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Actiongeladene Frauenpower: Kritik zu „The Woman King“

Die US-amerikanische Regisseurin Gina Prince-Bythewood, die den Netflix-Hit „The Old Guard“ inszenierte, schrieb gemeinsam mit Dana Stevens ein Drehbuch, inspiriert nach wahren Begebenheiten und brachte am 6. Oktober 2022 ihren neuen Kinofilm „The Woman King“ auf die große Leinwand. Darin wird Viola Davis eine Armee aus Kämpferinnen entfesseln, die sich der Sklaverei und Ausbeutung während des 18. Jahrhunderts entgegenstellen werden...


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Filmproduzentin Maria Bello kam während eines Besuchs im westafrikanischen Benin auf die Idee des Films, als sie dort von der spannenden Geschichte der Agojie hörte. Mit ihrem Konzept konnte sie Produzentin Cathy Schulman begeistern, mit der sie sich gemeinsam bei mehreren Filmstudios mit ihrer Idee vorstellig machten. Im Jahr 2017 interessierte sich TriStar Pictures für das Projekt und drei Jahre später erhielt die Produktion grünes Licht. Gemeinsam mit der Drehbuchautorin Dana Stevens entwickelte sie die Handlung. Das Drehbuch verfasste letztlich Stevens gemeinsam mit der Regisseurin Gina Prince-Bythewood.


Darum geht es:


Nachdem sich die rebellische junge Nawi gegen ihre Zwangsheirat weigerte, wird sie von ihrem Vater an die Agojie verschenkt, um als Kriegerin ihrem Königreich Dahomey dienen zu können. Die Agojie sind eine Armee aus Kämpferinnen von König Ghezo, ihre Oberbefehlshaberin ist Generalin Nanisca. Bei ihnen wird Nawi in einem harten wie kräftezehrenden Training unterwiesen und an den Rand ihrer Fähigkeiten gebracht, doch für sie und viele weitere junge Frauen sind die Agojie die einzige Gelegenheit, dem teils grausamen Leben außerhalb der Palastmauern zu entfliehen. Doch ihr rebellischer Kopf bringt sie auch immer wieder in Schwierigkeiten und sie muss lernen, Teil der Gemeinschaft zu werden...


Gut, dass sie in der angesehenen Kriegerin Azogie eine Freundin findet.

Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Nawi besteht die Agojie-Abschlussprüfung als beste, doch es gilt nicht die beste zu sein, es gilt aber ein gleichwertiger Teil der Gruppe sein und sie muss schnell lernen, als Teil der Kämpferinnen zu agieren, denn eine große Schlacht steht bevor. Denn General Oba Ade vom Stamm der Oyo will das Königreich Dahomey niederschlagen, es unterdrücken und versklaven, um den Handel mit den Portugiesen vergrößern zu können. Dies will Nanisca um jeden Preis verhindern und dass sich Afrikaner selbst als Sklaven verkaufen. Sie kann König Ghezo davon überzeugen, dass es sich für manche Dinge zu kämpfen lohnt und doch ist ihr Feind in der Übermacht...


Die Rezension:


Um in die Geschichte einzuführen, eröffnet „The Woman King“ mit einer Laufschrift, die man für gewöhnlich aus den Star Wars-Filmen kennt. Hier startete der Film jedoch nicht mit der ikonischen Fanfare, sondern mit der Vorlesung des Textes der historischen Einordnung und Ausgangslage der folgenden Geschichte. Nicht nur dass der Text viel schneller über die Leinwand fährt, als die Stimme mithalten kann - dieses bereits aus dem Fantasy-Genre besetzte Stilmittel, wirkt als Einleitung eines Historiendramas doch recht unpassend.


Dann beginnt die Geschichte in Westafrika, dem heutigen Benin, wo uns Regisseurin Gina Prince-Bythewood zunächst die gnadenlosen wie geschickten Kriegerinnen der Agojie zeigt, die Gefangene befreien und gleichzeitig aus den Bewohnern des verfeindeten Dorfes Gefangene machen. Mit ihnen im Schlepptau kehren sie ins malerische Königreich Dahomey zurück, wo der Film in bunten, fröhlichen Farben von der afrikanischen Lebensweise erzählt. Die fokussiert sich auf den Alltag und kann dabei sehr schön das Leben der Menschen einfangen.


Dort lebt unter anderem die 19-jährige Nawi, die zwangsverheiratet werden soll. Sie weigerte sich weigerte einen Mann zu heiraten, der sie auf seiner Plantage nur arbeiten lassen will, zudem deutlich älter ist und sie bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen schlug. Deshalb brachte ihr Vater sie als Geschenk für König Ghezo zum Palast des Königs, wo sie zu einer Agojie-Kriegerin werden soll. Dabei wird ihr Vater recht empathielos gezeigt, ebenso wie ihre Beziehung zu ihm, die recht nüchtern aufgelöst wird.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Als sie die Mauern des Palasts betritt, darf sie erstmals die Frauen der Agojie ansehen. Denn bisher sah sie die verehrten Kriegerinnen nur, wenn sie siegreich von Schlachten zurückkehrten und die Menschen für sie Spalier standen. Dann warf sie einen heimlichen Blick auf sie, auch wenn dies für sie eigentlich verboten war. Im Palast angekommen, gibt es eine weitere Pforte zu den Agojie. Hinter diesen Wänden sind nur Frauen und der Film kann seine zweite Besonderheit ausprägen. So fokussiert sich der Film von nun an auf die weibliche Stärke.


