Stell dir vor, du wirst getötet und dann aus dem Jenseits zurückgeholt, um dich an deinen Mördern zu rächen. Dieses Szenario wird in „The Crow“ neu interpretiert – mit Bill Skarsgård in der Hauptrolle.
„The Crow“ ist einer der unvergesslichsten Filme der 1990er Jahre – ein düsteres, stylisches Werk, das Action, Romantik und Gothic-Ästhetik in einer einzigartigen Erzählung vereint. Doch der Film wird nicht nur für seine filmischen Qualitäten in Erinnerung bleiben, sondern vor allem für den tragischen Tod seines Hauptdarstellers Brandon Lee, der ihn während der Dreharbeiten sein Leben kostete. Brandon Lee, Sohn der Martial-Arts-Ikone Bruce Lee, wurde für die Hauptrolle des Eric Draven ausgewählt. Nach einigen kleineren Rollen in Actionfilmen schien „The Crow“ seine Gelegenheit zu sein, aus dem Schatten seines berühmten Vaters herauszutreten und als eigenständiger Schauspieler anerkannt zu werden.
Am 31. März 1993 kam es während der Dreharbeiten zu einer verhängnisvollen Szene. Brandon Lee sollte erschossen werden – eine übliche Szene in einem Actionfilm. Doch eine Verkettung von Fehlern führte dazu, dass eine eigentlich harmlose Requisite zu einer tödlichen Waffe wurde. In einer vorherigen Szene wurde eine echte Patrone verwendet, um eine Nahaufnahme zu drehen. Dabei hatte sich versehentlich eine Kugel im Lauf der Waffe verklemmt. Als später eine Platzpatrone verwendet wurde, löste diese die Kugel aus dem Lauf, was zu einem fatalen Schuss führte. Lee wurde schwer verletzt und verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus – er war nur 28 Jahre alt. Nach Lees Tod standen die Produzenten und das Filmteam vor einer schwierigen Entscheidung. Der Film war zu etwa 90 Prozent fertiggestellt, doch einige Schlüsselszenen mit Eric Draven fehlten noch.
Nach Rücksprache mit Lees Familie entschied sich das Studio, den Film zu Ehren des Schauspielers zu vollenden. Moderne CGI-Techniken und Body-Doubles wurden verwendet, um Lees verbleibende Szenen zu rekonstruieren. Sein Gesicht wurde mithilfe von Aufnahmen aus anderen Szenen digital über das eines anderen Schauspielers gelegt. Diese Techniken waren 1994 bahnbrechend und sorgten dafür, dass die Illusion eines vollständig von Lee gespielten Films aufrechterhalten wurde. „The Crow“ ist heute mehr als nur ein Film und steht immer im Zeichen von Brandon Lee. Der Film zog zwar mehrere Fortsetzungen und eine TV-Serie nach sich, doch keine konnte den Geist und die Qualität des Originals einfangen. Jetzt hat Rupert Sanders einen weiteren Versuch unternommen, „The Crow“ neu zu verfilmen.
Darum geht es:
Eric Draven und seine große Liebe Shelly Webster fallen einem grausamen Verbrechen zum Opfer. Doch der Tod ist für Eric nicht das Ende – er wird aus dem Jenseits zurückgeholt. Als geisterhafter Rächer, gefangen zwischen Leben und Tod, durchstreift er die finsteren Straßen der Stadt. Mit einem unstillbaren Durst nach Gerechtigkeit jagt er die skrupellosen Mörder, die ihn und Shelly zerstörten.
Die Rezension:
Die große Frage, die sich unweigerlich stellt, ist nicht nur, ob „The Crow“ von 2024 mit seinem legendären Vorgänger aus dem Jahr 1994 verglichen werden kann, sondern ob dies überhaupt fair wäre. Schließlich handelt es sich bei dem Original um weit mehr als einen Film: Es ist ein außergewöhnliches Werk, stark geprägt von der tragischen Geschichte rund um Brandon Lees Tod, der den Film in den Augen vieler Fans zu einem beinahe heiligen Artefakt machte. Ein Nachfolger steht unter immensem Druck, entweder das Original zu ehren oder völlig neue Wege zu beschreiten. Doch „The Crow“ von Rupert Sanders scheint irgendwo zwischen beiden Ansätzen zu verharren und verliert dabei seine eigene Identität.
