Trotz seines weihnachtlichen Settings kam Alexander Paynes Film „The Holdovers“ erst einige Wochen nach den Feiertagen in die Kinos hierzulande. Doch welche Gründe stecken hinter dieser ungewöhnlichen Entscheidung?
Der Filmemacher Alexander Payne meldet sich nach einer längeren Pause mit seinem neuesten Filmprojekt „The Holdovers“ auf der großen Kinoleinwand zurück. Bekannt für seine einfühlsamen und oft satirischen Filme, die präzise Charakterzeichnungen und subtile Gesellschaftskritik bieten, erlangte Payne in den 2000er und 2010er Jahren bemerkenswerten Erfolg. Trotz Oscar-Nominierungen und seiner markanten Handschrift schien Payne nach seinem letzten Film „Downsizing“ aus dem Jahr 2017 etwas in den Hintergrund zu treten.
Nun, sechs Jahre später, meldet er sich mit „The Holdovers“ zurück, einem Film, der anfangs vielleicht nicht die gleiche Aufmerksamkeit erregte wie einige seiner früheren Werke, aber dennoch sowohl bei Rezensenten als auch beim Publikum auf äußerst positive Reaktionen stieß. Bereits bei den Golden Globes erhielt er Auszeichnungen in Schauspielkategorien und zudem wird „The Holdovers“ auch als heißer Anwärter für mehrere Oscar-Kategorien gehandelt. Ist Alexander Payne also eine eindrucksvolle Rückkehr auf die große Kinoleinwand gelungen?
Darum geht es:
Es ist das Jahr 1970 – kurz vor Weihnachten: Inmitten einer verlassenen Schule, die von den meisten zum Ferienstart fluchtartig verlassen wurde, bleiben nur drei ungleiche Gestalten zurück: der mürrische Lehrer Paul Hunham, dessen Gesellschaft niemand freiwillig sucht; der rebellische Schüler Angus, der ständig am Rand des Rauswurfs schwebt, und die warmherzige Chefköchin Mary, die trotz persönlicher Trauer immer noch ein Lächeln für andere übrig hat.
Während die Außenwelt im weihnachtlichen Trubel versinkt, finden sich diese ungleichen Charaktere plötzlich in einer ungewöhnlichen, aber schicksalhaften Gemeinschaft wieder. Paul, der seine Feiertage lieber in Ruhe verbringen würde, sieht sich nun mit der Aufsicht über den letzten verbliebenen Schüler konfrontiert – einem Jugendlichen, der mehr Ärger macht als alle anderen zusammen. Doch in dieser Zwangsgemeinschaft offenbaren sich nicht nur die schrulligen Eigenheiten jedes Einzelnen, sondern auch eine unerwartete Dynamik, die durch den Zwang zur Zusammenarbeit entsteht.
Die Rezension:
In Alexander Paynes neuestem Werk „The Holdovers“ taucht das Publikum tief in die 1970er Jahre ein, eine Ära, die geprägt ist von gesellschaftlichem Wandel, politischen Umbrüchen und persönlichen Turbulenzen. Während draußen die Welt im Umbruch ist, werden die Zuschauenden in die Enge eines Internats geführt, wo sich drei Hauptfiguren über die Weihnachtsferien zurückgelassen wiederfinden. Doch hinter den vertrauten Kulissen eines Schulinternats entfaltet sich eine Geschichte von tiefer Menschlichkeit, inneren Kämpfen und unerwarteter Verbundenheit.
Im Mittelpunkt stehen drei faszinierende Hauptfiguren, von denen jede ihre eigenen inneren Dämonen mit sich trägt. Da ist zunächst Angus, ein rebellischer Teenager, der unter der emotionalen Distanz seiner Mutter leidet und sich selbst immer wieder sabotiert. Mary, die Köchin des Internats, kämpft mit dem Verlust ihres Sohnes im Vietnamkrieg und muss sich mit ihrer eigenen Trauer auseinandersetzen, während sie die Schüler versorgt. Und schließlich Mr. Hunham, der Lehrer mit einem Hang zur Bitterkeit und Intoleranz gegenüber Faulheit, der seine eigenen Gründe für seine verbitterte Haltung hat.
Was „The Holdovers“ von anderen Filmen des Genres unterscheidet, ist seine feinsinnige Darstellung der menschlichen Natur und seiner Themen. Während der Film eine Vielzahl ernster Themen berührt, von psychischen Erkrankungen über Sucht bis hin zu familiären Konflikten und dem Verlust von Angehörigen, tut er dies mit einer Leichtigkeit und einem Sinn für Humor, der ihn nie zu einer schwerfälligen Moralpredigt werden lässt. Ohne auf ernste Momente zu verzichten bleibt „The Holdovers“ doch ein leichtfüßiger Film mit immer wieder netten Pointen.
Besonders beeindruckend ist das hervorragende Ensemble, angeführt von Paul Giamatti, dessen Darstellung des Lehrers eine meisterhafte Mischung aus Starrsinn, Liebreiz und Weisheit ist und hochverdient eine Oscar-Nominerung erhielt. Doch auch die anderen Hauptdarstellenden, wie Dominic Sessa als rebellischer Teenager und Da’Vine Joy Randolph als Köchin Mary, überzeugen auf ganzer Linie. Ihr Zusammenspiel bringt sowohl amüsante als auch zu Herzen gehende Situationen hervor und verleiht dem Film eine einzigartige Dynamik.
Technisch überzeugt „The Holdovers“ ebenfalls. Die nostalgische Optik, inspiriert von Filmen der 1970er Jahre, verleiht dem Film eine warme Atmosphäre und unterstreicht seine zeitlose Thematik. Die Kamerabewegungen, der Schnittrhythmus und die Auswahl der Musik tragen zusätzlich dazu bei, dass man sich fühlt, als wäre man wirklich in einer vergangenen Ära. Es erinnert an das Kinoerlebnis vergangener Tage, was jedoch so aufbereitet wurde, dass es dennoch ein Film für das Jahr 2024 ist.
Dennoch ist „The Holdovers“ auch nicht ganz ohne Schwächen. Einige Themen werden etwas zu oberflächlich behandelt und die Handlung ist an einigen Stellen etwas vorhersehbar. Doch insgesamt gelingt es „The Holdovers“ trotzdem, eine bemerkenswerte und nachdenkliche Punktlandung zu erreichen.
Fazit:
Mit viel Witz und noch mehr Herz ist „The Holdovers“ eine gelungene Tragikomödie, die durch ihre liebevoll gestalteten Charaktere, ihre nostalgische Optik und ihre zeitlose Thematik überzeugt. Es ist ein Film, den man sich immer wieder anschauen kann, egal ob nun im Januar, Hochsommer oder eben doch zu Weihnachten.
8 von 10 Punkten
>>> STARTTERMIN: Ab dem 25. Januar 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „The Holdovers“:
Genre: Komödie, Drama
Produktionsjahr: 2022
Laufzeit: 134 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: David Hemingson
Besetzung: Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph, Carrie Preston und viele mehr ...
Trailer zu „The Holdovers“:
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