In „The Woman King“ werden historische Begebenheiten verdreht?

Wenn nun der Konflikt der Handlung sich herauskristallisiert, sollte klar angeführt werden, dass sich die Geschichte zwar reelle Ereignisse als Inspiration nahm, jedoch auch historische Begebenheiten verdreht, um die gewollte Geschichte erzählen zu können. So wird die Historie sehr modern angepackt und es werden Motive entwickelt, die man eher der heutigen Zeit zuordnen kann. Das 260 Jahre lang exististierende Königreich Dahomey lag an der Küste der Bucht der heutigen Republik Benin. Tatsächlich gab es damals die Besonderheit, dass das Königreich über eine Frauenarmee verfügte. Auch wenn man aus heutiger Sicht vermutet, dass die Fraueneinheit aus der Not geboren wurde, um der Antriebslosigkeit junger Männer durch ständige Kriege etwas entgegenzustellen.


Auch wenn der Film zeigt, wie weiße Sklavenhändler direkt nach Westafrika schipperten, um Sklaven erwerben und mitnehmen zu können, setzten sie tatsächlich kaum einen Fuß auf afrikanischen Boden, wie Slavoj Zizek in der Berliner Zeitung ausführte. Im Film wird uns so jedoch unter anderem der Sklavenhändler Santo Ferreira gezeigt, der von „After Passion“-Star Hero Fiennes Tiffin in den wenigen Szenen überzeugend gespielt wird. Jedoch ist seine Figur am brasilianischen Sklavenhändler Félix de Sousa angelehnt, der König Ghezo erst zu seiner Macht verhalf...


Denn blickt man in die Historie, war es Dahomey selbst, welches andere afrikanische Gebiete unterjochte und deren Bewohner versklavte. Der Wohlstand des Königreichs fußte einzig und allein im atlantischen Sklavenhandel. Auch die Agojie waren an jenen Sklavenüberfällen beteiligt und zur Wahrheit gehört ebenso, dass Dahomey den Sklavenhandel noch weiter aufrecht erhielt, als dies bereits vom britischen Empire untersagt wurde.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Auch wenn „The Woman King“ keine historisch belegbare Geschichte erzählt, nimmt uns der Film von Gina Prince-Bythewood doch in eine spannende Geschichte mit realem Bezug mit. Die Frauenarmee von Dahomey war übrigens auch Inspiration für die weibliche Leibgarde des Königs von Wakanda aus den Marvel-Comics...


Stattdessen begeistert „The Woman King“ auf andere Weise. Denn das afrikanische Lebensgefühl wird sowohl auf visueller wie auf akustischer Ebenso so beeindruckend beleuchtet, dass man in den 135 Minuten der Lauflänge in die Kultur eintauchen und sich von ihrem Rhythmus mitreißen lassen kann. Hinzu kommt das wundervoll farbenprächtige Kostümbild, welches vielleicht nicht korrekte zeitgenössische Trachten aufbieten kann, aber auf jeden Fall für die afrikanische Kleidungsart begeistern kann.


Ebenso gelungen ist der Soundtrack, der von Terence Blanchard komponiert wurde. Er kombiniert traditionelle, afrikanische Lieder mit modernen Klängen und schafft eine musikalische Untermalung, welche sowohl treibend, actiongeladen wie emotional wird. Gerade da sich die Agojie-Kriegerinnen im Gesang auf bevorstehende Kämpfe einstimmen, rückt die Musik oftmals in den Vordergrund und ist ein hervorragend eingesetztes Stilmittel. Die ästhetische Kameraarbeit hat sowohl feine sonnendurchflutete Bilder als auch dunklere düstere Bilder und staubige Actionsequenzen, so dass „The Woman King“ auf der großen Leinwand wahrlich ein Erlebnis ist.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


„Ich hoffe, dass meine Arbeit dazu führt, dass Frauen auf die Leinwand blicken und sich auf eine Weise widergespiegelt sehen können, die für sie inspirierend ist.“ Dies erzählte Regisseurin Gina Prince-Bythewood in einem Interview gegenüber Huffpost, was die beabsichtigten Ziele des Films gut auf den Punkt bringt. Doch auch wenn der Ansatz, dass Actionfilme auch ohne Männer in den Hauptrollen funktionieren, größtenteils gelingt, verliert sich die Geschichte irgendwann und es stellt sich die Frage, ob „The Woman King“ Historiendrama oder Vorzeigefilm für starke weibliche Rollen ist.

Ebenso schade ist, wie einfach die Ojo-Krieger angelegt sind, so dass die Antagonisten sehr platt geschriebene Figuren sind, die es schlicht zu ermorden gilt.


