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Kritik zu „Motel Destino“: Zwischen Neonlichtern und Verlangen

Karim Aïnouz entführt in „Motel Destino“ in eine Welt voller Erotik und Verlangen, eingefangen in grellen Neonfarben und tropischer Hitze. Doch kann der Film neben seiner visuellen Kraft auch erzählerisch fesseln?


Kritik zu „Motel Destino“: Zwischen Neonlichtern und Verlangen
Bildnachweis: © Piffl Medien

Karim Aïnouz zählt zu den vielseitigsten und international renommierten Filmemachern aus Brasilien. Mit einem Werdegang, der Einflüsse aus Brasilien, Algerien und Frankreich vereint, verschmelzen in seinen Werken häufig soziale wie auch kulturelle Themen. Bereits sein erstes Werk „Madame Satã“, das bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2002 in der Reihe „Un Certain Regard“ Premiere feierte, lenkte Aufmerksamkeit auf ihn und etablierte ihn als Regisseur, der gesellschaftliche Randfiguren in den Mittelpunkt stellt. Es folgten Filme wie „Love for Sale“ und „I Travel Because I Have To, I Come Back Because I Love You“, die beide beim Filmfestival in Venedig gezeigt wurden.


Seit 2012 lebt der Regisseur in Berlin, wo er eine Brücke zwischen brasilianischem und europäischem Kino schlägt. Neben Spielfilmen realisierte er auch Serienprojekte und experimentelle Installationen, darunter das in Zusammenarbeit mit Wim Wenders entstandene Projekt Kathedralen der Kultur. Nach dem Historienfilm „Firebrand“ mit Alicia Vikander und Jude Law, der 2023 für die Goldene Palme in Cannes nominiert war, war er auch dieses Jahr mit seinem neuesten und achten Spielfilm „Motel Destino“ in Cannes für die Goldene Palme im Rennen.


Darum geht es:


In grellen Neonfarben leuchtet das Motel Destino, ein abgelegenes Stundenhotel an der nordbrasilianischen Küste, unter dem endlosen Blau des Himmels. Der junge Heraldo taucht dort nach einem missglückten Raubüberfall unter, auf der Flucht vor der Polizei und seinen ehemaligen Komplizen. Die Begegnung mit dem undurchsichtigen Motelbetreiber Elias und dessen unzufriedener Frau Dayana entfacht ein gefährliches Spiel voller Macht, Verlangen und Verrat – doch wer wird am Ende die Freiheit erlangen?


Die Rezension:


„Motel Destino“ von Karim Aïnouz taucht tief in die glühende Hitze und die flirrende Atmosphäre der brasilianischen Küste ein. Der Film erkundet eine erotische Welt voller Verlangen, Sehnsucht und der allgegenwärtigen Lust, die in jedem Bild und jeder Szene zu spüren ist. Im Mittelpunkt steht der junge Protagonist Heraldo, ein rastloser 21-Jähriger, der von einem Leben in der Großstadt träumt, jedoch in der drückenden Enge seiner kleinen Küstenstadt und des titelgebenden Motels gefangen bleibt. Aïnouz greift hier auf klassische Noir-Elemente zurück, verleiht ihnen jedoch eine neue, tropisch-überhitzte Form, die die Spannung und das erotische Knistern zwischen den Charakteren förmlich greifbar macht.


Kritik zu „Motel Destino“: Zwischen Neonlichtern und Verlangen
Bildnachweis: © Santoro

Aïnouz, bekannt für seine cineastische Exploration menschlicher Leidenschaften, nutzt das schwüle Setting und das triste Leben der Hauptfigur als Spiegel für die innere Leere und Unruhe seiner Charaktere. Die Kulisse des Motels, beleuchtet von grellen Neonfarben, schafft eine surreale Welt, in der die Grenze zwischen Realität und Fiebertraum verschwimmt. Gekonnt setzt Kamerafrau Hélène Louvart diese Szenerie in Szene, indem sie das Neonlicht auf die Körper der Figuren prallen lässt. Dabei entsteht ein erotischer Thriller, der gleichermaßen von der Hitze des Settings wie von der emotionalen Zerrissenheit seiner Figuren lebt.


