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Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos

Die Wikinger sind zurück, aber wohl zum vorerst letzten Mal: Die dritte und finale Staffel von „Vikings: Valhalla“ ist auf Netflix gestartet und bringt das epische Abenteuer von Leif, Harald und Freydis zum großen Abschluss.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © Netflix

Die Historiendrama-Serie „Vikings“ hat trotz ihres Endes nach sechs Staffeln eine bedeutende Wirkung hinterlassen. Die letzten Episoden der ursprünglichen Serie wurden Ende 2020 auf Amazon Prime Video veröffentlicht, doch das Interesse an den Geschichten der wilden Nordmenschen blieb bestehen, was zur Entstehung des Spin-offs „Vikings: Valhalla“ führte. Das Besondere dabei: Netflix gab schon vor der Veröffentlichung der ersten Staffel grünes Licht für die zweite und dritte Staffel und ging somit bei der Serienproduktion ungewöhnlich viel Risiko ein, garantierte dadurch aber auch kurze Wartezeiten zwischen den Staffeln. Im Jahr 2022 wurde die erste Staffel der Spin-Off-Serie veröffentlicht und nur rund zwei Jahre später steht nun die dritte und auch bereits letzte Staffel an, die die Geschichte zu einem befriedigenden Abschluss führen soll.


Darum geht es:


Wir befinden uns vor über tausend Jahren im frühen 11. Jahrhundert – sieben Jahre nach den Ereignissen der zweiten Staffel.  Freydis, nun das unangefochtene Oberhaupt des heidnischen Jomsborg, herrscht mit unerschütterlicher Entschlossenheit über ihr Volk. Ihre Führung und Vision haben Jomsborg zu einer mächtigen Festung und einem Zufluchtsort für Gläubige gemacht, die dem alten Glauben treu bleiben. Währenddessen haben Leif und Harald in Konstantinopel enormes Ansehen erlangt. Doch noch haben alle drei ein großes Abenteuer vor sich ...


Die Rezension:


„Vikings: Valhalla“ und die Mutterserie „Vikings“ haben vieles gemeinsam, darunter auch ihre Neigung zur dramaturgischen Freiheit und somit historisch ungenauen Darstellung. So kann man bereits beim Titel anfangen, da es aus heutiger Sicht recht unwahrscheinlich ist, dass es die Wikinger als Volk gegeben hat. Der heutzutage inflationär verwendete Überbegriff Wikinger für nordeuropäische Ethnien beschreibt vermutlich eher die Tätigkeit des Raubzugs als ein spezifisches Volk, da das Wort wohl dem altnordischen „vikingr“ entstammt, was Rauben, Plündern und auf Beutezug sein, bedeutet.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © Netflix

So wie der Titel lässt sich auch über die Kostüme, Frisuren, Waffen, Rüstungen und die Sprache sagen: „Vikings: Valhalla“ ist zwar von historischen Begebenheiten inspiriert, doch die Serie ist keineswegs historisch korrekt. Showrunner Jeb Stuart verortet die Handlung der Staffel um das Jahr 1030 oder 1033 n. Chr., obwohl Hauptfigur Leif Eriksson zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens ein Jahrzehnt verstorben sein müsste. Tatsächlich starb Leif, als Harald etwa fünf Jahre alt war und Freydis im ähnlichen Alter wie ihr Bruder war, sodass das dargestellte Szenario klar fiktionalisiert ist. Wer sich die Historiendramaserie also ansieht, sollte sich bewusst sein, dass die gezeigten Abenteuer nur wenig mit der realen Geschichte zu tun haben. Stattdessen bietet die Serie das heutige Wikinger-Sinnbild: wilde, abenteuerlustige, muskulöse Figuren, die Freiheit ausstrahlen und nach ihren eigenen Regeln in einer weit entfernten Zeit leben, in die man aus seinem eigenen unspektakuläreren Alltag eintauchen kann.


In der dritten Staffel von „Vikings: Valhalla“ entfaltet sich die Handlung über vier Haupthandlungsstränge. Diese narrative Struktur sorgt für eine dynamische und kurzweilige Erzählweise. Die Handlung verweilt selten lange an einem Ort und nutzt geschickt den Wechsel der Schauplätze, um visuelle Vielfalt und kontinuierliche Spannung zu erzeugen. Von Konstantinopel nach Griechenland, über Rom und Sizilien bis hin nach Norwegen, Dänemark, in die Normandie und schließlich zurück nach London – die dritte Staffel fasziniert mit einer Vielzahl an historischen Schauplätzen, die stellenweise jedoch erkennbar digital rekonstruiert wurden.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

Die dritte Staffel von „Vikings: Valhalla“ umfasst, wie ihre Vorgänger, acht Episoden von 43 bis 57 Minuten, die sowohl die Erzählung fortsetzen als auch abschließen. Dabei bleibt die Serie dem bewährten Rezept treu. Wie zuvor wird ein romantisiertes Bild der Wikingerzeit zelebriert, ausgeschmückt durch aufwendige Kostüme und eindrucksvolle Schauplätze, eingebunden in klassische Elemente der nordischen Mythologie, die der Serie ihren historischen Flair verleihen. Doch trotz der unveränderten Machart und des bekannten visuellen Stils zeigt die Staffel eine Weiterentwicklung, insbesondere in der Charakterdarstellung und der Behandlung ihrer Konflikte. Doch trotz der unveränderten Machart und dem vertrauten visuellen Stil zeigt diese Staffel eine gewisse Weiterentwicklung, insbesondere in der Art und Weise, wie sie die Charaktere und ihre Konflikte behandelt.