Auch wenn der Ansatz dank einer starken Hauptdarstellerin lange Zeit aufgeht, kann der Film seine Linie nicht halten und nicht das epische Werk sein, welches die Trailer andeuteten. So ist der Film auf die 135 Minuten überladen an modernen Motiven, doch warum man diese in diesen historischen Hintergrund einbetten wollte, ist durchaus dis­ku­tier­bar. Denn die letztliche Handlung ist recht generisch konstruiert, starke Message hin oder her.


Eine starke Besetzung...

Hauptdarstellerin Viola Davis, die sich intensiv auf ihre Rolle der Generalin Nanisca vorbereitete, ist das emotionale wie wuchtige Herzstück des Films. So hat sie eine starke Physis und verleiht der Generalin Nanisca eine kraftstrotzende wie dominante Anführerin, die beeindruckend jede Szene voll einnimmt. Sie ist eine Anführerin, zu der man wahrlich aufsehen kann. Wenn sie von der Vergangenheit eingeholt wird, macht sie außerdem eine spannende Charakterentwicklung durch, und Viola Davis gelingt es aus Nanisca eine vielschichtige Hauptfigur zu spielen. Dennoch überläd gerade diese Charakterentwicklung die Handlung und lässt den Fokus verschwimmen.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Neben ihr kann man bei den Agojie-Kämpferinnen Lashana Lynch als Izogie und Sheila Atim als Amenza hervorheben. Sie verkörpern die nahesten Verbündeten von Nanisca und zeichnen sich ganz unterschiedlich aus. So verleiht Lashana Lynch ihrer kecken Izogie ein empathisches, lässiges Auftreten, welches die Geschichte immer wieder auflockert. Im finalen Drittel bekommt sie außerdem einen sehr emotionalen Moment. Sheila Atim verkörpert die drahtige Amenza, die die kulturelle Inszanz spielt.


Herausragend spielt auch die südafrikanische Thuso Mbedu, die in die Hauptrolle Nawi schlüpft. So spielt sie die Entwicklung der zunächst störischen jungen Frau zur Kriegerin sehr nachvollziehbar und echt. Sie kann gemeinsam mit Viola Davis den Film gut tragen und im letzten Drittel bekommen beide starke und emotionale Momente...


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Auch wenn der Film von weiblichen Hauptdarstellerinnen getragen wird, schlüpft Star Wars-Star John Boyega in die Rolle von König Ghezo, der von 1818 bis 1858 im Königreich Dahomey und heutigem Staat Benin regierte. Seine Darstellung ist mit Blick auf historische Fakten zwar durchaus diskutierbar, doch für die Geschichte bietet er genau den König, den es braucht, um letztlich eine Woman King auszurufen.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Sehr gut durchchoreographierte Action:

Einige Monate vor den Dreharbeiten begann die Besetzung mit Trainerin Gabriela Mclain die Vorbereitung auf die physisch herausfordernden Kämpfe. So stand tägliches Gewichtheben und Kampftraining mit Stuntkoordinator Danny Hernandez auf dem Programm. Der Umgang mit Schwertern und Speeren wurde geübt und das zahlt sich aus und wenn in „The Woman King“ die Fetzen fliegen, wird es intensiv, brutal und für den Zuschauer sehr echt. Zum einen, da die Effekte handgemacht erscheinen und zum anderen, durch die wuchtige Choreographie der Schlachten. Aber auch die Übungskämpfe haben ungeahnte Intensität.


Bildnachweis: ©2022 Sony Pictures


Doch auch hier tut sich ein Problem auf, da der Film zeigt, dass sich die Kämpferinnen durch ihr Training einfach gegen die Männer durchsetzten können. Doch es ist rein biolisch ein Fakt, dass Frauen nur in seltenen Fällen die männliche Kraft übertreffen. Hier wäre es hilfreicher gewesen, die feminen Vorzüge auszukristalisieren. Anstatt die Frauen stärker zu inszenieren, hätte man den Agojie-Kämpferinnen eine leichtfüßige Beweglichkeit und Schnelligkeit verleihen können. Aber dieser Punkt verdeutlicht, dass sich der Film oftmals in Wunschvorstellungen verstrickt...


Fazit:


Sowohl visuell wie auch akustisch lässt uns „The Woman King“ ins afrikanische Lebensgefühlt eintauchen und zeigt die Kraft der Weiblichkeit, doch dabei versucht der Film von Gina Prince-Bythewood zu viel und verstrickt sich in Wunschvorstellungen. Die Handlung mag an historischen Begebenheiten inspiriert sein, doch sie verdreht auch Ereignisse so, dass verwaschsen wird, wer eigentlich Opfer und Täter war. Doch durch die grandiose Besetzung und sehr gut durchchoreographierten Kämpfe bietet „The Woman King“ doch einen unterhaltsamen Film, der am besten auf der großen Leinwand gesehen werden sollte!


6 von 10 Punkten


„The Woman King“ ist seit dem 6. Oktober 2022 in den Kinos.







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