Der neue Film versucht sich an einer Neuinterpretation der Geschichte, löst sich jedoch nur halbherzig von der Vorlage, sei es der Film von 1994 oder der Comic von James O’Barr. Diese Zerrissenheit macht sich nicht nur in der Handlung, sondern auch im Ton bemerkbar. Die Inszenierung schwankt zwischen einer stilisierten Tragödie und einer hochglanzpolierten Charakterstudie, die nie so tiefgreifend ist, wie sie vorgibt zu sein. Ein solcher Ansatz verlangt Fingerspitzengefühl, das Sanders offenbar nicht aufbringen konnte. Besonders auffällig ist aber die Neuausrichtung der Beziehung zwischen Eric Draven und Shelly Webster.
Während das Original die tragische Liebesgeschichte stilisiert und auf eine düstere, beinahe poetische Ebene hebt, verlagert die neue Version den Fokus auf eine modernisierte Romanze, die leider in der Klischeefalle stecken bleibt. Die Entscheidung, Shelly als gleichberechtigte Figur zu etablieren, könnte mutig wirken, leidet jedoch an einem schwachen Drehbuch, das eher oberflächliche Beziehungsdynamiken skizziert. Eine Chemie zwischen Bill Skarsgård und der bisher vor allem als Sängerin bekannten FKA twigs ist da, aber sie reicht nicht aus, um das Drehbuch mit Leben zu füllen. Skarsgård selbst steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe: In die ikonischen Fußstapfen von Brandon Lee zu treten, während er gleichzeitig eine neue Interpretation der Figur liefern soll. Viele wird er nur enttäuschen können.
Seine Darstellung schwankt zwischen überzeugend und überfordert. Der „Es“-Star zeigt Momente von Intensität, doch das schwache Figurendesign lässt ihn letztlich als blassen Abklatsch wirken. Der Look der Figur, einst ein Symbol für den Gothic-Stil der 90er, verliert sich in einer generischen Ästhetik, die sich eher an Mainstream-Trends orientiert als an der rebellischen Subkultur, die das Original inspirierte. Visuell hat „The Crow“ von 2024 wenig von der düsteren Eleganz seines Vorgängers. Die sterile Hochglanzoptik steht in starkem Kontrast zur rauen, grungigen Atmosphäre des Originals. Weder die Kameraführung noch die Lichtsetzung schaffen es, eine stimmige Welt zu erschaffen, in der Erics Geschichte glaubwürdig gedeihen könnte.
Der zentrale Konflikt des Films, Erics Rachefeldzug, wird durch die übertriebene Gewichtung seiner Vorgeschichte und die unglaubwürdige Liebesgeschichte abgeschwächt. Die ersten 75 Minuten des Films widmen sich fast ausschließlich der Einführung der Figuren und ihrer Beziehung – ein Ansatz, der mehr Tiefe schaffen könnte, hier jedoch in ziellosen Dialogen und unnötigen Szenen versickert. Die Transformation zur namensgebenden Krähe kommt zu spät und verläuft dann in einer Abfolge von Gewaltakten, die mehr Schockwert als narrative Bedeutung haben.
Dennoch gibt es Ansätze, die erahnen lassen, was möglich gewesen wäre. Der Film thematisiert interessante Aspekte wie Verlust und Erlösung, schafft es jedoch nicht, diese wirklich auszuloten. Die Verbindung zwischen Leben und Tod, einst das emotionale Rückgrat der Geschichte, wird hier auf oberflächliche Symbolik reduziert. Es fehlt an Substanz, die uns in Erics Schmerz und Zerrissenheit eintauchen lässt, und an Figurenzeichnung, die eine emotionale Verbindung ermöglichen würde.
Fazit:
Rupert Sanders' Neuinterpretation von „The Crow“ macht nicht den Fehler, den Kultfilm als Remake neu aufzuwärmen, und versucht, neue Ansätze zu finden, bleibt jedoch in generischen Ansätzen stecken und schwankt zwischen Kitsch und Gewalt.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 12. September 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „The Crow“:
Genre: Action, Fantasy
Produktionsjahr: 2023
Laufzeit: 112 Minuten
Altersfreigabe: FSK 18
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: Zach Baylin, William Schneider
Besetzung: Bill Skarsgård, FKA twigs, Danny Huston und viele mehr ...
Trailer zu „The Crow“:
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