Die Erzählweise bleibt schnell, jedoch gelingt es trotz gelegentlicher Versäumnisse, bedeutsame Momente wirklich auszukosten – ein Umstand, der insbesondere im emotionalen Staffelfinale spürbar wird – die Hauptfiguren komplexer und greifbarer zu gestalten. Die Handlung setzt einen stärkeren Fokus auf innere Konflikte, die individuelle Auseinandersetzung der Figuren mit großen Themen wie Glauben, Macht und Ambitionen wird nuancierter. „Vikings: Valhalla“ hat den religiösen Konflikt zwischen Heiden und Christen als zentrales Element. Historisch überliefert wissen wir: Die, die wir heute als Wikinger verstehen, praktizierten zur Zeit der Serie primär eine polytheistische Religion, die in der Edda dokumentiert ist.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

Ihre Götter, unterteilt in die Gruppen der Asen und Wanen, hatten unterschiedliche Zuständigkeiten, wie etwa Thor für Blitz und Schutz der Menschheit und Odin für Weisheit und Krieg. Durch Raubzüge im größtenteils christlichen England kamen die Nordeuropäer dann mit dem Christentum in Kontakt, was zu einem allmählichen religiösen Wandel führte und es kam zu bedeutsamen Konvertierungen, wie die vom in „Vikings: Valhalla“ gezeigten Olaf Haraldsson, der später sogar heilig gesprochen wurde. In der dritten Staffel wird der Glaubenskonflikt konzentriert anhand von Freydis weitererzählt. In einer Welt, die sich zunehmend dem christlichen Einfluss beugt, kämpft sie darum, ihr Volk und dessen traditionelle Überzeugungen zu schützen.


Obwohl sie sich selbst nicht als typische Anführerin sieht, nimmt sie die Rolle der „Hüterin des Glaubens“ an, die niemanden zurücklassen und alle retten will, die an die alten Götter glauben. Ihre Entschlossenheit, den heidnischen Glauben gegen den Druck des Christentums zu bewahren, bringt sie jedoch in einen intensiven Konflikt mit der neuen Ordnung, die sie als Bedrohung betrachtet und sie für ihren heidnischen Glauben brandmarken will.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

Leif entwickelt sich unterdessen zu einer zunehmend atheistischen Figur, die sich von traditionellen Glaubensrichtungen distanziert und stattdessen eine tiefe Leidenschaft für die Wissenschaft entdeckt, die unaufhörliche Suche nach Wissen hat ihn zu einem Verfechter der rationalen Erklärungen und Entdeckungen gemacht, die er als wertvoller als Gold erachtet und was er entdeckt, kann die Welt verändern – oder auch zerstören. Leifs Reise führt zu grundlegenden Fragen über Verantwortung und Konsequenzen.


Die Serie greift hier eine zentrale philosophische Fragestellung auf – analog zur Debatte um die ethische Verantwortung von Erfindern wie im Fall der Atomwaffe: Wer trägt die Schuld an den verheerenden Auswirkungen einer Erfindung – der Erfinder oder derjenige, der die Anwendung dieser Erfindung verantwortet?


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

Während Leif auf der Suche nach Antworten ist, hat Harald ein klares Ziel vor Augen: die norwegische Krone zu erlangen, die er als sein rechtmäßiges Erbe betrachtet. Haralds Entschlossenheit, nur für Norwegen zu kämpfen und seine Bedeutung zu festigen, wird jedoch im Verlauf der Staffel auf eine harte Probe gestellt. Zwischen Ambition, Gier, Neid und Liebe muss Harald sich immer wieder entscheiden, ob er seinen ursprünglichen Plan verfolgt oder von seinem Weg abweicht, um anderen Verlockungen nachzugeben. Wird er sein Schicksal erfüllen oder daran scheitern?


Neben den drei Hauptfiguren hat „Vikings: Valhalla“ auch einen eindrucksvollen Handlungsstrang um Knut den Großen und Emma aus der Normandie. Während die Geschichte in der dritten Staffel anfangs in Rom repetitiv wirkt, gewinnt sie zum Finale hin an emotionaler Wucht, besonders durch die starke Chemie zwischen Bradley Freegard und Laura Berlin. Obwohl Knut als mächtiger Herrscher auftritt, ist es doch insgeheim Emma von der Normandie, die in „Vikings: Valhalla“ die wahre Stärke und Macht verkörpert, was auch keine moderne Fiktion der Macher ist. Bei kaum einer früheren Königin war die Dominanz am Königshof und die Anerkennung ihrer Rolle so groß wie bei Emma, schreiben heutige Historiker. Daher ist Emma nicht nur in der Serie eine beeindruckende Frau, auch in der realen Historie war sie bedeutsam. Emma von der Normandie, Tochter von Herzog Richard und Gunnora, war von 1002 bis 1016 Königin von England durch ihre Ehe mit König Æthelred, bevor sie Knut den Großen heiratete, der England 1016 eroberte.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

