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Kritik zu „The Banshees of Inisherin“: Allegorische Menschheitskritk verpackt in absurder Komik

Aktualisiert: 13. Feb.

Zwei irische Sturköpfe, die sich nicht mehr sehen wollen – in der Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh haben Colin Farrell und Brendan Gleeson eine sehr spezielle Beziehung. Auch wenn der Spielfilm trotz neun Nominierungen bei den Oscars leer ausging, ist der auf den ersten Blick ungewöhnliche Streifen ein wahres Highlight im Filmjahr 2023!


Bildnachweis: © Searchlight

Der Kinostart vom neuen Spielfilm des gefeierten irischen Filmemachers Martin McDonagh liegt zwar bereits einige Monate zurück, doch ich bin erst jetzt dazu gekommen, meine Rezension zu verfassen. Auch wenn ich „The Banshees of Inisherin“ bereits im Januar erstmals gesehen habe und meine Kritik unter vielen anderen Filmstarts untergegangen ist, ließ mich die ungewöhnliche Tragikomödie nicht los. Daher folgen nun – lieber spät als nie – meine Gedanken zum Film.

„The Banshees of Inisherin“ ist der vierte Spielfilm von Martin McDonagh, der nicht nur Filmemacher ist, sondern auch als Theaterdramatiker einige Bühnenstücke schuf, die unter anderem in London und am Broadway aufgeführt wurden. So war die Idee der Geschichte 1994 auch ursprünglich für ein Theaterstück, welches allerdings nie aufgeführt wurde.


Wie McDonagh 2006 ausführte, sei es eines von sieben Bühnenstücken gewesen, die er zu der Zeit verfasste und bis auf „The Banshees of Inisherin“ sind auch alle Ideen auf den Brettern, die die Welt bedeuten, umgesetzt worden. Gab McDonagh damals mangelnde Qualität an, weshalb die Geschichte nicht im Theater aufgeführt wurde, nahm er sich Jahre später die Idee nochmals vor, um sie zu überarbeiten und für die große Leinwand zu konzipieren.


Darum geht es:


Auch wenn auf der irischen Hauptinsel 1923 ein Bürgerkrieg herrscht, ist das Leben auf der abgelegenen Insel Inisherin unberührt vom kriegerischen Treiben der nicht allzu weit entfernten Landsmänner. Die wenigen Bewohner führen ein ruhiges, strukturiertes Leben am Rande der Welt. Einer dieser Menschen ist der gutherzige, jedoch nicht besonders intelligente Pádraic Súilleabháin, der gemeinsam mit seiner Schwester Siobhán ein kleines Landwirtschaftsgestüt führt. Sein Lieblingstier ist die Zwerg-Eselin Jenny, über die er recht gerne redet.


Bildnachweis: © Searchlight


Jeden Tag um Punkt 14 Uhr holt er seinen besten Freund Colm Doherty ab, um mit ihm im Pub den restlichen Tag mit Bier und Gesprächen zu verbringen. Doch an diesem Tag ist plötzlich alles anders und Colm erklärt, dass er zukünftig nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Der überrumpelte Pádraic kann das nicht verstehen, glaubt, dass Colm seinen Entschluss unmöglich Ernst meinen kann, schließlich gäbe es keinen wirklichen Grund. Doch als Colm daraufhin eröffnet, sich von nun an, immer wenn Pádraic ihn wieder anspräche, einen Finger abschneiden werde, wird es auf der kleinen Insel bitterernst …

Die Rezension:


Das Martin McDonagh ein Dramatiker ist, der vom Theater kommt, merkt man „The Banshees of Inisherin“ recht schnell an. Man könnte sagen, dass er Erzähler der alten Schule ist und sehr genau weiß, wie man Geschichten erzählen kann. Mit bedächtigem Tempo und gekonnter Ruhe führt er in die Geschichte ein. Dabei gelingt es McDonagh grandios, die fiktive Insel Inisherin und ihre Bewohner einzuführen. Man bekommt schnell einen Eindruck von der irischen Insel in satten, kräftigen Farben, die Liebhaber der grünen Insel sicher begeistern wird.

Das Zeitgefühl auf der Insel tickt anders und dies wird auch durch die teils bemerkenswert entschleunigten Kamerafahrten deutlich. Obwohl sich die Handlung später zuspitzt, bleibt der Film im gesamten unaufgeregt inszeniert. Die Kamera bleibt oft lange auf den Gesichtern der Figuren, um ihre Emotionen und Gedanken einzufangen. So wird beispielsweise ein Spaziergang sehr lange gefilmt, es wird nicht weggeschnitten, wodurch das Zeitgefühl recht subtil vermittelt wird. In Zeiten der Schnelllebigkeit eine durchaus erfrischende Inszenierung.


