Kritik zu „Death of a Unicorn“: Ein Fabelwesen im Kapitalismus
- Toni Schindele

- 1. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Ein Einhorn, eine reiche Familie und ein Unfall mit Folgen – all das entfesselt Alex Scharfman in seinem Spielfilmdebüt „Death of a Unicorn“, in die Kinos gebracht von der renommierten Independent-Filmgesellschaft A24.

Kaum ein Fabelwesen hat eine so vielschichtige Wandlung durchlaufen wie das Einhorn. Aus antiken Berichten über ein rätselhaftes Wildtier entwickelte es sich im Mittelalter zum Symbol für Reinheit, Güte und Unschuld – ein Wesen zwischen Mythos und Moral, verklärt in religiösen Schriften, verklärt in spirituellen Deutungen, gefürchtet als unzähmbares Naturgeschöpf. In frühen Legenden besiegte es wilde Tiere, heilte mit seinem Horn Vergiftete und verkörperte das göttliche Prinzip der Einzigartigkeit, bevor es in der Moderne entzaubert und in der Popkultur neu geboren wurde. Heute schillert es in rosa, süßer Ästhetik auf Tassen, Rucksäcken und Handyhüllen, galoppiert durch Kinderfilme, Animationsserien und Werbespots. In Alex Scharfmans Regiedebüt „Death of a Unicorn“ wird dieses Symbol seines Glitzers beraubt: Er verwandelt das mythische Tier in ein blutiges Spiegelbild westlicher Gier.
Darum geht es:
Eigentlich wollte Elliot Kintner mit seiner Tochter Ridley nur seinen exzentrischen Boss in der kanadischen Wildnis besuchen – doch als sie versehentlich ein Einhorn überfahren, geraten sie mitten in ein absurdes Chaos aus Gier, Wissenschaft und Wahnsinn. Während sein Wissenschaftsteam fieberhaft versucht, aus Horn und Blut ein Wundermittel zu destillieren, mahnt Ridley vor dem, was wirklich hinter dem Einhorn-Mythos steckt. Doch ihre Warnungen verhallen ungehört – bis die Elterntiere des überfahrenen Einhorns auftauchen und der Besuch in der Luxusvilla endgültig zum blutigen Albtraum wird. Können Elliot und Ridley dem tödlichen Märchen entkommen – oder ist es längst zu spät?
Die Rezension:
A24 ist längst mehr als nur ein Produktionslabel – es ist ein kulturelles Siegel geworden. Wer A24-Filme sieht, versteht sich als cinephil, reflektiert und diskursfreudig; die Marke steht für ein Kino, das Haltung zeigt: progressiv, unabhängig, ästhetisch anspruchsvoll. Mit dieser Erwartungshaltung im Gepäck startet auch „Death of a Unicorn“ – zunächst mit einer angenehm schrägen Prämisse und dem für A24 typischen Mut zur Genreverschmelzung. Doch was als kreativer Fiebertraum zwischen Horror, Satire und Kapitalismuskritik beginnt, verliert rasch an Substanz. Statt messerscharfer Gesellschaftssatire liefert der Film moralische Planspiele im Debattenton. Die Reichen sind karikaturhaft dekadent, die Angestellten moralisch gequält, das Einhorn ein blutiger Racheengel des Proletariats – eine hübsch gedachte, aber platt erzählte Metapher. Zwischen überdeutlicher Kapitalismuskritik, überzeichneter Symbolik und einer Vielzahl genresprengender Ansätze verliert „Death of a Unicorn“ den Fokus.

