeichnete. Das waren zwar längst nicht alle Skandale, die sich um den Film ranken, machen aber bereits deutlich, gegen welche Vorurteile der Film ankämpfen muss, um dann auch auf inhaltlicher Ebene in Schlagzeilen zu gelangen. Denn auch neben den Skandalen bietet der Film Disskussionsstoff. Gerade da „Don’t Worry Darling“ den Zuschauer etwas überfordern kann, wenn man sich nicht voll auf ihn einlässt, sollte man trotz des bisherigen Backlash der Idee eine Chance geben. Es wird sich lohnen...


Darum geht es:


Alice und Jack Chambers gehören zu den Glücklichen, die in der idyllischen Gemeinde Victory wohnen dürfen, einer experimentellen Unternehmenssiedlung, umgeben von einer unwirklichen Wüstenlandschaft. Während die Frauen zuhause bleiben, um zu putzen und das Abendessen für ihre Männer vorzubereiten, fahren diese jeden Tag in die Victory-Zentrale, um dort einer geheimen mysteriösen Arbeit nachzugehen. Was genau die Männer dort mit „gefährlichen Materialien“ arbeiten, wissen die Frauen nicht und sollen sie auch nicht. Wer keine Fragen stellt und die Siedlung nicht verlässt, ist in der Siedlung sicher und kann ein Leben wie im Paradies führen.


Doch die perfekte Welt bekommt Risse, als Mitbewohnerin Margaret unheimliche Behauptungen über das Victory-Projekt aufstellt. Doch niemand schenkt ihr Gehör und Margaret ist schon bald eine Verstoßene, die für verrückt erklärt wird. Auch Alice glaubt ihr nicht und würgt einen Hilfeanruf ab. Als sie eines Morgens mit der Straßenbahn durch die Stadt fährt, bemerkt sie, wie ein Flugzeug vom Himmel fällt und irgendwo in der Wüste abstürzt. Um zu helfen eilt Alice aus der Siedlung in die Wüste, wo sie zum Victory Headquarter gelangt. Als sie die spiegelähnlichen Fenster des mysteriösen Gebäudes berührt, fällt sie in surreale Halluzinationen.


Margaret und Alice:

© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Als sie wieder erwacht, liegt sie in ihrem Bett zu Hause. Es ist inzwischen dunkel und Jack bereitet das Abendessen zu. Wie es dazu kam, kann sich Alice nicht erklären. Doch das war erst der Anfang der seltsamen Vorkommnisse und sie erlebt immer wieder mysteriöse Träume und halluziniert tagsüber Geschehnisse, die wie Visionen Sequenzen der Zukunft offenbaren. Alice beginnt das perfekte Victory-Leben zu hinterfragen, doch wie bei Margaret glaubt ihr niemand. Als sie Jack von den mysteriösen Ereignissen berichtet, weist er sie abrupt zurück. Für Alice bricht das Kartenhaus langsam zusammen und sie beginnt Fragen zu stellen, die sie nicht stellen dürfte...


Die Rezension:


Dass im sonnendurchfluteten Städtchen mit den weißen Häusern etwas nicht stimmt, wird schnell klar. Doch auch wenn der Zuschauer schnell um die Prämisse weiß, entwickelt sich die Handlung nicht zu einem rasanten Thriller. Die Geschichte dreht sich ganz bewusst ein wenig im Kreis und erzählt deshalb aber nicht weniger packend eine Geschichte einer Frau, der niemand glauben will.


Niemand will Alice glauben...

© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Durch das hervorragende Sounddesign gelingt es ebenso intensiver zu werden, ohne dass die Handlung drastische Sprünge vollzieht. Zwischen Songs aus den 50er Jahren und dem Soundtrack von John Powell erzeugt die musikalische Untermalung eine solche Intensität, dass es sehr atmosphärisch und beklemmend wird. Dennoch sollte man anmerken, dass es eher großes Leinwand-Kino ist als intensives Genrekino. Daher gibt es auch keine explizite Gewaltdarstellungen und man setzte eher den Fokus auf große Bilder und ein atmosphärisches Sounddesign.