Bildnachweis: © Searchlight


So spaßig die absurde wie gleichermaßen simple Prämisse anmutet, so ernst ist doch der Kern der Handlung. Die Bewohner der Insel Inisherin, auf der die Geschichte spielt, sind gefangen in ihrer Einsamkeit und in ihrer Routine. Sie sehnen sich nach Abwechslung, nach etwas Neuem, nach etwas Aufregendem, und so wird der Streit zu einem Ventil für ihre unterdrückten Emotionen. Ob nun ein Streit, oder etwas weiter gedacht, ein Krieg – die Menschen ersehnen sich ein Ereignis, um aus der Monotonie des Lebens auszubrechen.


Die Bewohner spiegeln unterdessen einige Charaktereigenschaften unserer Gesellschaft wider und das sowohl positiv wie negativ. Die beiden Hauptfiguren könnten dabei kaum unterschiedlicher sein. Während der eine ein Händchen fürs Grobe und die Landwirtschaft hat, kann der andere mit feiner Hand die Geige spielen. Dennoch haben sie in der nicht näher beleuchteten Vergangenheit viel Zeit miteinander verbracht. Wie nun aber in der Exposition eröffnet wird, will der eine nun aber zukünftig nichts mehr vom anderen wissen. Eine etwas absurde Exposition, mit der McDonagh zu spielen weiß. Zwischen Skurrilität und einem eigenen Humor gelingt es ihm, eine faszinierende Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer in den Bann zieht, wenn man sich darauf einlässt.


Bildnachweis: © Searchlight


Der Streit der beiden symbolhaften Sturköpfe eskaliert immer weiter, und schließlich mündet er in einer Spirale aus Gewalt und Rache, die niemanden verschont. McDonagh zeigt in seinem Film, dass auch in einer kleinen Gemeinschaft, wie der auf Inisherin, die selbstzerstörerische Natur des Menschen zum Vorschein kommen kann. Doch trotzdem verliert er nie seinen empathischen Blick auf die Figuren und ihre Beweggründe. Es ist, als würde er die Selbstzerstörung und die Gier nach Konflikten, die er im Menschen herauskristallisiert, verachten, aber gleichzeitig auch verstehen und akzeptieren.


Dabei fühlt sich „The Banshees of Inisherin“ stellenweise wie ein Kammerspiel an, mit einem klaren Fokus auf Dialoge, die nicht nur unterhaltsam sind, sondern auch scharf gesellschaftskritisch geschrieben wurden. Dabei geht es um die Suche nach dem Sinn des Lebens, von den Einfältigen bis hin zu den vermeintlich Intelligenten, die aufdecken, wie dumm auch die sind, die es eigentlich besser wissen müssten. Da ist es durchaus spannend, dass alle Figuren stets wissen, dass ihr Tun sinnlos ist. Trotzdem geht es immer weiter, die Figuren können nicht aus ihrer Monotonie ausbrechen und bleiben gefangen in ihrer eigenen Welt.


Bildnachweis: © Searchlight

Obwohl die Dialoge auf den ersten Blick einfach wirken mögen, sind sie doch immer sehr intelligent und verfolgen einen tieferen Sinn. Die Gespräche sind nicht nur amüsant, sondern auch erschütternd, da sie tiefe Wahrheiten über das menschliche Dasein offenbaren. Es geht um die Suche nach Liebe, Akzeptanz, Vergebung und letztendlich um den Sinn des Lebens. So machen die Sinnlosigkeit und das Gefühl der Ausweglosigkeit das Treiben der Charaktere so schmerzhaft und tragisch zugleich.


Besonders gelungen sind die Dialoge aber vor allem durch die spielfreudige Besetzung. Das Herzstück des Films ist eindeutig Colin Farrell, der als gutherziger und naiv-drolliger Pádraic Súilleabháin zwar nicht der hellste ist, aber doch im bösen Spiel der sympathische Ankerpunkt der Geschichte ist. Ebenso grandios ist sein Pendant Brendan Gleeson, gerade da beide untereinander eine ungemein unterhaltsame Chemie entwickeln.


Bildnachweis: © Searchlight


Nicht unterschlagen sollte man auch Kerry Condon, die in den nur wenigen Szenen, in denen sie mitspielt, als belesene Schwester von Pádraic, brilliert. In der Bodenständigkeit und Ehrlichkeit ihrer Figur steckt die wahre Intelligenz und so wird sie auch im weiteren Verlauf der Handlung einen Entschluss fassen, der einzig konsequent ist. Ebenso großartig gespielt wird der von seinem Vater misshandelte Polizistensohn Dominic von Barry Keoghan, der als der dümmste aus dem Dorf verpönt ist.


Fazit:


In „The Banshees of Inisherin“ verbindet Martin McDonagh absurde Komik mit einer allegorischen Kritik an der Menschheit und seiner selbstzerstörerischen Art. Recht subtil verpackt in einen schwarzhumorigen Film, der durchweg auf schauspielerischer Ebene begeistert, auch wenn die Prämisse sehr minimalistisch gehalten ist.

8 von 10 Punkten

„The Banshees of Inisherin“ ist seit dem 23. März 2023 in den Kinos.




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