Kritik zu „F1 – Der Film“: Highspeed-Kino mit Brad Pitt
- Toni Schindele

- 26. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Die Tribünen beben, die Motoren donnern und immer wieder wird die Formel 1 zum medienwirksamen Spektakel. Doch was entsteht, wenn Hollywood versucht, diese Welt auf die große Leinwand zu übertragen?

Die Formel 1 ist mehr als nur ein Sport – sie ist ein globales Spektakel aus Geschwindigkeit, Technik und Prestige. Seit ihrer Gründung im Jahr 1950 gilt sie als die Königsklasse des Motorsports, in der Fahrer aus aller Welt mit hochentwickelten Rennwagen um Hundertstelsekunden kämpfen. Auf Strecken rund um den Globus treten die Teams in bis zu zwei Dutzend sogenannten Grand Prix gegeneinander an, begleitet von Millionen Zuschauern vor Ort und an den Bildschirmen. Doch seit Jahrzehnten übt die Formel 1 auch auf Filmemacher eine besondere Anziehungskraft aus. Vom oscarprämierten „Grand Prix“ aus dem Jahr 1966 über Ron Howards Rivalendrama „Rush“ bis zur Netflix-Doku-Serie „Drive to Survive“ hat sich rund um die Königsklasse des Motorsports ein eigenes kleines Film-Genre entwickelt.
Mal dokumentarisch präzise, mal erzählerisch überhöht, loten diese Produktionen aus, was Geschwindigkeit, Gefahr und menschliches Drama auf vier Rädern filmisch leisten können – und sie haben dem Sport nachweislich neue Zielgruppen erschlossen. Die Idee zu diesem neuen Film über die Formel 1 entstand aus einem langjährigen Interesse von Regisseur Joseph Kosinski am Rennsport. Bereits 2013 wollte er gemeinsam mit Brad Pitt einen Film über das Duell zwischen Ford und Ferrari beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans umsetzen – ein Projekt, das letztlich mit anderer Besetzung unter dem Titel „Le Mans 66“ realisiert wurde. Jahre später, während der Arbeiten an „Top Gun: Maverick“, kam Kosinski mit Formel-1-Rekordweltmeister Lewis Hamilton ins Gespräch.

Aus diesem Austausch entwickelte sich die Vision eines fiktiven Formel-1-Films, der sich visuell an der populären Doku-Serie „Drive to Survive“ orientieren und erzählerisch das untere Ende der Startaufstellung in den Fokus rücken sollte: jene Teams, die um jeden einzelnen Punkt kämpfen. Gemeinsam mit Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer und dem Drehbuchautor Ehren Kruger nahm das Projekt konkrete Formen an. Apple sicherte sich 2022 die Verfilmungsrechte – für einen dreistelligen Millionenbetrag und gegen zahlreiche namhafte Konkurrenten. Die Erwartungen an den Film sind nicht zuletzt deshalb so hoch, weil Kosinski bewiesen hat, wie man großes Blockbuster-Kino ohne gigantischen CGI-Einsatz drehen kann. Bei jenem Film mit Tom Cruise setzte er auf echte Flugmanöver, weitgehend ohne digitale Tricks – und Kosinski übertrugt dieses Prinzip auch auf „F1 – Der Film“. Doch ist ihm damit auch erneut ein Blockbuster-Volltreffer gelungen?
Darum geht es:
Einst war Sonny Hayes der aufgehende Stern der Formel 1 – bis ein schwerer Unfall alles veränderte. Jahrzehnte später lebt er vom Glanz vergangener Tage, während die Rennwelt längst weitergezogen ist. Doch als das angeschlagene Team APXGP einen letzten, verzweifelten Versuch wagt, holt ihn sein früherer Weggefährte zurück auf die große Bühne – gemeinsam mit einem aufstrebenden Rookie, der selbst viel zu beweisen hat. Kann aus dieser ungleichen Paarung ein Comeback werden, das die Königsklasse des Motorsports erschüttert?
Die Rezension:
„F1 – Der Film“ ein bis ins Detail perfektioniertes Highspeed-Erlebnis, das über die große Leinwand donnert, mitreißt und das Publikum regelrecht in den Sitz presst – eine audiovisuelle Wucht, die die Magie des Kinos eindrucksvoll entfacht. Das Zittern der Karosserien, das Kreischen der Bremsen: All das wird auf der Leinwand so intensiv erfahrbar, dass man zeitweise das Gefühl hat, selbst im Boliden zu sitzen. Doch für diese mitreißende Unmittelbarkeit wurde auch ein gigantischer Aufwand betrieben. Über zwei Jahre hinweg begleitete das Filmteam den Formel-1-Zirkus auf 14 Grand-Prix-Strecken weltweit, darunter in Silverstone, Budapest, Las Vegas und Abu Dhabi – jeweils während der echten Rennwochenenden. Dabei erhielt das fiktive Rennteam APXGP als elftes Team exklusive Drehgenehmigungen, um in den Pausen zwischen Trainings- und Qualifying-Sessions mit modifizierten Mercedes-Fahrzeugen, die optisch echten F1-Boliden nachempfunden sind, auf die Piste zu gehen.