Auch die Gestaltung der Bilder sind auffallend detailreich, so dass die Orte, die wir besuchen nicht nur Fassade oder Gimmick der Handlung bleiben. Olivia Wilde zelebriert ihren 50er-Jahre-Look in hochglänzenden Bilder, die wie aus einem alten Werbeprospekt wirken und dabei gekonnt mit Reverenzen spielen. Es sind stilvolle ästhetische Bilder, die auf der großen Leinwand durchaus beeindruckend sind und wirklich ein wunderschön inszeniertes Paradies voller kräftigen Farben ist.


Das unbestreitbare Zentrum des Films ist Hauptdarstellerin Florence Pugh, die den Film eindeutig trägt und mit sehr engagiertem Spiel die Emotionen ihrer Figur Alice auf den Zuschauer überspringen lässt. Dazu liefert Harry Styles ein gutes Pendant und er verkörpert Jack vom lustvollen Verliebten zum ehrgeizigen wie eiskalten Karriere fokussierten Sinnbild eines Mannes, der sehr weit gehen könnte, um seine Welt aufrechterhalten zu können...


© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Chris Pine schlüpfte in die Rolle des Victory-Chefs Frank, den er gekonnt als schmierigen Sektenführer spielt. Doch seine Rolle bleibt letztlich recht oberflächlich und im Endeffekt nicht so clever, wie er über neunzig Minuten aufgebaut wurde. Über Alice, Jack und Frank hinaus bleiben die weiteren Figuren nur sehr oberflächlich angelegt und es stellt sich die Frage, warum überhaupt Violet als neue Bewohnerrin eingeführt wurde.


Gab man ihr und anderen Charakteren zunächst eine angelegte Charakterzeichnung, verschwanden sie dann immer weiter in der Handlung, nachdem sich der Fokus verschiebt. Deshalb hättes es nicht geschadet, wenn man die eine oder andere Szene herausgenommen hätte, um die Handlung etwas zu straffen und um mehr Tempo hineinzubringen.


Wir Männer verlangen viel von euch. Wir verlangen Stärke, ein Essen auf den Tisch, ein sauberes Heim und vor allem Verschwiegenheit“ - gleich zu Beginn offenbart sich, dass das 50er-Jahre Städchen eine sehr starre Geschlechterordnung hat. Die Aufgabenbereiche von Männern und Frauen sind strikt geregelt und getrennt. Sie sind vor allem die starke Schulter, an welchen sich die Männer anlehnen können. Sie sind schön, machen sauber und kochen. Wie patriarchisch das System dahinter wirklich ist, wird zum Finale hin noch sehr deutlich...


Alice sorgt für ein sauberes Heim...

© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Im zweiten Drittel stagniert die Handlung etwas. Hat man umrissen, wohin die Geschichte gehen könnte, bleibt es zwar unheilvoll, das Kartenhaus stürzt aber lange nicht ein. Die Halluzinationen die visionär Alice Sequenzen aus der Zukunft andeuten, werden dabei auch recht kunstvoll wie effektiv inszeniert.


Olivia Wilde führt zum Ende die Fäden zusammen und lässt die Geschichte in einem visuell beeindruckenden Schlussakt enden. Der letztliche Twist hat es in sich und ist zudem sehr zeitgemäß und ein feministischer Konter, der eigentlich gar nicht sein dürfte. Die Wendung ist nicht nur überraschend, sondern auch heftig, so dass es sicher noch nachträglich viel Diskussionstoff gibt.


Fazit:


Der zweite Kinofilm von Olivia Wilde ist deutlich besser, als man nach den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig denken konnte. Durch das hervorragende Sounddesign gelingt es trotz langatmiger Handlung, eine atmosphärische wie intensive Geschichte mit der großartigen Hauptdarstellerin Florence Pugh zu erzählen. Auch die Gestaltung der Bilder ist auffallend detailreich und die Kulissen im 50er-Jahre-Look in farbigen hochglänzenden Bildern sind durchaus großes Kino. Doch es hätte nicht geschadet, wenn man die eine oder andere Szene herausgenommen hätte, um die Handlung etwas zu straffen und um mehr Tempo hineinzubringen.


7 von 10 Punkten


„Don’t Worry Darling“ ist seit dem 22. September 2022 in den Kinos.



コメント


bottom of page