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Kritik zu „Miller's Girl“: Verführung oder Missbrauch?

Im neuen Kinofilm mit „Wednesday“-Star Jenna Ortega und Bilbo Beutlin-Darsteller Martin Freeman entwickelt sich zwischen einer Schülerin und ihrem Lehrer eine komplexe und grenzüberschreitende Beziehung. Doch wie gut ist das Regiedebüt von Autorenfilmerin Jade Halley Bartlett?


Kritik zu „Miller's Girl“: Liebe oder Missbrauch?
Bildnachweis: © Lionsgate/Zac Popik

Seit ihrem Durchbruch in der äußerst populären Netflix-Serie „Wednesday“, in der Jenna Ortega als Wednesday Addams innerhalb kürzester Zeit weltweite Bekanntheit erlangte, zählt sie zweifellos zu den begehrtesten Schauspielerinnen der Gegenwart. Nun tritt sie in „Miller's Girl“ auf, einem Film, der sie mit Martin Freeman zusammenführt. Freeman, der bereits durch seine Rolle als Hobbit Bilbo Beutlin aus den Mittelerde-Abenteuern bekannt ist, dürfte dem Publikum ebenso als Dr. John Watson aus der „Sherlock Holmes“-Serie bestens vertraut sein.


Das Drehbuch von „Miller's Girl“, das einige Jahre auf der schwarzen Liste der unproduzierten Skripte in Hollywood stand, wurde nun doch verfilmt. Lionsgate Films wagte vor rund zwei Jahren schließlich den Schritt und übernahm nicht nur die Vertriebsrechte, sondern gab auch der Drehbuchautorin Jade Halley Bartlett die Chance, ihr Werk selbst zu inszenieren, die damit ihr Debüt als Spielfilm-Regisseurin gibt.


Darum geht es:


Die Literaturstudentin Cairo ist schlau und zielstrebig und ihr Professor erkennt ihr Talent sofort. Doch für ihn ist sie mehr als nur eine brillante Schülerin. Cairo ist anders, faszinierend anders und sie übt eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf ihn aus, die er kaum zu verstehen vermag. Bald schon geht seine Anerkennung für Cairos kreatives Potential weit über das Klassenzimmer hinaus.


Kritik zu „Miller's Girl“: Liebe oder Missbrauch?
Bildnachweis: © Lionsgate/Zac Popik

Doch je tiefer er in ihre Welt eintaucht, desto mehr verstrickt er sich in ein Netz aus Emotionen, das seine Grenzen auszuloten scheint. Mit jedem verbotenen Blick und jeder Berührung werden die Fesseln enger, bis sie sich in einem Netz aus Emotionen und Verlangen verfangen, das sie beide an den Rand des Abgrunds treibt. Als Jonathan beschließt, den Kontakt zu Cairo abzubrechen, um sich vor den verheerenden Konsequenzen ihrer Beziehung zu schützen, ahnt er nicht, dass dies eine Kette verhängnisvoller Ereignisse auslösen wird.


Die Rezension:


„Miller's Girl“ entfaltet eine Geschichte, die den Zuschauer dazu einlädt, selbst über die moralischen Grauzonen der Protagonisten zu urteilen. Dabei bleiben die Beweggründe von Jonathan und seiner jungen Verführerin Cairo vage. Deutlich wird jedoch Jonathans Unzufriedenheit in seiner aktuellen Ehe und Cairos Langeweile und Abenteuerlust. Anfangs fesselt das verbale Hin und Her zwischen den beiden mit einer knisternden Spannung, die zwar anziehend, jedoch gleichzeitig unheimlich falsch wirkt, nicht zuletzt aufgrund der Altersdifferenz – Jonathan könnte ihr Vater sein.


Als Cairo früh am Morgen aus dem mystischen Wald neben der Schule auftaucht, erinnert ihre Erscheinung an ein Märchen der Brüder Grimm. Als Cairo gefragt wird, ob es ihr keine Angst macht, allein in diesem finsteren Wald zu sein, antwortet sie selbstbewusst, „Ich bin das Furchterregendste in diesem Wald“, was den Ton für Jade Halley Bartletts Film setzt und sofort etabliert, wer hier der Wolf und wer das Schaf ist. Der dann aufgeworfene Handlungsbogen von „Miller's Girl“ erweist sich jedoch als recht vorhersehbar und folgt den üblichen Mustern romantischer Anziehung, bis die junge Frau zurückgewiesen wird.


Kritik zu „Miller's Girl“: Liebe oder Missbrauch?
Bildnachweis: © Lionsgate

Dabei leiden die Figuren unter schwacher Charakterisierung und irrationalen Entscheidungen, die ihre Glaubwürdigkeit immer wieder untergraben. Bartlett greift in ihrer Inszenierung auf gängige Stereotypen zurück, ohne diese zu subvertieren oder neu zu interpretieren. Dadurch werden die Figuren zu flachen Abziehbildern, die wenig Anlass zur Identifikation oder Empathie bieten. Besonders das Drehbuch erweist sich als Schwachpunkt: Manche Zeilen wirken, als seien sie nur geschrieben worden, um provokativ oder risikofreudig zu erscheinen.