In „Motel Destino“ kreiert Aïnouz eine erzählerische und visuelle Symbiose aus Verlangen und Gewalt. Die Handlung fokussiert sich auf Heraldos Faszination und die gefährliche Beziehung zur Hotelbesitzerin Dayana, einer Frau, die selbst in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und in Heraldo eine Möglichkeit sieht, sich aus ihrer öden Existenz zu befreien. Doch in diesem Dreieck von Lust, Macht und Manipulation ist nichts so, wie es scheint, und Aïnouz nutzt geschickt die unbeständige Dynamik zwischen den Charakteren, um die moralischen Grauzonen und die Unberechenbarkeit menschlicher Begierden aufzuzeigen. Dabei erinnert die Inszenierung an klassische Noir-Werke, nur dass die Handlung nicht in kalten Schwarz-Weiß-Bildern, sondern in schrillen, überhitzten Farben erzählt wird, die die brodelnde Spannung verstärken.


Kritik zu „Motel Destino“: Zwischen Neonlichtern und Verlangen
Bildnachweis: © Santoro

Interessant ist hierbei Aïnouz’ Entscheidung, die Farben bis an ihre Grenze zu übersteuern. Primärfarben wie Rot und Blau schaffen nicht nur Kontraste, sondern verleihen dem Film eine fiebrige Atmosphäre, die beinahe den Sinnen zusetzt. Es ist eine Überdosis an visuellen Eindrücken, die Louvart einfängt und die uns in eine exotische Welt zieht. Diese Wahl hat jedoch auch ihren Preis: Während die Bilder faszinieren und beeindrucken, bleibt die Geschichte oft auf der Strecke. Die Handlung entwickelt sich teils nur schleppend, immer wieder unterbrochen von ausgedehnten Sequenzen, die die Bildgewalt in den Vordergrund stellen, während die Spannung darunter leidet. Auch thematisch geht Aïnouz weit über eine einfache Erotikgeschichte hinaus. Das Motel wird hier zu einem Mikrokosmos brasilianischer Gesellschaft, in dem soziale und wirtschaftliche Spannungen, persönliche Frustrationen und das ständige Streben nach einem besseren Leben aufeinandertreffen.


Heraldo, getrieben von dem Wunsch nach einem Leben jenseits der kleinen Küstenstadt, verkörpert die Hoffnung und die Verzweiflung einer Generation, die ihren Platz in der Welt sucht und gleichzeitig unter den sozialen Begrenzungen leidet. Dayana hingegen steht für eine andere Art von Gefangenschaft – die der Routine, der ehelichen Verpflichtung und der heimlichen Träume, die in der heißen Luft des Motels zu verglühen scheinen. Iago Xavier verkörpert die nervöse Unruhe des jungen Heraldo, während Nataly Rocha als Dayana die verzweifelte Sehnsucht und die Unzufriedenheit einer Frau einfängt, die zu lange in ihrem eigenen Leben gefangen war. Besonders eindrucksvoll ist aber die Darstellung von Fábio Assunção als Elias, der als verrückter Ehemann eine erschreckende Präsenz auf die große Leinwand bringt.


Kritik zu „Motel Destino“: Zwischen Neonlichtern und Verlangen
Bildnachweis: © Santoro

Trotz der klischeehaften Grundkonstellation, gelingt es den Schauspielenden, ihren Figuren eine persönliche Note und emotionale Tiefe zu verleihen, die über das Schema hinausgeht. Doch so fesselnd die visuelle Darstellung und die Atmosphäre des Films auch sein mögen, „Motel Destino“ stößt an seine Grenzen, wenn es um die Charakterentwicklung und den erzählerischen Fluss geht. Die Protagonisten wirken zuweilen stagnierend, gefangen in einem wiederkehrenden Muster aus Begierde, Eifersucht und innerer Zerrissenheit, ohne dass sich ihre Beziehung oder die Konflikte grundlegend entwickeln.


Fazit:


„Motel Destino“ ist ein fiebriger Trip in eine grelle, von Begierden geprägte Welt, die mit neongetränkten Bildern und schwitzender Atmosphäre fasziniert,  der jedoch in der Handlung schwächelt. Karim Aïnouz liefert ein unvollkommenes, aber intensiv nachhallendes Erotikdrama.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 14. November 2024 im Kino.


Weitere Informationen zu „Motel Destino“:

Genre: Erotikdrama, Thriller

Produktionsjahr: 2023

Laufzeit: 115 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Karim Aïnouz

Drehbuch: Wislan Esmeraldo, Karim Aïnouz und Mauricio Zacharias

Besetzung: Iago Xavier, Nataly Rocha, Fábio Assunção und viele mehr ...


Trailer zu „Motel Destino“:


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