Nach Knuts Tod 1035 regierte Emma als Regent für ihren Sohn Harold Harefoot und spielte eine zentrale Rolle in der englischen Politik durch geschickte Heiratsallianzen und politische Beraterdienste. Mit kühler undurchsichtiger Miene, die ihrer Rolle von ihrem ersten Auftritt an eine etwas mysteriöse und undurchsichtige Aura verschafft, gibt die deutsche Schauspielerin Laura Berlin ihr ein starkes, bestimmtes Auftreten, mit der sie jede Szene für sich einnimmt und dominiert. Emma von der Normandie bildet in der Männer dominierenden Welt einen starken weiblichen Anker, eine mächtige Frau im 11. Jahrhundert. Aber auch neben ihr zeigt „Vikings: Valhalla“, dass nicht nur laute und bärtige Männer in der Welt der Wikinger das Sagen hatten und so hat die Serie immer wieder feministische Züge, die dabei keinesfalls geschichtsrevisionistisch sind.


Als Showrunner Jeb Stuart die Geschichte der Serie ersann, konzipierte er seine Handlung für drei Staffeln mit insgesamt 24 Episoden. Allerdings hinterließen bereits die ersten acht Episoden große Zweifel, ob sich sein Wikinger-Epos in diesem Zeitrahmen wirklich entfalten kann. Jetzt sind alle 24 Episoden da und es ist klar, aufgegangen ist der Plan nur bedingt. Denn auch wenn die Serie nach den schwachen ersten beiden Staffeln in seiner dritten und letzten Ausgabe endlich etwas Interesse an Charakterentwicklung zeigt, kommt dies so spät, dass das emotionale Finale gerade bei den drei Hauptfiguren wenig emotional werden dürfte, zu wenig Bindung konnte man mit vielen der Figuren aufbauen. Die erste Staffel eröffnete bereits eine solch große Handlung, dass bereits für mindestens drei Staffeln genug zu erzählen gewesen wäre, doch die ersten acht Folgen hetzten mit solch schnellem Pacing von Ereignis zu Ereignis, dass vieles auf der Strecke blieb.


Kritik zur 3. Staffel von „Vikings: Valhalla“: Glaube, Macht und Mythos
Bildnachweis: © 2024 Netflix, Inc.

So blieb kaum Raum für charakterliche Entwicklung und zwischenmenschliche Momente. Insgesamt hätte diese Serie daher deutlich mehr Luft zum Atmen benötigt, denn diese dritte Staffel hat zumindest gezeigt, dass viele der Schauspieler mit mehr Futter etwas aus ihren Figuren machen können. Etwas schade, dass erst so spät wirklich begonnen wurde, die Figuren vor ein Dilemma zu stellen, an dem sie als Protagonist oder Antagonist wachsen können, aber so entstand immerhin ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss, wenngleich es ebenfalls bezeichnend ist, dass Shworunner Jeb Stuart ausgerechnet bei dieser Staffel weder ein Drehbuch beisteuerte noch eine der Episoden inszenierte.


Ob die dritte Staffel letztlich ein befriedigender Abschluss ist, lässt sich wohl nur im Einzelfall subjektiv anhand der persönlichen Erwartungshaltung feststellen. In jedem Fall gelingt „Vikings: Valhalla“ ein runder Abschluss, alle Fäden werden im Staffelfinale zusammengeführt und die wichtigsten historisch überlieferten Etappen der Figuren wurden behandelt.


Fazit:


Auch die dritte Staffel bietet wieder modernisierten Wikinger-Kitsch mit schönen Frauen und maskulinen Männern mit langen Haaren und Bärten. Historisch zwar völlig unkorrekt, aber dafür optisch sehr imposant nimmt uns die finale Staffel von „Vikings: Valhalla“ mit in eine actiongeladene Geschichte, in der es wieder einmal Schlachten, Sex und Intrigen gibt. Nichtsdestotrotz die bisher beste Staffel der Serie!


6 von 10 Punkten


>>> STARTTERMIN: Ab dem 11. Juli 2024 im Kino.


Weitere Informationen zu Vikings: Valhalla:

Genre: Historiendrama, Action

Produktionsjahr: 2022

Laufzeit: 8 Episoden zwischen 43 bis 57 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: David Frazee, Hannah Quinn, Jan Matthys und Emer Conroy

Drehbuch: Rachel Kilfeather, Jessica Sinyard, Delinda Jacobs, Alex Straker, Katie Baxendale, Dana Fainaru, Daisy Martey und Declan Croghan

Besetzung: Sam Corlett, Frida Gustavsson, Leo Suter, Laura Berlin und viele mehr ...


Trailer zu Vikings: Valhalla:


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