Zwar gelingen Alex Scharfman Momente schwarzen Humors und einige stilistisch reizvolle Sequenzen, dennoch bleibt „Death of a Unicorn“ ein Film, der sich zu sehr auf seine Prämisse verlässt. Dass der Film dabei seine eigene Absurdität nie ganz ernst nimmt, gehört zum Konzept – problematischer ist, dass kaum eine der Figuren je wirklich glaubwürdig handelt, als würden sie ihrem Untergang fast widerstandslos entgegentaumeln. Die Dialoge wirken oft sehr konstruiert, die Logik der Motivationen und Entscheidungen ist nicht selten willkürlich. Doch das Ensemble trägt den Film mit Spielfreude und Timing über manche Drehbuchschwäche hinweg. Alex Scharfman mag seine Charaktere flach gezeichnet haben, doch er hat sie brillant besetzt. Téa Leoni spielt die überdrehte Wohltäterin mit pointierter Eleganz, Richard E. Grant verkörpert den narzisstischen Patriarchen mit britischer Grandezza, und Will Poulter verleiht seinem arroganten Charmebolzen jene selbstironische Schärfe, die ihn schon in früheren Rollen auszeichnete.
Herausragend ist zudem Anthony Carrigan in der Rolle des Butlers Griff – ein stiller Beobachter, der mit Nuancen, Mimik und Timing jede Szene an sich reißt. Paul Rudd und Jenna Ortega führen das Ensemble an – als Vater-Tochter-Duo, das den moralischen Kern der Geschichte bilden soll, dabei in ihrem Spiel jedoch seltsam routiniert wirkt. Im Gegensatz zum ansonsten leidenschaftlich aufspielenden Ensemble bedienen sie in ihren fast unterfordernden Figuren bekannte wie auch ziemlich generische Rollentypen. Rudd, charmant wie gewohnt, spielt den gutmütigen Verlierer im System mit jener Mischung aus Ironie und Melancholie, die er perfektioniert hat. Ortega dagegen gibt Ridley eine stoische Klarheit, die zwischen Empathie und sardonischem Humor changiert – ihr Blick ist der Ruhepol im Chaos, ihr Spiel das emotionale Korrektiv. Ihre Chemie funktioniert, bis die Handlung sie im Strudel der durchsichtigen Dramaturgie verliert. Die Bildsprache des Films ist dabei passend recht uninspiriert und in konventionellen Bildeinstellungen verhaftet, zumal oft alles viel zu dunkel ist.

Die titelgebenden Einhörner sind in Scharfmans Film keine sanften Lichtwesen, sondern wuchtige, bedrohliche Körper – entmystifizierte Kreaturen, halb Symbol, halb Monster. Die Tiere wirken nicht edel, sondern gezeichnet von Überlebenswillen; ihre Adern pulsieren, ihre Augen funkeln vor Zorn. Das Creature-Design der bizarren Einhörner entstammt konzeptionell zwar dem renommierten Weta Workshop, digital umgesetzt wurden sie jedoch von Zoic Studios – mit sichtbar schwankender Qualität. Besonders in hellen Szenen entlarvt das Licht dabei das begrenzte Budget von rund 15 Millionen US-Dollar, das kaum für überzeugende CGI reicht. Doch wenn die Einhörner schließlich im Blutrausch über die Menschen herfallen, erreicht der Film kurzzeitig jenen absurden Splatter-Witz, den man sich insgesamt mehr gewünscht hätte. Doch es bleibt bei Momenten. Zu selten nutzt „Death of a Unicorn“ sein Potenzial für echten Schrecken oder pointierte Satire.
Fazit:
Was als originelle Genreidee mit satirischem Biss beginnt, verkommt zu einer blutigen Allegorie, der die erzählerische Originalität fehlt: „Death of a Unicorn“ ist ambitioniert besetzt, doch inhaltlich fahrig, visuell uninspiriert und dramaturgisch durchsichtig – ein Film, der seine Metaphern zu sehr ausbuchstabiert, seine Figuren zu schematisch belässt und seine Prämisse zu wenig weiterdenkt, um das zu sein, was er sein will: mehr als ein skurriler Konzeptfilm.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 01. Mai 2025 im Kino.
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Weitere Informationen zu „Death of a Unicorn“:
Genre: Komödie, Thriller, Horror
Laufzeit: 108 Minuten
Altersfreigabe: FSK 16
Regie: Alex Scharfman
Drehbuch: Alex Scharfman
Besetzung: Paul Rudd, Jenna Ortega, Richard E. Grant und viele mehr ...
Trailer zu „Death of a Unicorn“:





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