Die Erzählung leidet zudem unter seltsamen Tempoproblemen, viele Gespräche hätten ein paar Minuten früher enden sollen, manches wird zu stark verkürzt. „Miller's Girl“ hinterlässt den Eindruck eines unausgereiften Werks, das sich in seiner eigenen Ambition verliert und weder seine Figuren noch seine Handlung überzeugend entwickeln kann. Die zentrale Frage für das Publikum in „Miller’s Girl“ ist so nicht die moralische Dimension der Ereignisse, sondern ob Cairo mit ihren Plänen durchkommt und welche Konsequenzen ihre Handlungen haben werden. Der Film präsentiert sich eher als Porträt eines Machtspiels denn als tiefergehende Auseinandersetzung mit den komplexen Themen, die er oberflächlich berührt. Das Drama konzentriert sich stark auf die strategischen Manöver der Protagonistin, ohne die ethischen und emotionalen Implikationen ihrer Handlungen wirklich zu ergründen.


Am ehesten lässt sich „Miller’s Girl“ daher als erotisches Drama einordnen, das die Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin weder kritisch hinterfragt noch glorifiziert. Obwohl der Film das Potenzial hätte, sich provokativ und herausfordernd mit den moralischen und ethischen Dimensionen seiner Thematik auseinanderzusetzen, bleibt er an der Oberfläche und bietet keine echte Tiefe. Die vielversprechende Prämisse, komplexe Fragen zu Macht, Missbrauch und persönlicher Integrität zu erörtern, wird zu keinem Zeitpunkt ausgeschöpft. Die Frage nach Opfer und Täter wird zwar wiederholt im Film aufgeworfen, doch die Antworten bleiben oberflächlich.


Kritik zu „Miller's Girl“: Liebe oder Missbrauch?
Bildnachweis: © Lionsgate/Zac Popik

Stattdessen greift Bartlett auf ein plumpes Narrativ zurück, das in der heutigen Zeit, geprägt von sensiblen Diskussionen über Machtstrukturen und Missbrauch, kritisch betrachtet werden muss. Mehrere Momente sind beunruhigend inszeniert, ohne dass sie überhaupt in einen Kontext gestellt werden. Als Jonathan zum ersten Mal liest, was Cairo geschrieben hat, dauert es nicht lange, bis er zu masturbieren beginnt. Das dann daraus entstehende Bild einer gekränkten Schülerin, die sich aus Eifersucht mit falschen Anschuldigungen an ihrem Lehrer rächt, wirkt in diesem Kontext und der Außenwirkung etwas problematisch.


Jenna Ortega und Martin Freeman geben sich jedoch spürbare Mühe, aus dem einfallslosen Drehbuch mehrschichtige Figuren zu entwickeln. Die charakterbildenden Momente offenbaren sich dabei weniger in den pseudo-intellektuellen Dialogen, sondern vielmehr in der subtilen Mimik, den Blicken und Bewegungen der Schauspieler. Ortega vermag es, durch ihre magnetische Präsenz zu fesseln, selbst wenn die Motivationen ihrer Figur letztlich sinnlos erscheinen.


Ihre Darstellung bringt Intensität, Verlangen und einen Hauch von Verrücktheit auf die Leinwand, was ihrer Figur zumindest eine gewisse emotionale Tiefe verleiht. Martin Freeman hingegen bleibt in seiner Rolle etwas blass. Seine Figur, eingehüllt in Strickjacken und Khakihosen, gibt im Verlauf des Films immer weniger von sich preis. Es wird schnell klar, dass seine Rolle wenig Spielraum für Entwicklung bietet und im Stereotyp des passiven Alltagsmenschen verharrt. Letztlich endet „Miller's Girl“ viel zu abrupt, gerade als sich die Handlung zu verdichten beginnt und die moralischen Konflikte aufzubrechen beginnen.


Kritik zu „Miller's Girl“: Liebe oder Missbrauch?
Bildnachweis: © Lionsgate/Zac Popik

Die aufgebauten moralischen Konflikte und die entscheidenden Wendepunkte der Figuren werden schnell und knapp abgeschlossen, was zu einer enttäuschend zahmen Auflösung führt. Der Film hätte die Chance gehabt, die Spannung zu nutzen und die Figuren in einen tiefgreifenden Konflikt zu führen, doch stattdessen wird der Zuschauer mit einem Ende konfrontiert, dass so erwartbar und aussagelos wie der gesamte Film ist.


Fazit:


Oberflächliche Charaktere, primitiv-erotische Fantasien und kopflose Entscheidungen: Bartletts Versuch, etwas über jugendliches weibliches Verlangen auszusagen, kann zwar durch die hochkarätige Besetzung stellenweise unterhalten, bleibt aber ein Film, der aus vielerlei Gründen nicht nur inhaltlich stolpert.


3 von 10 Punkten


>>> STARTTERMIN: Ab dem 23. Mai 2024 im Kino.


Weitere Informationen zu „Miller's Girl“:

Genre: Drama, Erotik-Thriller

Produktionsjahr: 2022

Laufzeit: 93 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Jade Halley Bartlett

Drehbuch: Jade Halley Bartlett

Besetzung: Martin Freeman, Jenna Ortega, Bashir Salahuddin und viele mehr ...


Trailer zu „Miller's Girl“:


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