Kritik zu „Oxana – Mein Leben für Freiheit“: „Unsere Brüste sind unsere Waffen“
- Toni Schindele

- 21. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Sie entblößten ihre Körper, um gesellschaftliche Missstände sichtbar zu machen und schufen damit ein neues Bild feministischen Widerstands. Jetzt kommt die Geschichte einer ihrer bekanntesten Mitbegründerinnen ins Kino.

Mit ihren radikalen, oft oben-ohne geführten Protestaktionen sorgte die ukrainische Frauenrechtsbewegung Femen ab dem Jahr 2008 international für Schlagzeilen. Entstanden im gesellschaftlichen und politischen Spannungsfeld der postsowjetischen Ukraine, richtete sich die Bewegung früh gegen Sextourismus, Prostitution und die systematische Ausbeutung von Frauen. Im Zentrum dieser Bewegung stand Oksana Schatschko. Als Künstlerin und Aktivistin lebte sie für den Widerstand und zahlte am Ende einen hohen Preis, als sie sich im Exil in Paris 2018 im Alter von 31 Jahren das Leben nahm. Nun bringt die französische Regisseurin Charlène Favier mit dem Film „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ ein Porträt jener Frau ins Kino.
Darum geht es:
Am 23. Juli 2018 steht Oxana Chatchko, Mitgründerin der Femen-Bewegung, vor einem Wendepunkt: Ihre Pariser Ausstellung provokanter Ikonen soll eröffnet werden. Während sie sich durch die Stadt bewegt, brechen alte Wunden auf. Erinnerungen an Aktivismus, Verrat und die Kämpfe eines Lebens im Widerstand holen sie ein.
Die Rezension:
Charlène Faviers' „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ ist ein visuell expressiver, emotional aufgeladener, aber inhaltlich teilweise von der Realität abweichender Versuch, ein Leben nachzuzeichnen, das gleichermaßen vom Drang nach künstlerischem Ausdruck wie von politischem Widerstand geprägt war. Das Drehbuch, das Favier gemeinsam mit Diane Brasseur und Antoine Lacomblez entwickelte, zentriert Oksana Schatschko konsequent als singuläre Heldin – eine dramaturgische Entscheidung, die zwar narrative Stringenz erzeugt, jedoch gleichzeitig komplexe Zusammenhänge verkürzt. Die Darstellung Oksanas als tragisch verklärte Jeanne d’Arc des Feminismus wirkt an vielen Stellen weniger wie eine kritische Auseinandersetzung denn wie ein symbolisches Opferbild, das Oksana Schatschko nicht gerecht werden kann, sondern sie in einen vorgeformten Pathos einpasst.

Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch die weitgehende Ausblendung zentraler Konfliktlinien innerhalb der Femen-Bewegung selbst. So bleibt etwa der Einfluss des umstrittenen Mitbegründers Viktor Svyatski – dessen frauenverachtende Äußerungen und manipulative Rolle in der frühen Phase der Bewegung gut dokumentiert sind – ausgeklammert. Der Film beginnt und endet mit Bildern eines Mittsommernachtsfestes, der sogenannten Kupala-Nacht – eine folkloristisch aufgeladene Rahmensequenz, die metaphorisch für Geburt, Gemeinschaft und zyklische Vergänglichkeit steht. Zentraler Erzählanker von „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ ist aber der Todestag der Protagonistin am 23. Juli 2018. Ausgehend von den letzten 14 Stunden ihres Lebens in Paris entwickelt sich eine nicht-linear strukturierte Erzählweise, die in Rückblenden Oksanas Kindheit in der ukrainischen Provinz, die Entstehung der Femen-Bewegung sowie zentrale Stationen ihres persönlichen und politischen Werdegangs beleuchtet.
In seinen stärksten Momenten findet „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ eine fast intime Unmittelbarkeit: In Rückblenden, in denen Oksana mit ihrer Mutter in der Badewanne liegt oder mit Freundinnen in der ukrainischen Provinz tanzt, wird etwas spürbar von jener Lebensfreude und inneren Flamme, die Schatschko offenbar antrieb. Es sind diese privaten Bilder, die der Figur am nächsten kommen und dem Publikum eine Ahnung vom Menschen hinter der Ikone vermitteln. Hier gelingt dem Film eine emotionale Erdung, die an anderer Stelle fehlt. Wenn die Aktivistinnen in einer Szene gezwungen werden, sich auszuziehen, bevor sie mit Benzin übergossen und mit dem Feuertod bedroht werden, entstehen zwar krasse Bilder – doch indem jene Rebellinnen, die schon zuvor durch ihren Oben-ohne-Protest bekannt waren, plakativ im bereits öffentlich bekannten Bild reproduziert werden, rückt der Mensch hinter der Figur in weite Ferne.
Getragen wird „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ mitreißend von Albina Korzh, die Oksana mit großer Intensität verkörpert. Ihr Spiel pendelt kämpferischer Entschlossenheit, stiller Resignation und ekstatischer Lebenslust. Allerdings wird die altersmäßige Diskrepanz zur realen Biografie spürbar: Die Verkörperung einer Figur, deren Lebensspanne von 16 bis 31 Jahren reicht, gelingt trotz intensiver Performance nicht immer glaubwürdig, was sich insbesondere in der zeitlichen Orientierung der Rückblenden störend auswirkt. Die Identifikationsfläche für das Publikum bleibt aber auch nicht zuletzt deshalb begrenzt, weil das Drehbuch zwar intime Einblicke ermöglicht, gleichzeitig aber zentrale Entscheidungen und biografische Wendepunkte der Figur weitgehend unerklärt stehen lässt.

Fragen, warum Oksana Schatschko ihren radikalen Weg wählte und was sie letztlich in den Tod trieb, bleiben unbeantwortet. Auch der innere Antrieb der Protagonistin bleibt über weite Strecken vage. Neben Oksana Schatschko bleiben sämtliche weiteren Mitstreiterinnen und Weggefährten blass, da ihnen das Drehbuch kaum mehr als reine Stichwortgeberrollen einräumt. Positiv hervorzuheben ist aber, dass bei der Besetzung darauf geachtet wurde, mit ukrainischen wie russischen Schauspielenden zu besetzten, weshalb es sich empfiehlt, die Originalfassung mit Untertiteln zu sehen, in der die unterschiedlichen Sprachen und Dialekte erhalten bleiben und nicht im vereinheitlichenden Deutschton untergehen.
Fazit:
Mit bildstarker Inszenierung und intensiv von Hauptdarstellerin Albina Korzh getragen, berührt „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ als ein eindringliches, jedoch inhaltlich nicht unerheblich verknapptes Porträt von Künstlerin und Aktivistin Oksana Schatschko.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 24. Juli 2025 im Kino.
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Weitere Informationen zu „Oxana – Mein Leben für Freiheit“:
Genre: Drama
Laufzeit: 104 Minuten
Altersfreigabe: FSK 16
Regie: Charlène Favier
Drehbuch: Charlène Favier und Antoine Lacomblez
Besetzung: Albina Korzh, Maryna Koshkina, Lada Korovai und viele mehr ...
Trailer zu „Oxana – Mein Leben für Freiheit“:





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