Wer hätte das gedacht: Ein Horrorfilm über lächelnde Besessene wird überraschend ein großer Kinohit. Während der Horror-Thriller „Smile – Siehst du es auch?“ von Parker Finn auf TikTok als Mutprobe genutzt wird und sich Kinobetreiber über verwüstete Kinosäle nach der Vorstellung beklagen, stellt sich die Frage: Was steckt hinter dem Hype des Films und wie gut ist der Streifen eigentlich wirklich?
©Paramount Pictures Germany
Die Geschichte um das gruselige Lächeln schwebte Parker Finn schon länger vor und er setzte bereits vor zwei Jahren die Prämisse im Kurzfilm „Laura Hasn´t Slept“ um. Kurz drauf konnte er Paramount Pictures für eine Langspielfilmumsetzung gewinnen, bei der wieder einige der Darsteller der ersten Verfilmung mitspielten. Unter dem Arbeitstitel „Something’s Wrong With Rose“ entstand daher zwischen November und Dezember 2021 in New Jersey Parker Finns erster Spielfilm „Smile – Siehst du es auch?“.
Darum geht es:
Dr. Rose Cotter arbeitet in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses und ihr wird eines Tages die völlig verstörte Patientin Laura Weaver zugewiesen. Nachdem sie Zeugin des Selbstmords ihres Uniprofessors Gabriel Muñoz wurde, gibt sie an, von einer mysteriösen Gestalt verfolgt zu werden. Diese Kreatur könne andere Gestalten annehmen und würde stets böse lächeln. Zunächst vermutet Rose, dass ihre Patientin an Halluzinationen leide, doch als sich kurz darauf Laura Weaver vor ihren Augen lächelnd die Kehle aufschlitzt, vermutet sie weit mehr.
©Paramount Pictures Germany
Nach dem traumatischen Erlebnis wird Rose von ihrem Vorgesetzten in bezahlten Urlaub geschickt, doch sie nutzt die Zeit nicht zur Erholung. Sie recherchiert und stößt bald auf eine gruselige Verkettung von Selbstmorden. Gemeinsam mit ihrem Ex-Freund Joel, der als Ermittler Zugriff auf Polizeiakten hat, sucht sie weiter und bald hat sie die grausige Gewissheit: Da sie als letzte Person das böse Lächeln in ihrer Patientin Laura Weaver sah, wird nun sie heimgesucht. Um dem drohenden Schicksal zu entrinnen, sich als nächste das Leben zu nehmen, muss sie nun eine andere Person öffentlich ermorden, so dass das böse Lächeln auf die nächste Person übergehen kann …
Die Rezension:
Die Kreatur, das Monster in Parker Finns Langspielfilmdebüt „Smile – Siehst du es auch?“ nährt sich von Angst, das Trauma ist der Nährstoff. Die Psychiaterin wird selbst vor Fragen gestellt, die sie ihren Patienten für gewöhnlich beantwortet. Auch wenn das Gerüst der Handlung recht simpel scheint, ist die Thematisierung psychischer Erkrankungen im Rahmen des Horror-Genres durchaus ein spannender Ansatz. Auch wenn die gruselige Umsetzung mit vielerlei mal mehr mal weniger effektiv inszenierten Jump-Scares recht klassischen Mustern folgt, ist die Handlung hinter den generischen Elementen durchaus clever und intelligent verfasst.
©Paramount Pictures Germany
Rose muss selbst oft erleben, wie ihre psychisch erkrankten Patienten von der Gesellschaft für verrückt erklärt werden, dem Wahnsinn verfallen. Denn während ein gebrochener Arm leicht als Verletzung erkennbar und diagnostizierbar ist, sind seelische Erkrankungen schwerer erkennbar. So werden an Depression leidende Menschen oftmals wortwörtlich belächelt und es ist gerade dieses unsichtbare Monster, welches unsere Psyche angreift, das Parker Finn auf die Protagonistin Rose hetzt.
Angst lässt der Rationalität keinen Raum und so können wir in Rose recht anschaulich beobachten, wie die Frau durch das symbolische Lächeln ins Taumeln gerät und vom Verfolgungswahn erdrückt wird, verzweifelt und sich die Auswege verschließen. So ist das böse Lächeln eine brutal treffende Metapher über das Hinweglächeln, dass irgendwann zu einer kalten Fratze erstarrt. Dabei gelang es Parker Finn bemerkenswert, dies zu visualisieren. So lernen wir die Protagonisten der Handlung in einer sterilen, modernen Welt kennen, die regelrecht Distanzierung und Kühle ausstrahlt. Ob die Wohnung von Rose oder der Arbeitsplatz – allen Orten der Handlung fehlt es an Wärme, so dass man sich auch als Zuschauer fragen dürfte, wie man in dieser Welt überhaupt leben kann.
©Paramount Pictures Germany
Hinzu kommt die gewählte Farbpalette in matten Tönen, der intensive Soundtrack und eine sehr durchdachte Kameraarbeit, die in den 116 Minuten der Lauflänge auch abseits der vielen Jump-Scares für ein beklemmendes Gefühl sorgen. Eine weitere Symbolik ist in Roses Freund Trevor zu finden, der ihr kein Gefühl der Geborgenheit geben kann. Erzählt sie ihm von der unerklärlichen Bedrohung, weiß er nicht weiter, ruft Ärzte und sucht letztlich das Weite. Wirklich zugehört hat er ihr nie. Doch was ist der Ausweg, wenn man sich von der gesamten Welt nicht verstanden fühlt, dir niemand zuhört?
Zu oft sehen diese Menschen keinen Ausweg und nach wie vor fehlt es in unserer Gesellschaft am Bewusstsein, inneres Leiden wahrzunehmen und zu akzeptieren. Auch wenn sich der Film zum Ende hin etwas verrennt, ist der Kampf mit der eigenen Psyche doch bezeichnend und hart in der Darstellung gelungen. Sobald man dem Monster aber ein Gesicht gibt, verliert es die Wucht. In „Smile – Siehst du es auch?“ wird das innere Monster real und so können wir in Rose miterleben, wie sich die Welt um sie verändert. Gerade auch, da Rose von der charismatischen Sosie Bacon sehr lebensnah und echt verkörpert wird. So kann der Zuschauer von Anfang an mit der Protagonistin der Geschichte mitfühlen und in ihre Verzweiflung und Hilflosigkeit eintauchen.
Fazit:
„Smile – Siehst du es auch?“ bedient sich klassicher Horror-Motive, wird teilweise etwas generisch und verrennt sich im Finale auch etwas. Dennoch ist das stark inszenierte Langspielfilmdebüt von Parker Finn eine intelligent verfasste Metapher über psychisches Leiden.
7 von 10 Punkten
„Smile – Siehst du es auch?“ ist seit dem 29. September 2022 in den Kinos.
Comments