Diese Wagen erreichten Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern. Brad Pitt und Damson Idris absolvierten hierfür ein dreimonatiges Fahrtraining und fuhren über 6000 Meilen selbst. Unterstützt wurde das Team unter anderem von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, der nicht nur als Co-Produzent fungierte, sondern auch bei der Entwicklung realistischer Kamera-Positionen beratend tätig war. Um das filmisch einzufangen, wurde extra ein Kamerasystem entwickelt: Miniaturisierte, motorisierte 6K-Kameras wurden direkt auf den Cockpits montiert, wodurch eine atemberaubende Ego-Perspektive entstand, die selbst kleinste Erschütterungen der Karosserie spürbar macht. Der Ton – vom polternden Motorenlärm bis zum hallenden Bremsquietschen – wurde in enger Zusammenarbeit mit Ingenieuren der Formel 1 eingefangen und verleiht der Inszenierung eine authentische Klangkulisse.
Ergänzt wird das immersive Erlebnis durch Hans Zimmers kraftvolle Komposition, deren treibende und epische Klangwelten nahtlos mit dem dynamischen Schnitt von Stephen Mirrione verschmelzen, der das Tempo durchgehend hochhält. Doch auch wenn reale Drehorte der Formel 1 genutzt wurden, erzählt der Film keine Geschichte auf realen Begebenheiten und hat auch sonst nur wenig mit der Realität des Rennsports gemein. Zwar gibt es Cameos realer Rennfahrer wie Max Verstappen, Charles Leclerc oder Carlos Sainz, doch mehr Verbindung zur erchten Formel 1 als wenige Funksprüche oder stumme Statistenrollen hat der Film nicht. Der Weltmeisterschaftskampf spielt eigentlich keine Rolle, Punkte oder Rankings fehlen vollständig. Das Ziel des Films besteht lediglich im Erringen eines einzelnen Sieges – dramaturgisch ausreichend, sportlich allerdings völlig entkoppelt von der Realität.
Denn „F1 – Der Film“ bleibt in den sicheren, aber ausgelaugten Bahnen des Sportdramas, wie es Hollywood bereits vielfach hevorgebracht hat. Die dramaturgische Struktur – Aufstieg, Fall, Wiederaufstieg – ist bekannt, die Krisen künstlich herbeigeführt. Zwischenmenschliche Spannungen, Intrigen im Team, eine vernachlässigbare Liebesgeschichte – all das wirkt wie Pflichtprogramm und folgt zu erkennbar den Konventionen des Blockbusterkinos. Besonders auffällig ist, wie wenig narrative Konsequenz aus den wenigen psychologischen Andeutungen gezogen wird. So wird etwa eine Gemeinsamkeit der Hauptfiguren – der frühe Verlust des Vaters – angerissen, aber nie weiterentwickelt. Ärgerlich ist zudem, dass es mit Kerry Condon als Technikchefin Kate zwar eine weibliche Führungsfigur gibt, ihre Relevanz jedoch rapide schwindet, sobald Hayes ins Team tritt. Statt als Autorität wird sie zunehmend zur Projektionsfläche für romantische Spannung, was das anfänglich progressive Rollenbild untergräbt.

In einer Erzählung, die sich ohnehin stark auf männliche Dynamiken stützt, wirkt das besonders ernüchternd und reaktionär. Dass Brad Pitt dabei weniger durch Rollentiefe als durch Präsenz überzeugt, fügt sich nahtlos in dieses Konzept. Pitt spielt weniger eine Figur als eine Projektion von Coolness, Erfahrung und einem etwas aus der Zeit gefallenen Männlichkeitsideal. Der Kontrast zwischen seinem abgeklärten Sonny Hayes und dem ambitionierten Joshua Pearce wird klar herausgearbeitet, bleibt aber im Rahmen einer standardisierten Mentor-Schüler-Dynamik. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern funktioniert, verleiht dem Film jedoch nur punktuell emotionale Bindung. Javier Bardem agiert solide als Teamchef, bleibt aber wie der Großteil des Ensembles auf archetypische Funktionen reduziert. Die Dialoge sind knapp, häufig funktional – was zum Ton eines Motorsportfilms passt, aber selten über das hinausgeht, was zur Handlung zwingend notwendig ist.
Fazit:
Mehr Popcornkino geht nicht: „F1 – Der Film“ ist ein Rausch aus Geschwindigkeit, Sound und Hochglanzbildern, dem man sich kaum entziehen kann. Inhaltlich bleibt das Sportdrama konventionell, dramaturgisch vorhersehbar und in seinen Figuren eindimensional. Beeindruckend inszeniert, aber erzählerisch wenig innovativ, rast der Film auf vertrauter Strecke ins Ziel.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 26. Juni 2025 im Kino.
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Weitere Informationen zu „F1 – Der Film“:
Genre: Action, Abenteuer, Sportfilm
Laufzeit: 156 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger
Besetzung: Brad Pitt, Damson Idris, Kerry Condon und viele mehr ...
Trailer zu „F1 – Der Film“:





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